Deutschland ist auf dem Weg in den Konjunktur-Keller. 2023 ist das Land in die Rezession gerutscht, und im laufenden Jahr wird es wohl nicht viel besser werden. Allenfalls ein Miniwachstum sehen Experten am Horizont aufblitzen. Dazu passt, dass die Stimmung mies wie selten ist.

Die hartnäckige Inflation verleidet den Bürgern die Kauflaune, der Binnenkonsum schwächelt. Gleichzeitig sind die Ausfuhren in den Sinkflug übergegangen. In der Industrie bröckelt es gewaltig. Und selbst am Arbeitsmarkt ist etwas ins Rutschen geraten.

Bei der Suche nach den Schuldigen dieser einschneidenden Entwicklungen landet man schnell bei der Berliner Ampelregierung. Sie gibt seit Monaten ein Bild irgendwo zwischen Hilflosigkeit und Unvermögen ab. Gerade streiten sich der Wirtschafts- und der Finanzminister, welche Medizin man dem Patienten deutsche Volkswirtschaft am besten verabreichen soll – lieber investieren auf Pump, wie es Robert Habeck (Grüne) vorschwebt, oder besser sparen und kürzen bei den Bürgern, sowie Steuern senken für Unternehmen? Letzteres präferiert Christian Lindner (FDP).

Schweigen hier, Proteste dort

Spötter könnten an dieser Stelle positiv anmerken, es sei zumindest den beiden Ministern aufgefallen, dass etwas schiefläuft. Denn der Kanzler – er schweigt mal wieder. Die Bürger reagieren mit Häme. Die Bauern protestieren, die Handwerker, die Mittelständler und eine ganze Reihe anderer Berufsgruppen auch.

Tatsächlich ist es aber zu einfach, alles Übel dieser Welt bei der Ampel abzuladen. Klar ist: Die Bundesregierung macht keinen guten Job. Die Probleme, mit denen Deutschland derzeit kämpft, sind im Kern aber schon viel älter als die aktuelle Regierung.

Der Wirtschaftsstandort verliert seit vielen Jahren an Attraktivität. Abzulesen ist das an den Investitionen, die Ausländer hierzulande tätigen. Sie sinken seit 2017 kontinuierlich. Im selben Jahr hat auch die Automobilwirtschaft als nationale Leitbranche ihren Zenit erreicht.

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Seit damals geht es vor allem mit der Zulieferindustrie abwärts. Betrachtet man das längerfristige, reale Wirtschaftswachstum fällt auf, dass es über das vergangene Jahrzehnt hinweg bei durchschnittlich gerade einmal 1,1 Prozent lag. Ein im Vergleich zum Aufschwung der Weltwirtschaft mickriger Wert. Die strukturellen Probleme reichen also weit in die Merkel-Jahre zurück.

Zum Unvermögen kommt Pech dazu

Dazu kommt, dass Deutschland auch Pech gehabt hat. Zuerst war es Donald Trump, dessen „America-First“ die Welt in Handelsblöcke zerlegte. Dann führte die Corona-Krise zum Abriss globaler Lieferketten und zum Ausfall Chinas als Absatzmarkt.

Am einschneidendsten für Deutschland war aber der Verlust von rund der Hälfte seiner Energieimporte aus Russland. Beim Blick auf die Wachstumsraten in Europa fällt auf, dass alle Staaten östlich des Rheins schwächeln. Just jene Länder, die im Einflussbereichs russischer Pipelines waren, sind heute die „kranken Männer“ des Kontinents.

Und doch steht das Land stabil da

Zusammengenommen hat das Geschäftsmodell Deutschlands die maximale Breitseite abbekommen. Und es ist fast ein Wunder, wie stabil das Land dennoch dasteht, trotz aller Gereiztheit im politischen Raum.

Allerdings: Deutschland lebt jetzt von der Substanz. Und sie wird in ziemlicher Geschwindigkeit aufgezehrt. Diese Erkenntnis scheint in Berlin nicht angekommen zu sein. Anstatt sich über Detailmaßnahmen zu streiten, bräuchte es eine „große und stimmige Reformagenda“, wie die Wirtschaftsweise Veronika Grimm es ausgedrückt hat. Und sie muss zügig kommen.

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Nicht immer alles regeln

Dabei muss das Wörtchen Deregulierung eine Schlüsselrolle spielen. Bei der Vokabel denken die Deutschen an die Auswüchse des Kapitalismus, die Finanzkrise und eine ungleiche Verteilung des Reichtums. Das stimmt. Das Problem ist nur: Auch das Wörtchen Regulierung hat fatale Auswirkungen. Auf EU-Ebene kommen mittlerweile auf eine abgeschaffte Vorschrift vier neue. In Deutschland ist es ähnlich.

Das erstickt jeden Fortschritt und verunmöglicht gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbau. 65 Milliarden Euro im Jahr kostet es laut Normenkontrollrat die Wirtschaft, staatliche Vorschriften abzuarbeiten. Das ist fast genau der Betrag, den die Bundesrepublik infolge des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts als Sondervermögen ausbuchen und anderswo auftreiben muss. Das Regulierungsdickicht hat sich insofern zur zentralen Gefahr für den Standort entwickelt.

Entbürokratisierung ist daher das Stichwort der Stunde. Sie ist umsonst zu haben. Vor allem aber werden sich künftige Investitionsoffensiven auf ihrer Grundlage überhaupt erst entfalten können.