Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat mit deutlichen Worten auf das Potsdamer Geheimtreffen mit AfD-Politikern und Rechtsextremisten zur Vertreibung von Millionen Menschen reagiert. „Wer sich gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung richtet, ist ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz“, schrieb Scholz am Donnerstag bei X, vormals Twitter. Indes distanzierte sich die CDU in Nordrhein-Westfalen von zwei Parteimitgliedern, die an dem Treffen teilgenommen haben sollen.

Kanzler Scholz: „Wir schützen alle“

„Dass wir aus der Geschichte lernen, das ist kein bloßes Lippenbekenntnis“, betonte Scholz bei X. „Demokratinnen und Demokraten müssen zusammenstehen“, schrieb er weiter. „Wir lassen nicht zu, dass jemand das “Wir in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht.„ Der Kanzler fügte hinzu: “Wir schützen alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist.„

Martin Sellner von der Identitären Bewegung: In einem am 10. Januar vom Recherchenetzwerk „Correctiv“ veröffentlichten ...
Martin Sellner von der Identitären Bewegung: In einem am 10. Januar vom Recherchenetzwerk „Correctiv“ veröffentlichten Bericht heißt es, dass sich AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer im November 2023 trafen, um die Ausweisung von Millionen von Menschen aus Deutschland zu besprechen. In dem Bericht heißt es weiter, dass Martin Sellner bei dem Treffen einen Masterplan für die „Remigration“ vorstellte und den Recherchen zufolge auflistete, wer Deutschland verlassen sollte: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und „unangepasste Bürger“. | Bild: GEORG HOCHMUTH/APA/AFP

Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Britta Haßelmann, rief nach dem Bekanntwerden des Geheimtreffens dazu auf, „unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Grundgesetz und die Errungenschaften unserer vielfältigen Gesellschaft“ zu verteidigen „gegen die Feinde der Demokratie“. Das sei „hoffentlich spätestens jetzt vielen Menschen klar“.

Correctiv veröffentlicht Recherchen zu Potsdamer Geheimtreffen

Nach Recherchen des Netzwerks Correctiv hatten sich AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer im November 2023 in einem Hotel nahe Potsdam getroffen, um die Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte aus Deutschland zu besprechen. Dazu sollen der Unternehmer Hans Christian Limmer sowie der Rechtsextremist Gernot Mörig eingeladen haben. Der Einladung waren den Recherchen zufolge auch zwei nordrhein-westfälische Vertreterinnen des CDU-nahen Vereins Werteunion gefolgt. Beide sollen auch Parteimitglieder sein.

Blick auf ein Gästehaus in Potsdam, in dem AfD-Politiker nach einem Bericht des Medienhauses Correctiv im November an einem Treffen ...
Blick auf ein Gästehaus in Potsdam, in dem AfD-Politiker nach einem Bericht des Medienhauses Correctiv im November an einem Treffen teilgenommen haben sollen. Daran soll auch der bekannteste Vertreter der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner, teilgenommen haben. | Bild: Jens Kalaene/dpa

Die CDU in NRW prüfe nun den Sachverhalt, berichtete der Sender RBB am Mittwochabend. Grundsätzlich gelte: Wer an solchen Treffen teilnehme, verstoße gegen die Grundsätze der CDU, teilte ein Sprecher dem Sender mit.

Uni Köln distanziert sich von Privatdozent

Auch ein ehemaliger Privatdozent der Universität zu Köln soll an dem Treffen teilgenommen haben. Die Hochschule distanzierte sich nun von ihm. Außerdem wolle sie prüfen, ob dessen Voraussetzungen für den Status „Privatdozent“ noch gegeben seien, berichtet der „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Donnerstag.

„Die Uni Köln steht für Weltoffenheit und Diskriminierungsfreiheit – und für Vielfalt und Diversität, wie sie die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland insgesamt auszeichnen“, sagte ein Uni-Sprecher der Zeitung. Der ehemalige Privatdozent lehre seit 2018 nicht mehr an der Universität.

Wolfgang Thierse: AfD-Verbot prüfen

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sieht in den Recherchen zu dem Geheimtreffen einen Beleg für den Radikalismus der AfD. Wenn nur die Hälfte davon stimme, zeige sich, dass die AfD „weit mehr ist als nur eine rechtspopulistische Partei“, sagte Thierse dem „Tagesspiegel“ vom Donnerstag. Sie organisiere sich mit Demokratiefeinden und Umstürzlern. Das sei „hochdramatisch“.

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Thierse erneuerte vor dem Hintergrund seine Forderung nach der Prüfung eines Verbotsverfahrens. Wenn der Verfassungsschutz die AfD als eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei definiere, müsse der Staat sie „genauestens beobachten und ein mögliches Verbot prüfen“, sagte der SPD-Politiker. „Ein Parteiverbot hat hohe Hürden und jedes Verfahren dazu würde von der AfD propagandistisch ausgeschlachtet“, so Thierse. „Das Damoklesschwert eines Verbotes sollte aber über der AfD hängen bleiben.“ (AFP)