Der Hitzesommer 2018 trieb nicht nur den 230 000 Freiburgern die Schweißperlen auf die Stirn. Auch beim wichtigsten Wasserversorger der Stadt, dem Badenova-Konzern, kam man ganz schön ins Schwitzen. Von den zwei Quellgebieten, aus denen die Uni-Stadt ihren Frischwasserbedarf sicherstellt, ging einem die Puste aus.

Kommunalmanager und Wasserfachmann: Johann-Martin Rogg vom Freiburger Versorger Badenova
Kommunalmanager und Wasserfachmann: Johann-Martin Rogg vom Freiburger Versorger Badenova | Bild: Badenova

„Einzelne Brunnen und Sammelbecken im besonders betroffenen Dreisamtal fielen damals trocken“, sagt Johann-Martin Rogg, Wasserexperte und Leiter des Kommunalmanagements bei Badenova. Nur mit Notmaßnahmen konnte die Versorgung sichergestellt werden. Wasser aus einem knapp 30 Kilometer entfernten zweiten Wasserwerk wurde umgelenkt. Die Versorgung von Baden-Württembergs viertgrößter Stadt blieb stabil.

Inzwischen überall zu finden im Bodensee: die Quagga-Muschel. Den Wasserbetrieben macht sie Probleme.
Inzwischen überall zu finden im Bodensee: die Quagga-Muschel. Den Wasserbetrieben macht sie Probleme. | Bild: Hydra-Institut Konstanz

Auch wenn Wasser-Manager Rogg von einer „Sondersituation“ spricht, fallen in den immer häufiger auftretenden Spitzensommern längst nicht mehr nur kleine private Brunnen in entlegenen Weilern und Gehöften trocken. Auch größere Städte und Kommunen bekommen zusehends Probleme. 

Grundwasserneubildung sinkt im ganzen Land

In den heißen Monaten des Jahres 2018 fiel in Baden-Württemberg laut Deutschem Wetterdienst (DWD) mit rund 160 Liter pro Quadratmeter gerade einmal die Hälfte der üblichen Regenmengen. 2019 sah es nur wenig besser aus. Gebiete wie die Schwäbische Alb, der mittlere Neckarraum oder Hohenlohe litten unter Wassermangel. Im Süden Baden-Württembergs seien insbesondere der Schwarzwald, der Landkreis Ravensburg und der Bodenseekreis betroffen gewesen, heißt es in einer kleinen Anfrage mehrerer Grünen-Abgeordneter an das Stuttgarter Umweltministerium aus dem Jahr 2019.

Brunnen versiegen in manchen Landesteilen

In höheren Lagen versiegen in diesen Gebieten im Sommer beinahe schon regelmäßig einzelne Quellen, oder Brunnen fallen trocken. Dass sich das Problem entspannt, scheint unwahrscheinlich. Klimaforscher des DWD und mehrerer Bundesländer gehen mittlerweile davon aus, dass die Grundwasserneubildung im Land bis 2050 um 20 Prozent sinken wird. Kein Zweifel: Das System Wasser ist auch im regenreichen Süden Deutschlands im Hitzestress.

Touristen gehen 2003 auf der eingetrockneten Fläche des Bodensees bei der Insel Reichenau. Im Hintergrund ist der See zu sehen. Solche ...
Touristen gehen 2003 auf der eingetrockneten Fläche des Bodensees bei der Insel Reichenau. Im Hintergrund ist der See zu sehen. Solche Extremwetterereignisse werden zunehmen. | Bild: dpa

Mittlerweile ist auch die baden-württembergische Landesregierung alarmiert. Jahrzehntelang folgte das Land beim Thema Wasser der Maxime, die Eigenversorgung der Kommunen durch eigene Brunnen zu stärken. Unter dem Eindruck der Hitzesommer rückt die Politik nun davon ab. Seit Frühjahr 2019 arbeiten die Wasserwirtschaft und mehrere Ministerien an einem „Masterplan Wasserversorgung“. Dieser soll sicherstellen, dass alle Einwohner auch in 30 Jahren noch Zugang zu Frischwasser haben. Die Untersuchungen stehen noch am Anfang, klar ist aber schon jetzt: Ohne tief greifende Veränderungen in die teils über ein Jahrhundert alte Infrastruktur wird es nicht gehen.

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Badenova-Experte Rogg spricht von einem „Zwang zur Vernetzung der einzelnen Wassersysteme, um sie krisensicher zu machen“. Die teils unverbundenen lokalen, regionalen sowie überregionalen Leitungen, Speicher und Sammelbecken müssten zusammengekoppelt werden, um das Nass besser dahin pumpen zu können, wo es gerade fehlt. Im Schwarzwald sei dieser Trend schon voll im Gange. In den vergangenen Jahren hätten sich rund 30 einstmals eigenständige kommunale Wasserversorger ans Netz des südbadischen Versorgungsriesen angedockt. Ein Trend, der laut Rogg auch andernorten erkennbar sei.

