Wo beginnen, wo enden? Bei Michael Gregoritsch vielleicht? Beim Gregerl, der 45 Minuten auf der Bank zuschauen muss, wie der RC Lens mit 2:0 führt, und dem Gregerl, der in der 99. Minute das 3:2-Siegtor für den SC Freiburg schießt?
Schnitt. Dieses Spiel vom Donnerstagabend wird noch lange im Gedächtnis bleiben. Lange und noch ein bisschen mehr. „Dass man so etwas erleben darf“, sagt Gregerl Gregoritsch, „das ist für die Ewigkeit.“ Seine Augen glänzen, als seien sie den Tränen nahe, aber das kann auch der positiven Aufregung geschuldet sein.
Oder körperlicher und mentaler Erschöpfung zugleich. Ein Spiel für die Ewigkeit – 0:2 nach 45 Minuten, der Ausgleich zum 2:2 in der dritten Minute der Nachspielzeit, beide Tore erzielt von einem grandiosen Roland Sallai, Gregerls 3:2 in der 99. Minute, vor dem erneut Sallai seine Fußspitze im Spiel hatte, der Schlusspfiff, mit dem sich alle Anspannung entlädt in einem Aufschrei der Freude, auf dem Rasen wie auf den Tribünen, wo sie den Tag besingen, der so wunderschön ist...
Die Auslosung
Schnitt. Freitag, 12 Uhr. Das Achtelfinale der Europa League wird ausgelost. Auf der Homepage des SC Freiburg ist ein Facebook-Chat der SC-Fans verlinkt, die sich auslassen über mögliche Gegner fürs Achtelfinale. Der FC Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp steht an erster Stelle der Wunschliste, „wäre extrem geil“.
Die Glasgow Rangers? Auch dieses Los wäre okay. Doch dann kommt es, wie ein Thilo Uwe Künkel orakelt: „Die Spiele West-Schinken gegen Schwarzwälder Schinken fand ich immer sehr anregend.“ Tatsächlich wird es erneut West Ham, also korrekt West Ham United, die Mannschaft aus London, gegen die der Sport-Club in der Gruppenphase zweimal verloren hat.
„Das ist ein bisschen doof“, sagt Kapitän Christian Günter und berichtet, „in der Kabine haben sich einige richtig aufgeregt.“ Liverpool, Glasgow, Brighton, Bergamo, Villarreal oder Slavia Prag hätten es sein können – und stattdessen schon wieder dieser London-Schinken. Das Adrenalin, das am Abend zuvor durch Freiburger Fußballkörper gerauscht war: mit einem Schlag verschwunden und ersetzt durch einen Mix aus Enttäuschung, Ärger, ja Zorn.
Nein, die SC-Kicker hatten nicht durchgemacht im Bauch des Stadions, sondern sich dort zum gemeinsamen Regenerieren getroffen. Eine gute Botschaft wollte Günter dann aber doch an alle Freiburger richten. „Das Heimspiel gegen West Ham sah doch gar nicht so aus, dass wir verlieren müssen“ sagt der Kapitän, der damals außen vor war und nun dabei sein wird. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir eine Runde weiterkommen.“ Und dann werde es ja auch „einen anderen Gegner geben“.
Hoppla, und nun Augsburg
Schnitt. Der andere Gegner wird erst mal FC Augsburg heißen. Bundesliga-Alltag, Sonntag, 19.30 Uhr. Vielleicht wird ja aus den negativen Gefühlen des Freitagmorgens ein Mix aus Trotz und Stolz, der in ein jetzt erst recht mündet. „Die Augsburger haben doch gejubelt, dass wir in die Verlängerung gingen“, sagt Christian Streich, „die wollen uns auffressen.“ Furcht hat der Trainer allerdings nicht, weil er trotz des doofen Loses an die positive Wirkung des Spiels für die Ewigkeit glaubt: „Wir haben nicht 0:2 verloren, wir haben 3:2 gewonnen. Und das gibt uns Kraft.“
Schnitt. Weil es so schön war, so für die Ewigkeit, noch mal ein kurzer Blick zurück auf das, was sich gegen Lens ab der 46. Minute getan hatte. Die Verteidiger Sildillia und Makengo raus, dafür Gregerl und Noah Weißhaupt rein. Der eine als Kopfballanspielstation im Strafraum, der andere als Teufelskerl auf Linksaußen – beides funktioniert.
Dafür muss Nicolas Höfler auf die Innenverteidigerposition – und der Chicco gibt die Neuauflage des Liberos. Dann noch Ginter rein und Grifo und später Günter, die drei G. Ginter ist am 2:2 von Sallai beteiligt, Grifo wird zum Ballkontrolleur und Günter ist links nicht zu überwinden. Dann macht der Gregerl das 3:2 und das Europa Park-Stadion zum Tollhaus – für die Ewigkeit.
Und Schnitt. Sonntag, Bundesliga. Augsburg. Die Nagelprobe.