Das Tribünendach des Losail International Circuit wird in dem Moment, als Max Verstappen im Sprint-Rennen vor dem Großen Preis von Katar als Zweiter über die Ziellinie rast, zu einem gigantischen Leuchtband. So digital wie der Samstag-Weltmeister ist noch nie ein Champion der Formel 1 gefeiert worden. Doch das Spektakel in der Wüstennacht wird durch eine denkbar einfache analoge Geste von Max Verstappen übertroffen, sie erst macht es für ihn und auch viele andere richtig greifbar, was da gerade passiert ist. Der Niederländer hebt die Hand, und zeigt dann einen feuerfest umhüllten Finger nach dem anderen: Eins, zwei, drei.

Er trägt sich in Rekord-Liste ein

Im Sprint zum Titel-Hattrick, das war anzunehmen gewesen nach einer Saison, die ihresgleichen sucht in der Renngeschichte. Nachdem sein Teamkollege Sergio Perez zu Mitte des Sprints im Kiesbett gestrandet war, hätte es Verstappen ausrollen lassen können. Stattdessen kündigt er an, jetzt den Sieg zu wollen.

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Mit Mühe kann ihn der Renningenieur einbremsen: „Lass doch einfach den Titel auf Dich zukommen.“ So ist der Zweite am Ende der Erste, hat innerhalb von 22 Monaten den Hattrick eingefahren und ist damit in eine ganz andere Kategorie von Rennfahrern eingetaucht.

Elf Piloten in über sieben Jahrzehnten Königsklasse holten drei Titel, sein Teamchef Christian Horner ratterte die Liste über Funk runter, um seinem Schützling die Dimension klarzumachen. Aber nur vier Fahrer vor ihm holten drei in Serie: Juan Manuel Fangio, Michael Schumacher, Sebastian Vettel und Lewis Hamilton.

Verstappen erfüllt sich einen Traum

Eine goldene Kordel an der Kappe und ein schwarzes T-Shirt mit Löwenkopf in Oranje sind die vorläufigen Insignien für den 26-Jährigen. Die Trophäe gibt es erst in gut acht Wochen. „Macht nix“, sagt der vorzeitige Champion mit einem Grinsen, „ich hab‘ ja schon zwei davon.“

Eine neben dem Fernseher, eine neben seinem Rennsimulator. Die persönliche Rangliste seiner Titel hat er bereits angelegt: „Ich glaube, der erste war der emotionalste, weil sich damit mein Traum erfüllt hat. Träume in der F1 erfüllen. Aber dieser hier ist definitiv der beste, weil ich so konstant war. Darauf bin ich stolz. Und der zweite, tja, das ist jetzt der in der Mitte.“

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Auch wenn die Pokale für ihn alle gleich aussehen, hat der Titelgewinn in dieser Saison endgültig den Schritt vom Mad Max zum Maximalen markiert: anders als 2021 nach dem umstrittenen Finale gegen Hamilton oder im Vorjahr durch den Red-Bull-Verstoß gegen den Budgetdeckel ist der große Sieg an diesem Wochenende ein tadelloser.

Sein Entdecker Helmut Marko, der Talentscout des Getränkekonzerns, ringt nach dem Superlativ. Er sei einfach nur überwältigt, gesteht der Österreicher: „Diese Karriere ist einmalig in der Geschichte. Und da kommt noch etwas!“

Ganz entgegen seiner üblichen Reaktionsfähigkeit brauchte Max Verstappen nach der Zieldurchfahrt ausnahmsweise einige Momente, um sich zu sammeln, um zu begreifen, was er da gerade im Schnelldurchgang erledigt hatte, sechs Rennen vor Saisonende: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

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Dreimaliger Weltmeister zu sein, das empfinde er als unwirklich. Teamchef Horner korrigiert: „Er fährt wie ein Außerirdischer.“ Seit dem vierten oder fünften Rennen sei ihm klar gewesen, wie diese Saison laufen würde: „Alles, was er in diesem Jahr geleistet hat, ist phänomenal.“

Nach den erfolgreichen Jahren mit Sebastian Vettel habe er nicht mehr daran geglaubt, so etwas nochmal erleben zu dürfen: „Aber jetzt haben wir das sogar noch übertroffen. Max ist als roher Diamant zu uns gekommen, jetzt ist er sehr feingeschliffen. Er will nicht nur gewinnen, er will dominieren.“

Großes Lob von vielen Seiten

Dass er weite Strecken des Rennjahres mit sich selbst um die Wette fahren musste ist keinerlei Problem für den Titelverteidiger: „Ich brauche niemand anderes, um das Beste aus mir herauszuholen. Mir macht es einfach Spaß, mich zu motivieren.“ Zum Willen und zum Können gesellt sich nun noch die Erfahrung, zusammen ergibt das jene für die anderen unerträgliche Leichtigkeit des Seins.

Ziehvater Horner schreibt noch schnell ein Lob ins Zwischenzeugnis: „Die Entschlossenheit, mit der Max fährt, die Leidenschaft, das Herz, die Hingabe und natürlich die Fülle an Fähigkeiten, die er besitzt, machen ihn zum besten Fahrer, den ich je getroffen habe.

Er gehört zu den Allerbesten, die der Sport je gesehen hat.“ Max Verstappen hat noch einiges an Kopfkapazität frei, und diese entscheidet im Zusammenspiel mit einem herausragenden Rennwagen darüber, wie es jetzt weitergeht mit der rasenden Masterclass.

Die Erfolgsreise geht weiter

Im Interview mit dem einfachen Weltmeister Nico Rosberg in der Boxengasse fragt der Wiesbadener, wie er denn gedenke, solche Leistungen weiterhin aufrecht zu erhalten. Gelassen antwortet Max Verstappen: „Ganz einfach, in dem ich weiter Druck mache. Ich möchte immer noch mehr erreichen. Ich bin nicht in der Formel 1, um ein Vermächtnis zu hinterlassen. Aber ich bin hier, um zu gewinnen.“

Auf eine Anzahl möglicher Titel will er sich daher nicht festlegen lassen, sei Vertrag läuft noch bis 2028, theoretischer wären also acht – und damit der Rekord – drin. „Ich habe definitiv noch ein paar Jahre vor mir, um mein Bestes zu geben. Und ich hoffe, wir behalten unser Momentum“, sagt Max Verstappen. Er sieht dabei nicht so aus, als würde er den geringsten Zweifel hegen.