Niedriger Pegelstand nahe Friedrichshafen 2018.
Niedriger Pegelstand nahe Friedrichshafen 2018. | Bild: dpa

Das Ziel der Kommunen ist immer das gleiche: Um ihre Bürger zuverlässig zu versorgen, suchen sie den Anschluss an besonders leistungsfähige Wasserquellen. Bei Deutschlands größtem Fernwasserversorger, der in Sipplingen ansässigen Bodensee-Wasserversorgung (BWV), stehen die Gemeinden mittlerweile Schlange. Zum Jahresende 2019 verzeichne man mehr als 30 Anfragen auf eine Erhöhung von Liefermengen oder auf eine Neuaufnahme in den Verband, sagt eine BWV-Sprecherin. Der 183 Mitglieder starke Zweckverband beliefert seit Mitte der 1950er-Jahre Städte und Gemeinden in ganz Baden-Württemberg mit Trinkwasser, darunter auch die Großräume Stuttgart, Heilbronn und Rhein-Neckar-Odenwald.

Ist der Bodensee am Limit?

Und auch beim zweiten großen Fernwasserunternehmen Baden-Württembergs, der in Stuttgart ansässigen Landeswasserversorgung (LV), schließt man eine ähnliche Entwicklung wie beim Wasserriesen BWV „nicht aus“. Anfragen auf Beitritt zum Wasserverbund gebe es aktuell zwar noch nicht, sagt ein LV-Sprecher. Klar sei aber, dass viele Gemeinden alternative Lieferwege für ihr Wasser erwögen.

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Dass es sich beim Run auf das Bodenseewasser um ein kurzfristiges Phänomen handelt, ist unwahrscheinlich. In ihren Prognosen für das Jahr 2050 geht die BWV jedenfalls von „weiteren Mengenverlagerungen vom südlichen in den nördlichen Netzteil“ aus, wie es im aktuellen Geschäftsbericht des Zweckverbands heißt. Anders ausgedrückt, müssen die Transportleitungen künftig immer mehr Wasser vom Sipplinger Pumpwerk gen Norden schicken, weil in den Ballungsräumen dort der Durst steigt. Mit der derzeitigen Infrastruktur ist das unmöglich. Insbesondere um Stuttgart und Heilbronn herum sind nach derzeitigen Planungen des Versorgers erhebliche Investitionen in größere Leitungen nötig. Just in jenen Regionen liegen auch die Gemeinden, die derzeit bei dem Sipplinger Wasserriesen anklopfen.

Anlagen laufen auf Hochtouren

Die steigende Nachfrage trifft auf technische Anlagen, die heute schon auf vollen Touren laufen. An einzelnen Tagen im Hochsommer werden laut BWV mehr als 80 Prozent der Transportkapazitäten genutzt. Bei der Landeswasserversorgung sei die Infrastruktur in Spitzenzeiten sogar über 90 Prozent ausgelastet, heißt es. Die Kapazitätsgrenzen sind also in Sicht.

In Überlingen am Bodensee wird Bodenseewasser in einer Anlage der Bodensee-Wasserversorgung gefiltert. Millioneninvestitionen stehen an. ...
In Überlingen am Bodensee wird Bodenseewasser in einer Anlage der Bodensee-Wasserversorgung gefiltert. Millioneninvestitionen stehen an. Bild: Hilser | Bild: Felix Kästle

Und der Bodensee? Verkraftet das Ökosystem die steigenden Wasserentnahmen überhaupt? Experten geben Entwarnung. Im Durchschnitt entnehme man dem See ein Prozent dessen, was die diversen Zuflüsse täglich in den See hineinspülen, heißt es von der BWV. Durch die Sonneneinstrahlung verdunstet täglich glatt die doppelte Menge an Wasser. Durch internationale Verträge mit Österreich und der Schweiz sind die Wasserentnahmen überdies peinlich genau geregelt.

Noch keine Probleme für den Bodensee

Experten gehen zudem davon aus, dass das Wasserangebot der Bodenseezuflüsse trotz des Klimawandels in den kommenden Jahrzehnten konstant bleibt. Zwar sinkt die Bedeutung von Gletschern und Schneeschmelze, die Niederschläge im Alpenraum – und damit auch die durchschnittliche Wassermenge im Rhein – bleiben aber konstant. Bei der BWV heißt es, das Wasserangebot des Bodensees könne den Wasserbedarf „stets decken“.

Pipelines und Stollen

  • Das Wasser-System: Die Wasserversorgung in Deutschland funktioniert nach einem mehrschichtigen System. Die kleinsten Einheiten bilden private Brunnen. In der Wasser-Hierarchie ganz oben stehen die Fernwasserversorger. Das bundesweit größte Unternehmen ist der Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung (BWV). Seit 1954 pumpt die BWV Wasser nach Norden. Heute reichen die Leitungen vom Sipplinger Pumpwerk bis nach Bad Mergentheim. Vier Millionen Menschen werden so täglich versorgt. Von Stuttgart aus versorgt die Landeswasserversorgung, der zweitgrößte Fernversorger, etwa drei Millionen Menschen mit Wasser aus Donau und Donauried bei Ulm.
  • Die Investitionen: Um die Leitungen, Stollen und Druckbehälter zukunftsfähig zu machen, stehen Millioneninvestitionen an. Allein die BWV geht für die kommenden 15 Jahre von mindestens 363 Millionen Euro aus. Es könnte auch deutlich mehr werden. Daher werden die Wasserpreise vielerorten ansteigen. (wro)