Es ist eine frustrierende Arbeit. Bei grauem Himmel und kühlem Wind kniet Joachim Wehrle neben seinen Salatköpfen auf dem Acker und zupft das Unkraut aus den einzelnen Reihen. Weiter hinten auf dem Feld watschelt ein Pärchen Rostgänse durch die Salatreihen. Unter den Augen des Reichenauer Gemüsegärtners zerrupfen sie seinen Ertrag – und er kann nichts dagegen tun.

Schäden durch Rostgänse und Krähen

Wachsende Vogelpopulationen werden in Baden-Württemberg für Landwirte und Gärtner immer mehr zum Problem, der Landkreis Konstanz ist besonders betroffen. Ist die Rostgans vor allem ein Reichenauer Phänomen, richten Saat- und Rabenkrähen im ganzen Bundesland Schäden an.

Rostgänse richten auf der Reichenau große Schäden an. Gärtner Joachim Wehrle rechnet auch in diesem Jahr mit Verlusten durch die Gänse, ...
Rostgänse richten auf der Reichenau große Schäden an. Gärtner Joachim Wehrle rechnet auch in diesem Jahr mit Verlusten durch die Gänse, die den Salat essen und zerrupfen. | Bild: Kipping, Julia

Bis zu 200 Krähen fallen über die Äcker her und fressen die frische Saat auf. Auf bis zu 20.000 Euro beliefen sich die Schäden in den einzelnen Betrieben, erklärt der Landesbauernverband LBV in einem Schadensbericht für 2021t. Und die Verluste steigen mit der wachsenden Population der Vögel.

Nur noch 20 Prozent der Salatpflanzen bleiben übrig

„Letztes Jahr war es ganz massiv“, sagt Wehrle, der den Betrieb auf der Reichenau in der dritten Generation führt. Den Salat setzt er das ganze Jahr über. Alle zwei Wochen eine Pflanzung von je 6500 kleinen Salatsetzlingen. Ein wahrer Schmaus für die eingewanderten Rostgänse. Im vergangenen Jahr machten es sich zeitweise fünf Gänse-Paare in Wehrles Salatfeld gemütlich.

So sehen die Blätter aus, wenn die Gänse daran gerupft haben. Der Salat bekommt braune Ränder und ist nix mehr für die Vermarktung, sagt ...
So sehen die Blätter aus, wenn die Gänse daran gerupft haben. Der Salat bekommt braune Ränder und ist nix mehr für die Vermarktung, sagt Joachim Wehrle. | Bild: Kipping, Julia

Der Verlust war enorm: Von zwei Pflanzungen war nur noch jede fünfte Pflanze für den Verkauf geeignet. Die anderen Salate wurden von den Gänsen zerrupft. Denn statt sich an einem Kopf satt zu fressen, laufen die Gänse durch die Reihen und zupfen überall einzelne Blätter ab. „Das machen die zum Zeitvertreib“, ist Wehrle überzeugt.

Fraßschäden bedrohen den Gewinn

Die Blätter bekommen braune Ränder oder fangen an zu faulen, wenn das Abgerupfte auf den Pflanzen liegen bleibt. Insgesamt kann er zehn Prozent Ernteverlust abfangen. „Danach geht es an die eigene Kasse“, erklärt der Gärtner, der im Nebenerwerb Radieschen, Salat und Kohlrabi anbaut.

Hauptberuflich arbeitet der 55-Jährige als Wareneingangsleiter in der Reichenauer Gemüsegenossenschaft. Nachdem die Kosten für ihn innerhalb eines Jahres um bis zu 10.000 Euro angestiegen sind, ist ein rentables Geschäft noch schwieriger geworden. Die Fraßschäden verschärfen die Situation für alle betroffenen Landwirte.

Reihenweise Salat: Joachim Wehrle auf seinem Feld.
Reihenweise Salat: Joachim Wehrle auf seinem Feld. | Bild: Kipping, Julia

Nichts hilft gegen Rostgänse

Abwehrmaßnahmen gibt es wenige. Wehrle stellte Kästen, die Rauchgeruch ausströmen in sein Beet. Da Vögel vor Brandgeruch fliehen, sollte das die Gänse vertreiben. Doch der Erfolg war überschaubar. Die Ernteausfälle betrugen trotzdem 30 Prozent.

Er probierte in den vergangenen Jahren verschiedene Vergrämungsmaßnahmen, um die Gänse zu vertreiben. Aber auch an Schreckschusspistolen und Flatterbänder würden sich die Tiere schnell gewöhnen, so Wehrle.

Das könnte Sie auch interessieren

Krähen zerrupfen ganze Äcker

An der Schweizer Grenze in Rielasingen machen es Krähen Landwirt Alexander Schlenker schwer. Gerade kommt er von einem Kunden, für den er im April Mais gesät hat. Ein Acker etwas größer als ein Fußballfeld – komplett abgeräumt, schildert er. Die Saat war schon aufgegangen. Nun liegen die meisten Pflanzen vertrocknet auf dem Feld. Die Krähen hätten fast 95 Prozent der Ernte vernichtet, sagt Schlenker.

