So viel Frust und Sorge war selten: Auf einer Betriebsversammlung des Dieselmotorenbauers Rolls-Royce-Power-Systems (RRPS) in Friedrichshafen haben Beschäftigtenvertreter massive Vorwürfe gegen die britische Konzernmutter Rolls-Royce erhoben.

Spart „Horde“ von Managern in Großbritannien MTU kaputt?

Im Moment müsse man Angst haben, „dass eine Horde von Nicht-EU-Bürgern unser Geschäft so stark behindert, dass wir am Schluss keine Motoren für die Bundeswehr mehr liefern können“, sagte der RRPS-Betriebsratsvorsitzende, Thomas Bittelmeyer, am Montag vor gut 4000 Beschäftigten am Stammsitz in Friedrichshafen. „Wenn jetzt eine große Bestellung von Panzermotoren kommen würde, wüsste ich nicht, wie wir das machen sollen“, sagte er dem SÜDKURIER.

RRPS-Betriebsratschef Thomas Bittelmeyer und IG-Metall-Verantwortliche Helene Sommer auf der Betriebsversammlung am Montag in ...
RRPS-Betriebsratschef Thomas Bittelmeyer und IG-Metall-Verantwortliche Helene Sommer auf der Betriebsversammlung am Montag in Friedrichshafen. | Bild: Silas Stein, dpa

Bei RRPS, dessen Kerngeschäft der Verkauf von schweren MTU-Motoren für das Militär und Großmaschinen darstellt, herrsche seit Jahren „Investitionsstau“. Durch manche Dächer am Standort regne es herein. Jetzt drohe eine weitere Sparrunde.

Man werde es nicht akzeptieren, dass für den Standort nicht die nötigen Investitionen fließen, sagte Bittelmeyer. Man erwirtschafte am Bodensee seit jeher gute Gewinne. Diese seien aber nicht dazu da, dass die britische Konzernmutter damit ihre eigenen Schulden tilge, sagte der Betriebsratschef unter dem Beifall der Beschäftigten.

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Brandrede von Rolls-Royce-Chef Erginbilgic

Vergangenen Mittwoch hatte Rolls-Royce-Chef Tufan Erginbilgic in einer internen Informationsveranstaltung vor rund 30.000 Beschäftigten unter dem Begriff „Winning together“ (deutsch: zusammen gewinnen) ein neues Effizienz- und Kostensenkungsprogramm angekündigt. Auszüge aus der Rede liegen dem SÜDKURIER vor.

Darin führt der britisch-türkische Rolls-Royce-Chef unter anderem aus, wie dem Konzern, der vor allem aufgrund Problemen im Bereich Zivilluftfahrt seit mehreren Jahren in den roten Zahlen feststeckt, die Wende gelingen soll. Massive Effizienzsteigerungen, Kostensenkungen, Steigerung der Gewinnspanne und einfachere Organisationsstrukturen sollen laut Erginbilgic die Wende bringen. Den Rolls-Royce-Konzern bezeichnete er als „brennende Plattform“.

Gewinne von MTU stopfen Löcher in England

In Friedrichshafen geht nur die Angst um, für eine verfehlte Konzernpolitik der britischen Mutter in Geiselhaft genommen zu werden. Während Rolls-Royce hoch verschuldet ist und seit Jahren Verluste in Milliardenhöhe einfährt, ist der Dieselmotorenbauer RRPS – eine 100-Prozent-Tochter der Briten – profitabel. 2021 verdiente man bei einem Umsatz von 3,2 Milliarden Euro rund 280 Millionen Euro operativ (Ebitda).

Mitarbeiter von Rolls-Royce Power Systems montieren im Werk 1 ein MTU-Bahn-Power-Pack. Künftig soll dort auch ein Hybrid-Bahn-Power-Pack ...
Mitarbeiter von Rolls-Royce Power Systems montieren im Werk 1 ein MTU-Bahn-Power-Pack. Künftig soll dort auch ein Hybrid-Bahn-Power-Pack zusammengebaut werden. Panzermotoren sind ein weiteres wichtiges Geschäftsfeld. | Bild: Felix Kästle, dpa

Nach Bittelmeyers Darstellung beinhalten die Pläne des neuen Rolls-Royce-Chefs auch, einen weitaus höheren Anteil der in Friedrichshafen erwirtschafteten Gewinne an die Londoner Zentrale abzuführen. „Diese Belegschaft wird nicht zuschauen, wie auf unsere Kosten andere saniert werden“, sagte Helene Sommer, erste Bevollmächtigte der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben, auf der Veranstaltung. Hier erwirtschaftetes Geld werde auch vor Ort gebraucht, um in die Zukunft investieren zu können.

In Friedrichshafen sind die Auftragsbücher randvoll

Bereits 2022 hatte der Auftragsbestand bei RRPS ein historisches Hoch erreicht. Und auch 2023 sei man „nahezu ausverkauft“, wie Bittelmeyer sagte. Um kommende Aufträge, speziell im Verteidigungsbereich ausführen zu können, müsse nun investiert, nicht gespart werden.

Die Panzerbauer Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann täten das bereits. „Nur bei uns läuft es anders – wir sparen“, sagte der Betriebsratschef. Mit seinen MTU-Motoren ist RRPS Exklusivausstatter für Panzer wie den Leopard 1 und 2, den Marder, den Puma sowie die Panzerhaubitzen.

Ausweg Börsengang

So groß ist der Unmut in Friedrichshafen, dass Bittelmeyer der britischen Mutter sogar einen Verkauf der baden-württembergischen Motorentochter nahelegte. „Herr Erginbilgic, verkaufen sie unser Unternehmen doch, wenn sie aus der Schuldenfalle kommen wollen“, sagte Bittelmeyer. „Bringen sie uns zurück an die Börse.“ Mit neuen Investoren wären ausreichende Investitionen in Dieseltechnologie und neue Zukunftsfelder wahrscheinlich viel einfacher möglich.