Papst Franziskus hat Erzbischof Georg Gänswein, den langjährigen Vertrauten und Privatsekretär des gestorbenen Benedikt XVI., zu einer Privataudienz empfangen. Nach den Trauerfeiern für den emeritierten Papst in der vorigen Wochen kamen die zwei Kirchenmänner gleich am Montagmorgen zusammen, wie der Vatikan mitteilte.
Der Inhalt des Gesprächs wurde nicht kommuniziert. Unklar war zunächst ebenso, wie spontan das Treffen anberaumt war, ob Gänswein um das Gespräch bat oder ob Franziskus den Deutschen zum Rapport bestellte.
Gänswein sorgt im Vatikan für Aufsehen
In den vergangenen Tagen hatte Gänswein im Vatikan für Aufsehen gesorgt mit Aussagen aus einem in Kürze erscheinenden Buch, aus dem italienische Medien Passagen und Aussagen veröffentlichten. Unter anderem klagte Gänswein darin, wie er im Jahr 2020 von Franziskus als Präfekt des Päpstlichen Hauses beurlaubt worden war.
Der gebürtige Schwarzwälder sollte damals nach Anordnung von Franziskus nicht mehr zur Arbeit kommen und sich stattdessen komplett um Benedikt kümmern – Gänswein verstand die Maßnahme als Strafe gegen sich. Offiziell ist er immer noch Präfekt des Päpstlichen Hauses – dies ist ein wichtiger Posten an der Kurie unter anderem bei der Planung von Audienzen.
Gänswein: Benedikt mit Entscheidungen von Franziskus nicht einverstanden
Außerdem schreibe der 66-Jährige in dem Buch, dass Benedikt mit einigen Entscheidungen von Franziskus nicht einverstanden war. Der emeritierte Papst war am 31. Dezember gestorben und am Donnerstag nach einer offiziellen Trauerfeier in der Papstgrotte des Petersdoms beigesetzt worden. Gänswein hatte, noch bevor Benedikt beerdigt worden war, zwei Interviews gegeben, wofür ihn am Wochenende einige hohe Geistliche kritisierten.
Italienische Medien berichteten, dass auch Franziskus sich mit Äußerungen vom Wochenende indirekt auf Gänswein bezogen habe. Der Papst kritisierte am Sonntag vor dem Angelus-Gebet: „Geschwätz ist eine tödliche Waffe: Es tötet, es tötet die Liebe, es tötet die Gesellschaft, es tötet die Brüderlichkeit.“
Kritik in der katholischen Kirche
Auch andere Kirchenvertreter übten Kritik an den Gänswein-Äußerungen. „Es wäre besser gewesen, zu schweigen“, sagte der deutsche Kardinal Walter Kasper im Interview der italienischen Zeitung „La Repubblica“.
„Ich denke, wenn man Kritik an den Heiligen Vater richten will, muss man das nicht über die Massenmedien manchen, sondern direkt an ihn persönlich“, sagte der Chef der US-amerikanischen Bischofskonferenz, Timothy Broglio, der Zeitung „La Repubblica“. Man müsse den gesamten Kontext kennen, sagte Kardinal Gerhard Ludwig Müller „La Stampa“. „Leider ist das eine der Kontroversen, die dem Volk Gottes nicht gut tun.“.
Don Alberto Varinelli aus der Diözese Bergamo in Norditalien rief Gänswein in einem offenen Brief auf, den Buchverkauf zu stoppen, sollte es sich dabei um eine Sammlung von Angriffen handeln. (dpa)