Die gründerzeitlichen Hausfassaden mit den Steingewänden um die Fenster und das Grün der Bäume machen die Buchnerstraße in Petershausen-Ost wahrscheinlich zu einer der schönsten in Konstanz. Vor einem dieser Häuser steht aktuell ein Gerüst. Denn das Zuhause von Ruth Scheideck wird gerade saniert.
Eigentlich wollte die 70-Jährige das Haus, in dem sie mit ihrem Mann bis zu seinem Tod gelebt hat, verkaufen. Zu teuer wäre es gewesen, das Gebäude altersgerecht umzubauen. Doch dank einer „ganz tollen Lösung“, wie Scheideck sagt, kann sie bald wieder in ihr Haus zurück. Aber nicht allein. Gemeinsam mit ihr werden Markus Binder, seine Frau und ihre beiden Kinder einziehen.
Denn statt das Haus zum bestmöglichen Marktpreis zu verkaufen, hat sie es an Familie Binder übergeben. Dafür bekommt Ruth Scheideck eine altersgerecht sanierte Wohnung in ihrem alten Haus, mit dem neuesten Energiestandard und lebenslanges Wohnrecht – kostenlos. Und einen Geldbetrag, der den Marktwert des Gebäudes abzüglich der Kosten für die Sanierung und das lebenslange Wohnrecht widerspiegelt.
Vor allem ältere Menschen besitzen Immobilien
„Ich kenne in meinem privaten Umfeld viele Menschen, die das gleiche Problem haben“, sagt Scheideck. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2021 sind deutsche Immobilienbesitzer im Durchschnitt 58 Jahre alt. Während die Eigenheimquote bei unter 34-Jährigen bei 10 Prozent liegt, besitzen 57 Prozent der 51- bis 65-Jährigen eine Immobilie. Hinzu kommt, dass die Quote junger Menschen, die sich Hauseigentum leisten können, immer weiter sinkt. Außerdem sagt das Statistische Bundesamt, dass 81 % der Haushalte mit Menschen ab 65 Jahren keinen stufenlosen Zugang zur eigenen Wohnung haben.
Das war auch bei Ruth Scheideck so. Im Moment ist das Haus in der Buchnerstraße noch eine Baustelle, doch nach der Eingangstür links sieht man bereits den Schacht für den Aufzug, der sie einmal in ihre Wohnung im zweiten Stock bringen wird. Der Aufzug ist aber nicht das einzige, was an dem Haus aus dem 19. Jahrhundert neu gemacht wird.
Schon bei der Planung wird auf Nachhaltigkeit geachtet
Das Gebäude wird rundum saniert. „Nachhaltigkeit fängt bei der Planung an“, sagt Bauherr Markus Binder. Statt wie bisher im Haus verteilt, liegen die Badezimmer jetzt alle auf einer Achse. Das spart Rohmaterialien und sorgt für effizienteren Wärmetransport.

Außerdem ist das ganze Haus möglichst flexibel gestaltet. „Braucht Ruth eine Pflegekraft, kann diese unterm Dach einziehen. Ziehen die Kinder aus, können wir das Erdgeschoss abtrennen und vermieten. Es sind quasi 4 separate Wohneinheiten und sogar im Keller könnte man noch Zimmer draus machen. Egal was die späteren Umstände bringen, das Haus kann daran angepasst werden“, erklärt Binder.
Rollladenkästen sind eine Heidenarbeit
Das Gebäude zählt energetisch zu den 25 schlechtesten Prozent in Konstanz. Da sei einiges zu machen, so Binder. Außenwände, Fenster, Dach. Alles wird neu und bestmöglich gedämmt. Das historische Bild des Hauses von außen zu erhalten, macht die Aufgabe nicht gerade einfacher.
„Wenn du durch die Konstanzer Straßen läufst, siehst du die wunderschönen Steingewände um die Fenster. Und darin diese hässlichen Blenden der Rollladenkästen“, meint Binder. „Sie wollen gar nicht wissen, was für eine Heidenarbeit das ist, die Rollladenkästen nach innen zu verlegen und so zu dämmen, dass dort nicht die Wärme abhaut.“

Die 60 Zentimeter dicken Steinmauern werden von innen gedämmt, damit die Fassade aus der Gründerzeit optisch erhalten bleibt. „Konventionelle Dämmstoffe wie Styropor wären von der Dämmqualität zwar besser, aber das Problem ist, dass an den kalten Wänden im Winter Wasser kondensiert und wir dann Schimmel bekommen könnten“, sagt der Bauherr. Gut, dass Binder selbst eine Baufirma hat und weiß, dass Calcium-Silikat Feuchtigkeit reguliert und so Schimmel vorbeugt. Geheizt wird später über eine Wärmepumpe, die ihren Strom von einer PV-Anlage auf dem Dach erhält.
Von alledem bekommt Ruth Scheideck nichts mit. Sie wohnt gerade in einer von Markus Binder bezahlten Übergangswohnung. „Ich freue mich darauf, bald wieder in mein Haus ziehen zu können, das dann auch noch klimaschonend ist“, sagt sie.
Nicht immer ist eine Komplettsanierung nötig
Dass es nicht gleich eine Rundumsanierung braucht, um das eigene Haus klimafreundlich zu bekommen, zeigt eine Selbstversorgergemeinschaft in Staad. Hier haben sich zwei Häuser mit fünf Wohneinheiten zusammengeschlossen, um Strom und Wärme selbst zu produzieren.

„Das ist gar nicht so schwierig, wie viele Leute immer glauben“, sagt Christoph Lukas. Er wohnt in er Selbstversorgergemeinschaft und hat das Projekt angestoßen. „Viele meinen, man müsse erst das ganze Gebäude sanieren, und den Energiebedarf auf ein Minimum senken, bevor man Wärmepumpe und PV-Anlage installiert“, sagt Lukas. Es reiche allerdings schon, erstmal die größten Löcher zu stopfen. „Wir haben als Erstes die Fenster getauscht. Da war für uns am meisten zu holen.“ Aber das müsse für jedes Haus eigens betrachtet werden.

Außerdem sei die landläufige Meinung, dass eine Wärmepumpe nur in Verbindung mit einer Fußbodenheizung etwas bringe, weil die Betriebstemperatur zu niedrig sei. „Das ist Quatsch“, sagt Lukas. „Wir haben nirgendwo Fußbodenheizung und teilweise sogar noch alte Heizkörper. Uns ist trotzdem nicht kalt im Winter.“

Gemeinsam mit der PV-Anlage auf dem Dach rechnet sich die Wärmepumpe in gut zehn Jahren, glaubt Lukas. „Wir haben im ersten Jahr fast 3000 Euro gegenüber der alten Öl-Heizung gespart. Die Wärmepumpe hat rund 35.000 Euro gekostet.“ Durch das Zusammenspiel aus PV-Anlage und Wärmepumpe ist die Selbstversorgergemeinschaft von April bis September energieautark. Im Winter brauche man noch gut zwei Drittel Netzstrom, so Lukas.