Was haben Bücher zur allgemeinen badischen, deutschen oder schweizerischen Geschichte und Chroniken einzelner Orte diesseits und jenseits des Rheins gemeinsam? Sucht man in ihren Ortsregistern nach dem Stichwort Waldshut, erhält man die häufigsten Treffer zu zwei Ereignissen der Stadtgeschichte, die nur knapp sechs Jahrzehnte auseinanderliegen: Der Waldshuter Krieg von 1468, also die Belagerung Waldshuts durch die Eidgenossen, ist das eine typische Momentum in der Geschichte der Waldstadt. Das andere sind die Vorgänge im Umfeld von Bauernkrieg und Reformation, die sich hauptsächlich in den Jahren 1524 und 1525 zugetragen haben – also vor 500 Jahren.
Gedenkjahr unter dem Motto „Aufbruch!“
Aus diesem Anlass fanden und finden Veranstaltungen statt, von denen hier einige festgehalten werden. Unter dem Motto „Aufbruch!“ hatte der Schwarzwaldverein Stühlingen 2024 gemeinsam mit der Stadt Stühlingen zu einem Gedenkjahr eingeladen. Neben einer Ausstellung, einem Konzert, Führungen und Wanderungen organisierte der Verein ein Fahnenprojekt, mit dem das wichtige historische Ereignis weithin sichtbar gemacht wurde. Überall im Gebiet des Schwarzwaldvereins wurden in den unterschiedlichsten Orten Fahnen zur Erinnerung an den Bauernkrieg vor 500 Jahren aufgehängt.

Jubiläum der Täuferbewegung
Im April dieses Jahres feierte die Baptistengemeinde Waldshut das Jubiläum der Täuferbewegung, auf die sie zurückgeht, unter anderem mit einer Ausstellung in der Waldshuter Stadtscheuer. Sie hieß „Gewagt!“ und wurde auch andernorts gezeigt, in Waldshut um zwei Themen erweitert: die Person und das Wirken des Waldshuter Reformators Balthasar Hubmaier und die Verbindung der Täufer zum Bauernkrieg. Die im Rahmen der Ausstellung von Christian Ruch und Lukas Amstutz gehaltenen Vorträge wurden gefilmt und sind im Internet abrufbar.
Landesausstellung „Uffrur!“
Beim Monatstreff des Geschichtsvereins Hochrhein hielt Wolfgang Wolpert am 5. Juni einen Vortrag über Balthasar Hubmaier. Noch bis 5. Oktober zeigt das Württembergische Landesmuseum die große Landesausstellung „Uffrur!“ im Kloster Bad Schussenried. Weitere Informationen dazu im Internet unter www.bauernkrieg-bw.de.
Lesenswertes zum Jubiläum
Neben Veranstaltungen wird das bedeutende Jubiläum auch mit Publikationen gewürdigt. Die „Badische Heimat“ brachte im Mai ein Heft mit dem Schwerpunktthema 500 Jahre Bauernkrieg heraus. Dort findet sich auch ein Beitrag von Andreas Mahler aus Stühlingen mit dem Titel „Warum der deutsche Bauernkrieg am 23. Juni 1524 in Stühlingen begann“. Der Text basiert auf Mahlers frisch herausgegebener Trilogie zum Bauernkrieg.
Unter der Mitwirkung des Geschichtsvereins Hegau brachte Casimir Bumiller ein Buch zum Thema heraus: „Der Bauernkrieg im Hegau 1524/25 – Rekonstruktion einer revolutionären Bewegung“. Auch er stellt immer wieder Bezüge zur Gegend rund um Waldshut-Tiengen und den Kreis Waldshut her, sei es durch den Reformator Balthasar Hubmaier und Waldshut, den Anführer im Bauernkrieg, Hans Müller von Bulgenbach, oder durch die Grafen von Lupfen. Diese hatten damals auch die Herrschaft Hewen mit Sitz in Engen inne; in der dortigen Kirche ist Siegmund von Lupfen auch bestattet und sein Grabmal bis heute erhalten.
Wie würde Hubmaier die Situation heute wohl sehen?
Noch viele andere Orte im Landkreis Waldshut wie Grießen oder Laufenburg stehen mit der Reformation oder Revolution von 1524/25 in Verbindung. Interessanterweise fanden 500 Jahre nach dem Bauernkrieg in ganz Deutschland Proteste von Landwirten statt. Damals war der Bundschuh das Symbol der Aufständischen, dieses Mal hingen an vielen Ortsschildern als Zeichen des Protestes Gummistiefel.
Der damalige Vorsitzende des Geschichtsvereins Hochrhein, Manfred Dietenberger, veröffentlichte 1994 im Jahrbuch des Geschichtsvereins einen Beitrag mit dem Titel „Die Wahrheit ist untödlich“, ein fiktives Interview mit dem Wiedertäufer Balthasar Hubmaier in Waldshut. Es wäre bestimmt spannend, zu erfahren, wie Hubmaier die heutige kirchliche und politische Lage beurteilen würde. Dass Landwirte und andere ihren Unmut über geltende oder drohende Zustände auf der Straße kundtun.
Was er wohl dazu sagen würde, dass nicht einmal mehr die Hälfte der deutschen Bevölkerung christlich ist. Dazu, dass in Waldshut-Tiengen und vielen anderen Orten die christlichen Kirchen und Gemeinden in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen die Ökumene leben und das Verbindende betonen und feiern, statt das Trennende. Dazu, dass der Gottesdienst zur Waldshuter Chilbi seit 2024 ökumenisch gefeiert wird. Aber auch dazu, dass durch den Priestermangel und die bald kommende Pastoralreform im Pfarrhaus neben seiner damaligen Kirche (der Liebfrauenkirche) in Zukunft wohl kein Priester mehr wohnen wird.