Nachdem wütende Bauern Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Anfang Januar am Verlassen einer Fähre gehindert haben, ist am Aschermittwoch in Biberach wieder ein Bauernprotest eskaliert.
Und auch wenn die beiden Vorfälle unterschiedlich zu bewerten sind – die Reaktionen von denjenigen, die das Anliegen der Bauern eigentlich unterstützen, ähneln einander.
Man distanziert sich von den Vorkommnissen und verweist darauf, dass das eine kleine, radikale Minderheit sei, die versucht, die Proteste zu unterwandern.
Was in Biberach passiert ist, habe nichts mit dem Kreisbauernverband Biberach zu tun, sagt dessen Vorsitzender Klaus Endriß. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Andreas Jung bezeichnete diejenigen, die für die Absage des Protests in Biberach sorgten, als „Trittbrettfahrer, die dem Anliegen der Bauern einen Bärendienst erweisen.“
Ermittlungen gegen Reichsbürger
Doch wer sind diese radikalen Trittbrettfahrer, die Bauernproteste kapern?
Der Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) berichtete im Innenausschuss davon, dass die Teilnahme von Reichbürgern Gegenstand der Ermittlungen sei. Sylvie Delmotte vom Landesverfassungsschutz sprach in derselben Sitzung von einzelnen Personen, die dem Verfassungsschutz bekannt seien, diese hätten aber keine tragende Rolle gespielt.

Grundsätzlich bestehe bei extremistischen Akteuren ein anhaltendes Interesse daran, tagespolitische Themen für sich zu vereinnahmen, so ein Sprecher des Landesverfassungsschutzes, das sei auch bei den Bauernprotesten der Fall. Das ZDF fand im Netz zahlreiche Hinweise, dass die Querdenker-Szene genau über den Tag und die Aktion Bescheid wusste.
Whatsapp-Gruppe statt Telegram-Chat
Was sagen diejenigen dazu, die selbst vor Ort waren? Wie Dominik Sonntag und Robert Rascher aus Heiligenberg. Sonntag ist Landwirt, Rascher ist Geschäftsführer eines Logistikunternehmens mit vielen Verbindungen in die Landwirtschaft.
Mobilisiert wurden sie nicht etwa durch einen Querdenker-Telegram-Kanal. In einer gemeinsamen Whatsapp-Gruppe hätten sie sich mit anderen für den Protest organisiert, berichten sie.
Dabei sei es immer um die angemeldete Demo auf dem Gigelberg gegangen, unweit der Stadthalle Biberach. Das geht auch aus der entsprechenden Whatsapp-Nachricht hervor, hier ist nichts von einem möglichen Aufruf zu gewaltsamen Protesten zu lesen.
Sonntag betont: „Die Info über eine geplante Demonstration kommt aus mehreren Whatsapp-Gruppen, die sich im Laufe der Proteste entwickelt haben. Die Proteste, zu denen in diesen Gruppen aufgerufen wurde, waren teilweise auch vom Bauernverband organisiert und sind immer friedlich abgelaufen.“
Bis es zur Eskalation der Proteste in Biberach kam – oder?
Kein Stein, ein Zollstock zerschlug die Scheibe
Für Dominik Sonntag und Robert Rascher stellt sich die Sache nicht so klar dar, wie berichtet wurde. Da war von geworfenen Steinen und verletzten Polizisten die Rede. Beides stellen sie infrage.
Tatsächlich sagt auch die Polizei inzwischen etwas anderes in Bezug auf den Stein, der die Scheibe des Begleitfahrzeugs von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir durchschlagen haben soll: Wie der Innenminister in erwähnter Sitzung schilderte, traf offenbar ein geworfener Zollstock in einem solchen Winkel auf, dass er die Scheibe zerschlug.
Strobl berichtete allerdings auch von acht verletzten Polizisten, zwei Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz, einer Ermittlung wegen schwerem Landfriedensbruch und dreien wegen Sachbeschädigung.
„Dann hat die Polizei angefangen, zu schubsen“
Sonntag und Rascher haben die Szene deutlich harmloser wahrgenommen. Es sei zwar eine große Ansammlung von Menschen rund um die Stadthalle gewesen, aber alle hätten sich ruhig verhalten.
Besonders in einer Seitenstraße sei der Andrang groß gewesen, weil vermutet wurde, dass dort die Gäste die Halle betreten. Zum Tränengaseinsatz sei es dann gekommen, als die Autos versucht hätten, wieder wegzufahren.

