Sascha Meyer und Rachel Bollmeyer, dpa

Nach dem erneuten großen Corona-Ausbruch in der Schlachtbranche wächst der Druck, den massiven Preiskampf bei den Arbeitsbedingungen und bei Fleisch im Supermarkt zu unterbinden. „Fleisch ist zu billig“, sagte Bundesagrarministerin Julia Klöckner. Landwirte bräuchten faire Preise und Förderungen, um Stallumbauten zu ermöglichen. Daher setze sie sich für eine Tierwohlabgabe ein. Im Gespräch ist außerdem, Billigpreiswerbung für Fleisch einen Riegel vorzuschieben. Aus der SPD kommt der Ruf, höhere Löhne in Schlachtbetrieben durchzusetzen.

Abgabe vorgeschlagen

„Auch für die Verbraucher wird sich etwas ändern müssen“, sagte Klöckner mit Blick auf eine Tierwohlabgabe, die eine Kommission empfohlen hat. „Dabei soll Fleisch kein Luxusprodukt für Reiche werden. Aber auch keine Alltagsramschware.“ Die Kommission unter Leitung des früheren Agrarministers Jochen Borchert hatte im Februar Empfehlungen vorgelegt, um Verbesserungen in der Tierhaltung zu finanzieren. Dafür schlägt sie eine Abgabe auf tierische Produkte vor, die als Verbrauchssteuer umzusetzen wäre. Denkbar wären demnach Aufschläge von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst oder 2 Cent pro Kilo für Milch und Frischmilchprodukte. Das solle für Haushalte mit niedrigen Einkommen sozialpolitisch flankiert werden.

Kritik an Zentralisierung

Klöckner kritisierte angesichts des Corona-Ausbruchs beim Marktführer Tönnies die Zentralisierung der Schlachtbranche. „Wie man sieht, hat Größe dann einen Negativpreis.“ Landwirte müssten von ihrer Arbeit leben können, auch um Ställe umzubauen. „Wenn aber Fleischindustrie und Handel immer stärker auf den Preis drücken, dann schaffen das die Tierhalter nicht.“ Im Fall der Tönnies-Fleischfabrik im westfälischen Rheda-Wiedenbrück wurden mehr als 1000 Mitarbeiter positiv getestet.

Gegen Werksverträge

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, rücksichtsloses Wirtschaften sei nicht mehr zu akzeptieren. „Es kann nicht sein, dass Menschen aus Mittel- und Osteuropa in Deutschland ausgebeutet werden, damit skrupellose Firmen milliardenschwere Gewinne einfahren.“ Heil will im Sommer einen Gesetzentwurf vorlegen, um Werksverträge in der Branche ab 2021 weitgehend zu verbieten – also dass die Ausführung von Schlachtarbeiten bei Sub-Unternehmern eingekauft wird.

Hebel bei den Lohnkosten

Der SPD-Agrarpolitiker Rainer Spiering sagte: „Dass Fleisch derartig verramscht wird, hat mit dem Verramschen von Arbeitskräften zu tun.“ Daher müsse man den Hebel bei den Lohnkosten ansetzen und die Bezahlung klar verbessern. „Damit können wir auch das Fleischerhandwerk stärken, das von der Fleischindustrie mit unterirdischen Arbeitsbedingungen platt gemacht wird.“

„Nur ein Symptom“

Verbraucherschützer kritisierten ebenfalls einen hohen Preisdruck. „Beim Fleischkauf sollte man generell darauf achten, dass nicht das Billigste auch das Beste ist“, sagte Lebensmittelexperte Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die Verbraucherorganisation Foodwatch betote: „Die Masse der Corona-Infektionen in Schlachthöfen ist nur Symptom eines krankhaft auf Billig-Produktion ausgelegten Systems.“

Deutlich geringerer Verdienst

Osteuropäische Vollzeitbeschäftigte in Schlachtbetrieben verdienen nach Daten der Bundesagentur für Arbeit im Vergleich zu deutschen Kollegen deutlich weniger. Demnach arbeiteten zum Stichtag 30. September 2019 im Bereich Schlachtung und Fleischverarbeitung rund 84 500 deutsche Vollzeitkräfte, 22 400 Rumänen, 8300 Polen, 3300 Ungarn und 2500 Bulgaren. Das mittlere Einkommen der deutschen Beschäftigten lag Ende 2018 bei gut 2300 Euro brutto im Monat. Bei rumänischen Beschäftigten waren es 1800 Euro, bei Bulgaren 1700 Euro, bei Polen 1900 Euro, bei Ungarn knapp 2000 Euro.