An Kritik der Nachbarn hat es der Schweiz nicht gemangelt: Unsolidarisch, verantwortungslos und egoistisch sei es, die Skigebiete zu öffnen. Anders als zum Beispiel in Süddeutschland entschied die Regierung in Bern: Trotz Corona soll es eine Wintersportsaison geben, wenn auch unter Einhaltung von Schutzkonzepten. Pisten und Hotels blieben offen, Restaurants boten einen Mitnahmeverkauf an. Laut der nationalen Tourismusmarketing-Organisation „eine richtige und wichtige Entscheidung“.

Baden-Württemberg und Bayern schlossen dagegen ihre Ski-Gebiete. Außerdem verschärften nicht zuletzt aus Angst vor einem „zweiten Ischgl“ die meisten europäischen Länder die Auflagen bei der Rückkehr aus der Schweiz derart, dass eine Ski-Tour faktisch ausgeschlossen ist. Die Eidgenossen hatten die Pisten damit quasi für sich allein. Wer trotz Quarantäne-Pflicht trotzdem kam, erhielt in den Hotels Angebote zum Spottpreis.

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Keine größeren Ausbrüche in Schweizer Ski-Gebieten

Bewahrheitet haben sich die Befürchtungen offenbar nicht. Laut Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind keine größeren Ausbrüche in den Ski-Gebieten bekannt. Zwar hat das Land im Verhältnis zur Einwohnerzahl seit Beginn der Pandemie doppelt so viele Covid-19-Fälle wie Deutschland. Mitte April liegt die Schweiz bei der Inzidenz aber gleichauf.

Geöffnet mit reduzierter Kapazität: In der Schweiz – hier Anfang 2021 in Wengen im Berner Oberland – blieben die Lifte trotz ...
Geöffnet mit reduzierter Kapazität: In der Schweiz – hier Anfang 2021 in Wengen im Berner Oberland – blieben die Lifte trotz Corona geöffnet. Für die anstehende Saison wird eine Zertifikatspflicht für Wintersportler erwartet. | Bild: Laurent Gillieron, dpa

Ging die Schweizer Öffnungsstrategie auf?

Das BAG hält eine Bilanz für zu früh, teilt eine Sprecherin mit. Man habe gesundheitliche wie wirtschaftliche Ziele berücksichtigt. „Die Evaluationen werden zeigen, wie sich Strategie und Maßnahmen bewährt haben“, sagt sie.

Für die vom Bund mit jährlich rund 50 Millionen Euro unterstützte Marketing-Organisation Schweiz Tourismus steht das Ergebnis dagegen fest: Das Konzept ist aufgegangen. Die Branche konnte das laut Evelyn Lafone, Leiterin der baden-württembergischen Niederlassung von Schweiz Tourismus, „bereits letzten Sommer eindrücklich zeigen. Die Schutzmaßnahmen wurden für den Winter angepasst und weiter verschärft“.

Wie bewerten Touristiker im deutschen Südwesten die Wintersport-Saison?

Im deutschen Südwesten wäre man diesen Beweis ebenfalls gerne angetreten. Entsprechend deutliche Worte findet Thorsten Rudolph in Richtung Regierung. Der Geschäftsführer der Hochschwarzwald Tourismus GmbH sagt: „Die Politik hat durch den Dauerlockdown seit November unsere gesamte Branche trotz vieler Finanzhilfen in große Nöte gebracht.“

Thorsten Rudolph ist Geschäftsführer der Hochschwarzwald Tourismus GmbH.
Thorsten Rudolph ist Geschäftsführer der Hochschwarzwald Tourismus GmbH. | Bild: Manfred Baumann

Dabei sei es zwischen Sommer und Herbst 2020 „richtig geflutscht“, sagt Rudolph. Anders als nach dem ersten Lockdown seien die Umsatzverluste aus dem Winter, er spricht von flächendeckend 40 Prozent, nicht mehr aufzuholen.

Verständnis der Branche weicht Wut und Frust

Nicht zuletzt deshalb sei die Stimmung der Branche in den vergangenen zwölf Monaten gekippt: von Verständnis angesichts des für alle neuartigen Virus hin zu Frust und Wut. Aussicht auf Besserung? Fehlanzeige. Thorsten Rudolph: „Eine Perspektive für eine Öffnung wird nicht aufgezeigt, mir graut es beim Ausblick auf eine möglicherweise fehlende Sommersaison.“

„Größte finanzielle Probleme“ für Gemeinden am Feldberg

Dem Liftverbund Feldberg fehle der geplante Umsatz aus der Wintersaison Saison 2020/21 vollständig: rund zehn Millionen Euro. Das sagt der Verbundsvorsitzende, St. Blasiens Bürgermeister Adrian Probst.

St. Blasiens Bürgermeister Adrian Probst ist aktuell Vorsitzender des Liftverbunds Feldberg.
St. Blasiens Bürgermeister Adrian Probst ist aktuell Vorsitzender des Liftverbunds Feldberg. | Bild: Lenny Münzer

Den drei Träger-Gemeinden des Verbunds – außer St. Blasien sind das Feldberg und Todtnau – erhalten anders als private Skigebiet-Betreiber keine staatliche Corona-Hilfe. Sie stehen laut Probst daher „vor größten finanziellen Problemen, die aktuell nicht aufgelöst werden können“.

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Die Entscheidung der Schweiz kann er gut nachvollziehen und ergänzt: Auch wenn der Verbund „nicht nachtreten und es im Nachhinein besser wissen will“ habe dieser sich frühzeitig für eine Öffnung der Lifte unter strengen Vorgaben und ein begrenztes Wintersport-Angebot im Freien ausgesprochen. „Dies wäre auch im Rückblick richtig und möglich gewesen.“

Neidischer Blick über die Grenze?

Wie ist die Stimmung im Schwarzwald beim Blick einige Kilometer über die Grenze? Nein, neidisch auf die Kollegen in der Schweiz sei er nicht, sagt jedenfalls Hochschwarzwald-Tourismuschef Thorsten Rudolph. Zumal die wirtschaftlichen Vorteile gegenüber den geschlossenen Gebieten hierzulande seiner Meinung nach „allenfalls kurzfristig“ wirkten. „Allein mit einheimischen Gästen kann auch niemand finanziell erfolgreich sein, schon gar nicht in den großen Touristenzentren der Schweiz“, sagt er.

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Trotz geöffneter Ski-Gebiete: Heftige Verluste auch in der Schweiz

Die offizielle Statistik der Schweiz bestätigt das. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Hotelübernachtungen in den Bergen demzufolge bis Ende Februar um ein Drittel zurückgegangen. Außerdem meldet der Verband der Schweizer Seilbahnen bis Ende März einen Umsatzrückgang um ein Viertel im Vergleich zu 2018/19, der vorerst letzten Saison unter Normalbetrieb.

Evelyn Lafone von Schweiz Tourismus bilanziert: „Somit können wohl auch viele begeisterte einheimische Schneesportler und Winterferiengäste sowie hervorragende und andauernd gute Schnee- und Wetterbedingungen nicht zu einer positiven Winterbilanz beitragen.“ Wie das Ergebnis der tourismuszentrierten Schweizer Wirtschaft bei gänzlich geschlossenen Gebieten ausgesehen hätte, kann man sich damit vorstellen.

Markus Schröcksnadel ist Skilift-Betreiber und IT-Unternehmer aus Österreich und verantwortet ein Multimillionen-Firmenimperium.
Markus Schröcksnadel ist Skilift-Betreiber und IT-Unternehmer aus Österreich und verantwortet ein Multimillionen-Firmenimperium. | Bild: feratel/ G. Berger

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