„Die Polizei hat versucht, die Menge zurückzudrängen, das hat aber nicht funktioniert, weil die in den vordersten Reihen selber keinen Platz hatten, um zurückzugehen“, sagt Sonntag. Und Rascher, der selbst relativ weit vorne stand, berichtet weiter:
„Dann hat die Polizei angefangen, zu schubsen, natürlich wird dann auch versucht, sich zu wehren und manche schubsen zurück. Trotzdem war es weitestgehend friedlich, erst als die Polizei Pfefferspray eingesetzt hat, kam es zu einem kleinen Tumult.“
Die Videos, welche die beiden Freunde gemacht haben, vermitteln ein ähnliches Bild, die Situation scheint ruhig und unter Kontrolle zu sein, bis die Polizei Pfefferspray einsetzt. Einen Vorwurf wollen sie der Polizei aber nicht machen: „Die machen nur ihren Job und das war sicherlich eine extreme Stresssituation.“

Die Diskussion um den Protest geht an den beiden nicht einfach so vorbei. „Das macht was mit einem, wenn du eigentlich nur friedlich protestieren wolltest, dann aber auf der Heimfahrt im Radio hörst, wie du abgestempelt und in die rechte Ecke gestellt wirst“, gibt Robert Rascher zu bedenken.
Sonntag und Rascher sind sich einig, dass sie lieber ihrer Arbeit nachgehen würden, als für eine Demonstration einen Arbeitstag zu opfern – aber die Beschlüsse der Bundesregierung würden ihnen keine Wahl lassen.
„Es ist schon absurd, dass wir mittlerweile darum kämpfen müssen, dass wir unserer 70-Stunden-Woche noch gewinnbringend nachgehen dürfen“, sagt Dominik Sonntag.
Dialog oder weiterdemonstrieren?
Wie soll es also weitergehen? Sonntag hofft, dass die Protestaktionen geholfen haben, die Regierung zum Nachdenken zu bringen. Deswegen hat er auch Verständnis dafür, wenn gefordert wird, dass es nun weg von den Protesten und hin zum Dialog gehen soll, „außerdem sind die Proteste sehr zeit- und kraftraubend, dazu lässt auch die Wirkung nach“.
Er ist selbst CDU-Mitglied und hat die Hoffnung, dass diese die Forderungen der Bauern noch stärker in den Bundestag einbringt und für ein Umdenken der Regierung sorgt. Rascher ist da anderer Meinung.
Auch wenn man natürlich nicht das Jahr durchdemonstrieren könne, müsse man doch am Ball bleiben und weiter ein Zeichen setzen. Er erhofft sich ein Umdenken bei der FDP: „Wenn die die Ampelregierung platzen lässt, könnten wir sogar Neuwahlen bekommen“.

Und was ist mit dem Vorwurf, dass die Bauernproteste rechts unterwandert seien? Rascher gibt an, dass die Demos, auf denen er war, sich aus allen Teilen der Gesellschaft zusammengesetzt haben und „absolut bunt“ waren.
Sonntag fügt hinzu, dass es möglich sei, dass der eine oder andere mit der AfD sympathisiere – „wenn man sich die Umfragewerte der AfD anschaut, ist das aber kein exklusives Problem der Landwirtschaft“. Und das beste Mittel gegen extreme Parteien sei immer noch gute Politik.
Die Zeit dafür wäre jetzt da, in den nächsten Sommermonaten sind die Landwirte in ihre Arbeit eingebunden. Ein Zeichen gesetzt haben sie auf jeden Fall, auch mit dem Protest in Biberach, da sind sich Dominik Sonntag und Robert Rascher einig.
Wenn die Lage im nächsten Winter weiter so prekär ist, werden sie wieder auf die Straße gehen – als Teil der Bauernproteste, nicht als radikale Trittbrettfahrer.