Deutschlands zweitgrößter Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen setzt darauf, im kommenden Jahr sein Geschäft mit Windenergieanlagen auszubauen. „2024 werden sich die Bücher füllen“, sagte der Chef der ZF-Windkraftsparte, Felix Henseler, dem SÜDKURIER. Man hoffe auf einen nachhaltigen Aufschwung, der ab 2025 voll zum Tragen kommen soll.

2024 soll die Wende bringen

Der als Automobilzulieferer bekannte Stiftungskonzern ist einer der Schlüsselzulieferer für die globale Windbranche. Weltweit stammt jedes vierte Getriebe in einem Windrad von ZF. 2022 setzte man mit Windradgetrieben und Generatoren für die oft Hunderte Meter hohen Anlagen gut eine Milliarde Euro um.

Felix Henseler ist Chef der ZF-Windkraftsparte.
Felix Henseler ist Chef der ZF-Windkraftsparte. | Bild: MEDIALIFE.BE

Dass es nicht schon deutlich mehr ist, hängt mit einer unsteten staatlichen Förderpolitik und negativen weltwirtschaftlichen Einflüssen in Folge der Corona-Pandemie zusammen. Denn anders als es die ambitionierten Ausbauziele Deutschlands und der EU bei Erneuerbaren Energien vermuten lassen, kämpft die Branche seit Jahren mit Problemen.

Nach einer Umstellung der staatlichen Förderung 2017 brach der Zubau von Windrädern in Deutschland – einst der größte Windmarkt der Welt – im Jahr 2019 auf ein historisches Minimum ein. Den Herstellern, die im Vertrauen auf steigende Verkäufe die Produktionskapazitäten ausgeweitet hatten, liefen die Kosten davon. Die Folge waren Werkschließungen, aber auch Entlassungen, etwa beim einstmaligen Branchenprimus Enercon aus dem ostfriesischen Aurich.

Die Chinesen kommen nach Europa

Wenig später ließ die Corona-Krise den Teilenachschub stocken und die Materialpreise stark ansteigen – ein Effekt, der durch die Energiekrise infolge des Ukrainekriegs verstärkt wurde. Weil die Windradbauer es versäumt hatten, Preisgleitklauseln in ihre Verträge einzubauen, blieben sie auf den Mehrkosten sitzen. Als Folge rutschten Hersteller wie Siemens-Gamesa, Vestas, Enercon oder Nordex tief in die roten Zahlen.

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Das trifft auch die Zulieferbetriebe. „Das Ergebnis der Windkraftsparte liegt unter den Erwartungen von ZF“, sagt etwa ZF-Windkraftchef Henseler. Traditionell veröffentlicht das Stiftungsunternehmen keine konkreten Gewinnzahlen für seine Sparten. „Klar ist aber: Wenn die Kunden uns die Abnahme von Hundert Getrieben zusagen, dann aber nur 50 abgerufen werden, trifft uns das“, sagt er.

Immerhin hat ZF zuletzt Millionensummen in seinen Zentralstandort im belgischen Lommel investiert. In Kürze soll dort in Zusammenarbeit mit dem dänischen Vestas-Konzern die Produktion von Getrieben und Generatoren für 15-Megawatt-Windräder anlaufen. Sie zählen zu den stärksten Anlagen, die es weltweit gibt und könnten sich zum Standard für Offshore-Windparks vor den Küsten entwickeln.

Die Anzeichen, dass die Investition zur rechten Zeit kommen könnte, stehen nicht schlecht. Denn im jahrelang kriselnden deutschen Windmarkt gibt es Signale der Hoffnung. Nachdem sich bei den nationalen Ausschreibungen für Windkraftleistung seit mehr als einem halben Jahrzehnt fast immer viel zu wenig Investoren finden, die Anlagen errichten wollen, hat sich die Lage in diesem Jahr gedreht.

BWE-Geschäftsführer Axthelm: „Dynamik im Markt“

„Die Chance ist da, dass wir am Jahresende Zuschläge für 7600 Megawatt Anlagenleistung bekommen“, sagt etwa Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Wind-Branchenverbands BWE, unserer Zeitung. Das liege zwar immer noch deutlich unter den vom Bund angepeilten Ausbauzielen, aber deutlich über dem Vorjahreswert. Axthelm spricht daher von einer „neuen Dynamik im Markt“, die er auch an einer steigenden Zahl von Genehmigungen für Windräder festmacht, etwa in Baden-Württemberg.

Im belgischen Lommel wird ein ZF-Windkraftgetriebe auf einen Lkw verladen. Ein Viertel der in Windrädern installierten Getriebe weltweit ...
Im belgischen Lommel wird ein ZF-Windkraftgetriebe auf einen Lkw verladen. Ein Viertel der in Windrädern installierten Getriebe weltweit stammt von ZF. Bild: ZF | Bild: zf

Die Frage ist nur, wer von dem neuerlichen Aufschwung profitiert. Seit einigen Monaten drängen chinesische Windanlagenbauer nach Europa. Ihnen wird der Heimatmarkt. Hersteller wie Goldwind, Envision, CRRC oder Sany haben den Schritt nach Europa bereits angekündigt oder stünden dazu bereit, wie es aus der Branche heißt. Kommen die Chinesen, wird sich der Wettbewerb hierzulande massiv verschärfen. Branchenschätzungen gehen davon aus, dass die staatlich hoch subventionierten Konzerne ihre Anlagen zwischen 20 und 60 Prozent günstiger anbieten als heimische Hersteller.

EU will chinesische Hersteller an die Kandare nehmen

Gespannt blickt die Branche daher auf Donnerstag in acht Tagen. Dann will die EU-Kommission eine neue Strategie für die heimische Windbranche vorstellen, die auch Regeln über den Umgang mit der China-Konkurrenz enthalten soll. Axthelm sagt: „Es ist wichtig, dass wir bei der Windkraft nicht das erleben, was wir im Solarbereich erlebt haben.“ Vor gut zehn Jahren fegte die hochsubventionierte Asien-Konkurrenz die bis dahin führenden Deutschen Hersteller aus dem Markt. Zehntausende Jobs wanderten ab.