Die Nervosität ist groß, die Lage unübersichtlich: „Niemand kann derzeit genau sagen, wie es um die Versorgung mit Magnesium wirklich bestellt ist“, erklärt die Sprecherin des Wirtschaftsverbandes Metalle. Klar ist nur: Es ist knapp. Der silbrig glänzende Rohstoff ist ein wichtiger Bestandteil für Legierungen mit einem anderen Metall, das wir nicht mehr aus unserem Alltag wegdenken können: Aluminium.

Vor allem die Autoindustrie verbraucht davon große Mengen. „Magnesium und Aluminium sind wichtige Rohstoffe. Wir setzen die Materialien unter anderem bei Motorenteilen und in Thermomanagement-Systemen ein“, erklärt der Zulieferer Mahle in Stuttgart. Bisher sei es noch nicht zu einer Störung der Produktion gekommen, so der Konzern, der in seinem Werk in Rottweil Kolben für Benzin- und Dieselmotoren herstellt.

ZF Friedrichshafen: Magnesium spielt eine wichtige Rolle für unser Produktportfolio

„Magnesium, das um etwa ein Drittel leichter ist als Aluminium, spielt eine wichtige Rolle für unser Produktportfolio“, heißt es bei ZF in Friedrichshafen. Der Autozulieferer setzt Legierungen der beiden Metalle hauptsächlich in Getriebegehäusen und Lenkrädern ein. „Also vor allem dort, wo die Gewichtsersparnis der Bauteile im Vordergrund steht.“

Weil immer mehr E-Autos gebaut werden und der Bedarf an Leichtbau-Materialien wächst, werden Alu-Magnesium-Legierungen ZF zufolge immer wichtiger. Die europäische Alu-Industrie registriert bereits seit dem Sommer einen Rückgang der Magnesium-Lieferungen aus China um mehr als 25 Prozent. Im Oktober teilte dann die Provinz Shanxi mit, dass mindestens 35 von insgesamt 50 Fabriken die Produktion eingestellt hätten. Der Rest habe die Fertigung deutlich verringert. Aus Shanxi kommen gut 60 Prozent der Weltproduktion von Magnesium.

Das Logo des ZF-Konzerns prangt auf einem Gehäuse. Magnesium wird für ähnliche Bauteile oft verwendet.
Das Logo des ZF-Konzerns prangt auf einem Gehäuse. Magnesium wird für ähnliche Bauteile oft verwendet. | Bild: Felix Kästle, dpa

Der Grund für die Drosselung: Die Chinesen nutzten vor allem Kohlestrom, womit sie aber viel CO2 in die Luft blasen. Die Regierung in Peking hatte offiziell darauf bestanden, dass die Emissionsgrenzen eingehalten werden. Kohlekraftwerke senkten also die Produktion, in der Folge musste der Stromverbrauch sinken. Marktbeobachter sehen aber auch einen Zusammenhang mit dem Importstopp für australische Kohle, wodurch die Regierung in Canberra für Kritik an China bestraft wird.

Und so fehlt Strom, weshalb auch in anderen wichtigen Magnesium-Regionen Chinas die Produktion drastisch heruntergefahren wurde. Das trifft vor allem den Export, denn: „Was noch gefertigt wird, fließt erst einmal in die chinesische Wirtschaft“, stellte jüngst Keith Harvey, Chef des US-Aluminium-Konzerns Kaiser, fest.

Constellium, früher Alu-Singen, ist eine der führenden Aluminiumschmelzen und -verarbeiter in Deutschland. Auch Magnesium wird hier ...
Constellium, früher Alu-Singen, ist eine der führenden Aluminiumschmelzen und -verarbeiter in Deutschland. Auch Magnesium wird hier verarbeitet. | Bild: HUBERT RAGUET

Weil die Chinesen weniger herstellen, sind die Preise für Magnesium und somit für Aluminium-Legierungen geradezu explodiert. Die Tonne Magnesium kostete zeitweise 14.000 Dollar. Anfang des Jahres waren es noch 2000 Dollar.

Auch Mahle leidet unter hohen Einkaufspreisen

„Gegenwärtig verzeichnen wir aufgrund der Materialknappheit deutlich höhere Einkaufspreise“, bestätigt Mahle. „Unsere Gusslieferanten sind auf der Suche nach alternativen Bezugsquellen aus anderen Produktionsländern. Wegen des hohen chinesischen Marktanteils von über 85 Prozent ist die Flexibilität, die Mindermengen aus dem chinesischen Markt komplett zu kompensieren, jedoch eingeschränkt“, heißt es bei ZF.

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„Wir gehen davon aus, dass wir unsere Liefervereinbarungen in diesem Quartal einhalten können. Und wir sind auch für die ersten Monate 2022 gut gerüstet“, beruhigt der Alu-Konzern Constellium, der aus seinem Werk in Singen vor allem die Autoindustrie versorgt. Man werde auch höhere Preise in Kauf nehmen, um die Kunden beliefern zu können.

Constellium will Magnesium-Bezugsquellen auffächern

Zwar will sich auch Constellium nach weiteren Lieferanten außerhalb Chinas umsehen, doch dieses Ansinnen wird schwierig, eben weil es nur eine übersichtliche Menge an Lieferanten gibt. Auch der Aufbau von großen Lagerbeständen ist nicht möglich, denn Magnesium ist in Reinform nur wenige Monate verwendbar, dann beginnt ein Oxidationsprozess, wodurch der Rohstoff nicht mehr zu gebrauchen ist.

Im Hintergrund baut die Industrie deshalb politischen Druck in Brüssel auf. Der Eingriff der chinesischen Regierung habe eine Krise unbekannten Ausmaßes verursacht, heißt es in einer Erklärung verschiedener europäischer Industrieverbände. Sie verweisen darauf, dass „in der EU viele Millionen von Arbeitsplätzen in all jenen Branchen in Gefahr sind, die Magnesium verarbeiten“. Offenbar hat man in Brüssel reagiert und mit Peking Kontakt aufgenommen. Angeblich sollen die Magnesium-Produzenten jetzt wieder mehr liefern. „Doch bestätigen kann das letztlich niemand“, bremst man beim Metallverband.

Roboter im Volkswagen-Werk in Zwickau montieren einen Audi Q4 e-tron. In der Autobranche kommt viel Magnesium zum Einsatz.
Roboter im Volkswagen-Werk in Zwickau montieren einen Audi Q4 e-tron. In der Autobranche kommt viel Magnesium zum Einsatz. | Bild: Hendrik Schmidt, dpa

Kommt auch die Kobalt-Knappheit?

Zudem wird es Wochen dauern, bis die Ware in Europa ankommt, so man in der allgemein angespannten logistischen Lage überhaupt Schiffskapazitäten findet. „Wir sind noch lange nicht über dem Berg“, bestätigt auch der Gesamtverband der deutschen Aluminiumindustrie.

Daimler baut Recycling-Fabrik

Dem Daimler-Konzern sind die Lieferengpässe an der Rohstofffront offenbar nicht mehr geheuer. Denn neben Magnesium mehren sich die Spekulationen, dass auch Kobalt, das für die Batteriefertigung benötigt wird, demnächst knapp werden könnte. Die Stuttgarter wollen deshalb eine eigene Einheit errichten, um sich so wertvolle Rohmaterialien zu sichern. „Wir werden auch selbst eine Recyclingfabrik bauen, damit wir diese Technologie beherrschen und auch können“, bestätigte Konzernchef Ola Källenius, ohne aber ins Detail zu gehen.