Herr Dudenhöffer, Deutschlands zweitgrößter Autozulieferer ZF ist in der Krise. In den kommenden Jahren soll jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland wegfallen. Was ist das Problem?
ZF Friedrichshafen ist ein Unternehmen, das technologisch immer noch punktet. Es hat aber deutlich zu wenig Eigenkapital. Es fehlt an Mitteln, um die Zukunft zu finanzieren und ausreichend in neue Technologien zu investieren. Es ist immer das gleiche: Wenn Unternehmen auf Kante finanziert sind, können sie in Schwierigkeiten kommen, auch wenn sie eigentlich gut aufgestellt sind.
ZF drücken elf Milliarden Euro Schulden aus Zukäufen. Das Management will nun Teile des Unternehmens verkaufen und durch einen harschen Sparkurs, etwa beim Personal, genug Geld hereinbringen, um die Kredite zu bedienen. Wird das reichen?
Die Verschuldung ist ein großes Problem für ZF. Allein die Zinslast beträgt pro Jahr um die 300 Millionen Euro. Hinzu kommt ein schlechteres Rating an den Finanzmärkten. Daher versucht ZF seit Monaten, sein Tafelsilber zu verkaufen und stellt ganze Sparten zur Disposition. Das Schlamassel resultiert aus einer schlechten Finanzierung der strategisch richtigen Milliarden-Zukäufe von TRW und Wabco in den vergangenen Jahren.
Was schlagen Sie vor?
Die Eigentümer von ZF sind jetzt in der Pflicht, dem Unternehmen neue Finanzierungsmöglichkeiten zu verschaffen.

Was heißt das konkret?
ZF sollte an die Börse.
Vor rund einem Jahrzehnt gab es so einen Vorstoß schon einmal. Damals war es der damalige Aufsichtsratschef Giorgio Behr, der entsprechende Pläne zusammen mit dem damaligen Konzernchef Stefan Sommer vorantrieb. Sie scheiterten am Veto des starken Manns im ZF-Aufsichtsrat, dem Friedrichshafener OB Andreas Brand. Was macht sie zuversichtlich, dass er dieses Mal zustimmen könnte?
Ich sehe keine andere Möglichkeit dem Unternehmen die nötigen finanziellen Mittel zu verschaffen. Man kann einen Börsengang ja so organisieren, dass die bisherigen Eigner, also die Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen und die Ulderup-Stiftung, weiter bestimmend bleiben und nicht Fonds oder Investoren das Steuer übernehmen.
Wie soll das gehen?
Im Grunde steht der Volkswagen-Konzern Pate. Auch Ferry Porsche stand Ende der 1970er Jahre vor der Frage, wie er Porsche zukunftsfähig machen kann. Er wählte zusammen mit dem damaligen Chef der Landesgirokasse Stuttgart, Walther Zügel, den Börsengang. Porsche wurde zu einem aktiennotierten Unternehmen. Das entscheidende ist, dass die Stimmrechte bei der Familie Porsche verblieben.
Das wurde dadurch erreicht, dass die ausgegebenen stimmberechtigten Stammaktien ausschließlich von der Familie gezeichnet wurden. Investoren konnten nur stimmrechtslose Vorzugsaktien erwerben und wurden im Gegenzug mit einer höheren Dividende belohnt. Diese Konstruktion findet sich noch heute im VW-Konzern. In dessen Holding, der Porsche SE, haben die Familien Porsche und Piëch ihre Stimmrechte gebündelt. Sie haben damit weiter wichtigen Einfluss bei Volkswagen.
Sie sagen also, so ließe sich auch für ZF der Einfluss der Stiftungen zementieren und gleichzeitig viel Geld generieren?
Ja, ZF könnte so sein Eigenkapital wahrscheinlich auf einen Schlag verdoppeln und die Stiftungen blieben am Steuer.
Die ZF-Eigner müssten ihre Dividenden dann aber mit anderen Aktionären teilen. Den Friedrichshafener Schwimmbäder und Kindergärten würde dann Geld von ZF fehlen…
Das würde ich nicht sagen, denn mit dem Geld, das durch den Börsengang hereinkommt, kann man natürlich die Kreditverbindlichkeiten viel schneller als bisher zurückführen. Dadurch würde ZF viel schneller von den 300 Millionen Euro Kreditzinsen herunterkommen. Außerdem wäre Geld da, in neue Geschäftsfelder zu investieren. Das geht im Moment ja alles nicht mehr.
Wie ist das Umfeld für Börsengänge?
Das Klima am Aktienmarkt ist positiv, auch weil die Zinsen wohl nicht weiter steigen werden. Wir haben also gänzlich andere Voraussetzungen als 2023. Wichtig ist aber, dass so ein Börsengang nicht über den Zaun gebrochen, sondern strategisch geplant wird.
Ich sehe diesbezüglich große Versäumnisse bei den ZF-Eignern, insbesondere bei der federführenden Zeppelin-Stiftung. Die aktuelle Situation ist ja nicht vom Himmel gefallen. Man hätte sich fünf Jahre lang auf so ein Szenario vorbereiten können. Und ich sehe nicht, dass das geschehen ist.
Wer sollte denn die Aktien eines Autozulieferers ZF zeichnen? Immerhin steckt die ganze Branche in einer tiefen Krise…
Technologisch ist ZF gut aufgestellt, auch im Vergleich zu andren Konkurrenten wie Bosch oder Conti. Durch den Kauf von TRW hat es viel Elektronikkompetenz hinzugewonnen. Durch Wabco ist es zum Systemdienstleister für Nutzfahrzeuge geworden. Und im wichtigen chinesischen Markt ist es durch die enge Zusammenarbeit mit heimischen Herstellern tief verwurzelt. ZF ist ein spannendes Unternehmen, das nur kein Geld hat, sich zu entwickeln. Ich bin zuversichtlich, dass ein Börsengang klappen würde.

Wie viel Zeit bleibt ZF?
Jeder Tag ist wichtig. Je früher man anfängt Eigenkapital aufzubauen, desto besser ist die Zukunft für ZF. Arbeitsplätze abbauen und Tafelsilber zu verscherbeln, ist nicht die Zukunft.
Welche Auswirkungen hätte ein Börsengang für die Mitarbeiter?
Ich bin der Überzeugung, dass ein frühzeitig eingeleiteter Börsengang eine Vielzahl der jetzt wegfallenden Arbeitsplätze gerettet hätte. Dass jetzt wahrscheinlich 12.000 Stellen gestrichen werden, geht auch aufs Konto der ZF-Eigner, die lange nicht auf die sich abzeichnende Krise reagiert haben.
Betriebsrat und IG Metall sehen Börsengänge traditionell skeptisch. Müssten sie nicht eingebunden werden?
Formal ist das nicht der Fall, aber es macht sehr viel Sinn, mit den Mitarbeitern über solche Themen zu sprechen. Man sollte nicht vorgehen wie die Bundesregierung, die den Bauern am Morgen sagt, was am Abend getan werden muss.
Ich sehe aber auch IG Metall und Betriebsrat in der Pflicht, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und sich nicht zu verstecken. Stand heute ist die Zukunft von ZF risikobeladen. Mit einem Börsengang hat das Unternehmen eine neue Basis, neue Perspektiven tun sich auf. ZF wird durch die Börse zukunftssicher.