In den letzten Monaten war es ruhig geworden um Stefan Sommer, den einst mächtigsten Firmenlenker in der Bodenseeregion. Der ehemalige Vorstands-Chef des Friedrichshafener Automobilzulieferers ZF mit seinen knapp 140 000 Mitarbeitern schien viel zu tun zu haben.

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Nach seinem Abgang im Streit bei dem Stiftungsunternehmen dauerte es Ende 2017 nicht lange und der Sportwagen-begeisterte Mittfünfziger hatte wieder einen Job. Beim weltgrößten Autobauer Volkswagen suchte man einen Nachfolger für Beschaffungsvorstand Francesco Javier Garcia Sanz. Der durchsetzungsstarke Sommer war da der richtige Mann. Zumal Teil seines Jobs auch war, die 80 0000 Mitarbeiter zählende Zulieferersparte von Volkswagen umzubauen und auf die Anforderungen der E-Mobliltät zu polen.

Sommer-Wechsel zu VW: Wichtiges Wissen für den Konzern

Dass er als ehemaliger Chef eines weltweit führenden Automobilzulieferers ganz genau wusste, an welcher Schraube man beim Kostengeschacher mit den Lieferanten drehen konnte und wo es besser war, die Beine still zu halten, mag ein weiterer Grund für seine Verpflichtung gewesen sein. Seinem Vorgänger Sanz kam diese Fähigkeit nämlich gänzlich ab. Als Chefeinkäufer hatte der gebürtige Spanier über fast zwei Jahrzehnte zwar die Beschaffungskosten gering gehalten, gleichzeitig aber auch den Ruf von Volkswagen als Partner seiner Zulieferfirmen ruiniert. Sommer sollte die Wogen glätten.

ZF-Mitarbeiter in der Montage von Nutzfahrzeuggetrieben am Standort Friedrichshafen: Derzeit ist der Großteil der Belegschaft in Kurzarbeit.
ZF-Mitarbeiter in der Montage von Nutzfahrzeuggetrieben am Standort Friedrichshafen: Derzeit ist der Großteil der Belegschaft in Kurzarbeit. | Bild: Felix Kästle, dpa

Damit ist es jetzt vorbei. Vor wenigen Tagen kündigte der Wolfsburger Konzern an, dass Sommer das Unternehmen „auf eigenen Wunsch im besten gegenseitigen Einvernehmen“ zum Ende des Monats verlasse. Die Nachricht ging fast unter, weil zeitgleich ein Posten eine Etage höher bei Volkswagen wackelte. Konzernchef Herbert Diess stand Medienberichten zufolge nach internen Querelen kurz vor dem Rauswurf. Zudem ergoss sich nach der Veröffentlichung eines als rassistisch empfundenen Werbevideos ein Shitstrom über das Unternehmen.

Der VW-Chef wackelte, Sommer ging

Das Tollhaus, das Volkswagen Anfang Juni abgab, dürfte Sommer nicht unrecht gekommen sein. Denn die große Öffentlichkeit hat der Manager nie gesucht. Er postete keine Fotos von Segeltörns wie Ex-Opel-Chef Karl-Thomas Neumann, er zeigte sich nicht werbewirksam in Turnschuhen und ohne Krawatte wie Ex-Daimler-Boss Dieter Zetsche. Selbst das für ZF-Chefs obligatorische Stelldichein auf dem Friedrichshafener Seehasenfest geriet für ihn zur Pflichtveranstaltung.

Eigenbrötler und „automobilstrategisches Genie“

Lieber nutzte das „automobilstrategische Genie“, wie er einmal beschrieben wurde, die Zeit seinen nächsten Coup auszuhecken. Im Nachhinein haben Beobachter diesen eigenbrötlerischen Charakterzug für sein Scheitern bei ZF verantwortlich gemacht. Dieses wurde bekanntlich dadurch ausgelöst, dass Sommer zu einem Zeitpunkt, als der Konzern die Milliarden-Übernahme des US-Konkurrenten TRW noch nicht verdaut hatte, mit dem Kauf des Nutzfahrzeugspezialisten Wabco gleich einen weiteren milliardenschweren Deal stemmen wollte. In der Branche bestreitet zwar niemand die strategische Logik des Schachzugs. Das Übernahme-Stakkato ging dem kommunalen Eigner von ZF und auch den Gewerkschaften aber zu schnell. In einem Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“ forderte Sommer damals entnervt „die Freiheit zu tun, was nötig ist“. Im Aufsichtsrat sah man das anders. Sommer warf hin und kam einem Rauswurf zuvor.

Bild 2: Der rastlose Manager: Was macht eigentlich Ex-ZF-Chef Stefan Sommer
Bild: Wex, Georg

Auch sein Rückzug bei VW hat wohl weniger mit seinen Leistungen als mit atmosphärischen Störungen zu tun. Beim Umbau der VW-Zulieferersparte eckte der promovierte Maschinenbauer dem Vernehmen nach mit den Gewerkschaften an. Der radikale Umbau von Volkswagen zum Anbieter von E-Autos soll ihm zu schnell gegangen sein. Klar ist: Auch bei Volkswagen konnte Sommer nicht frei schalten und walten. Einen neuen Vertrag hätte Sommer bei Volkswagen dem Vernehmen nach nicht mehr bekommen, lautet eine Lesart der Ereignisse. Dem sei er mit seinem Rückzug zuvorgekommen. Eine andere Deutung besagt, er habe schlicht „keine Lust mehr auf das System Volkswagen“ gehabt.

Sommer verzichtet nach Abgang auf Bezüge

Jedenfalls garnierte er seinen Abgang mit einem starken Signal. Nach einem Bericht des „Business Insider“ will er nach seinem Rückzug auf ihm zustehende Bezüge seines bis Herbst 2021 laufenden Vertrages verzichten. Im Moment soll er sich oft in seinem Haus am Bodensee aufhalten. Lange ohne Job wird er wahrscheinlich nicht bleiben.