Sobald die Keimlinge sich aus der Erde schieben und die ersten Blätter sichtbar sind, sind sie eine interessante Beute für die Krähen. Dann ziehen sie die Maispflanzen heraus. Manchmal essen sie die Saat auf, manchmal haben sie einfach nur Spaß am Rausrupfen.

Wenn die Maispflanzen drei, vier Blätter haben, werden sie von den Krähen aus der Erde gerissen.
Wenn die Maispflanzen drei, vier Blätter haben, werden sie von den Krähen aus der Erde gerissen. | Bild: Alexander Schlenker

Nachgepflanzter Mais bringt nicht mehr genug Ertrag

Auch wenn jetzt nachgesät wird, bleibt ein finanzieller Schaden für den Landwirt. Neue Saat, die Aussaat und die Ertragseinbußen, weil die Pflanze nicht genug Zeit zum Wachsen hat – für die Fläche schätzt Schlenker den Verlust auf etwa 1000 Euro. „Der ideale Zeitraum für die Saat ist zwischen dem 15. und 20. April“, sagt Schlenker. Danach ließe sich nicht mehr der optimale Ertrag erzielen.

Eine wirksame Abschreckung gibt es auch gegen die Krähen nicht. Eine wäre, die Saat fest in die Erde zu drücken, so Schlenker. Wenn die Krähen dann an den Pflanzen ziehen, reißen nur die Blätter ab, das Korn bleibt im Boden. Die Vögel verlieren schnell die Lust.

Landwirt Alexander Schlenker zeigt auf einem Acker in Rielasingen kleine vertrocknete Maispflänzchen. Die Pflanzen wurden fast auf dem ...
Landwirt Alexander Schlenker zeigt auf einem Acker in Rielasingen kleine vertrocknete Maispflänzchen. Die Pflanzen wurden fast auf dem gesamten Acker von Krähen ausgerissen. | Bild: Alexander Schlenker

Andere Maßnahmen wie Vogelscheuchen, Flatterbänder, Reflektoren oder Hagelnetze helfen gegen die intelligenten Tiere wenig, teilt der LBV mit. Effektiver seien Schreckschuss-Pistolen. Diese allerdings stießen bei der Bevölkerung wegen des Lärms auf wenig Begeisterung.

Verband fordert Abschuss

„Insgesamt haben die verursachten Schäden durch Saat- und Rabenkrähen längst ein nicht mehr tolerierbares Niveau erreicht, so dass eine effektive Bestandsregulierung zwingend erforderlich ist“, resümiert Jürgen Maurer, Vorsitzender des Fachausschusses Pflanzliche Produktion im LBV das Problem.

Bestandsregulierung bedeutet gezielte Abschüsse der Tiere. Diese Vergrämungsabschüsse müssen vom Landratsamt genehmigt werden. Auf der Reichenau gab es schon entsprechende Genehmigungen für maximal zehn Paare pro Jahr. Doch die Rostgänse sind immer noch da und lassen sich – wie Wehrle demonstriert – auch durch den Menschen kaum vertreiben.

Krähen lassen sich nur schwer vertreiben, können aber auf Feldern einen hohen Schaden anrichten.
Krähen lassen sich nur schwer vertreiben, können aber auf Feldern einen hohen Schaden anrichten. | Bild: Christoph Schmidt, dpa

Auch für die Saat- und Rabenkrähen fordert der LBV gezielte Abschüsse. „Die Bestände beider Arten rechtfertigen diese Maßnahme“, so der Verband. Dazu müssten die Tiere allerdings zur Bejagung zugelassen werden. Außerdem müssten die Genehmigungen der Vergrämungsabschüsse in den Regionen einheitlich und zeitnah erfolgen, so der Appell an die Landesregierung.

Das könnte Sie auch interessieren

Ohne chemische Schutzhülle ist Saat ein Fest für Vögel

Landwirt Alexander Schlenker würde sich auch eine andere Lösung wünschen. Doch auch auf seinen Feldern hatte er 2020 Fraßschäden zu beklagen. Damals waren 1,2 Hektar betroffen. „Wir mussten wieder von vorne anfangen“, erzählt er. Und er nennt auch den Grund, warum die Vögel sich über den Mais hermachen.

Die Landwirte dürfen seit 2020 keine Maiskörner mehr ausbringen, die mit dem Mittel Mesurol gebeizt wurden. Diese chemische Schutzhülle hat die Saat vor Vogelfraß geschützt, aber auch vor anderen Schädlingen, wie der Fritfliege.

Schlenker hat es ein Jahr ohne Beize probiert, doch wegen der hohen Verluste nutzt er nun ein alternatives weniger effektives Beizmittel, wie er sagt. „Es gibt Situationen, in denen Pflanzenschutzmittel größere Schäden und Ernteausfälle vermeiden können.“