Roland Knauer

Die jungen Männer verfolgen Pläne für eine Verkehrsrevolution. Sie ist bisher allenfalls in Science-Fiction-Filmen zu sehen, könnte aber irgendwann Wirklichkeit werden. Gabriele Semino, ein Physiker, und seine Kollegen von der Technischen Universität München (TUM) stehen als Studenten zwar noch am Anfang ihrer Karriere. Das hindert sie aber nicht daran, weit in die Zukunft zu denken. Dort könnte der Personenverkehr auf mittlere Entfernungen von ein paar hundert Kilometern ganz anders als bisher ablaufen und vor allem: viel, viel schneller.

Die Studenten konzipieren Fahrzeuge für ein „Hyperloop“ genanntes System, das nicht nur die Vorteile von Flugzeug und Eisenbahn miteinander kombinieren, sondern beide Verkehrsmittel sogar übertreffen soll. Vorgestellt hat Hyperloop ein nordamerikanischer Milliardär mit Pässen aus den USA, Kanada und Südafrika. Elon Musk ist Mitgründer des Bezahlsystems PayPal, ihm gehören der Elektroauto-Hersteller Tesla und das Raumfahrtunternehmen SpaceX – und er möchte teure Technik preisgünstig anwenden. Im Fall von Hyperloop setzt der Milliardär dabei nicht auf die Entwicklungsabteilung eines eigenen Unternehmens, sondern fordert den Ingenieur-Nachwuchs auf, Ideen einzubringen. Den jüngsten Wettbewerb in diesem Rahmen haben Gabriele Semino und seine TU-Kollegen Ende August in Kalifornien gewonnen. Ihr Testfahrzeug sauste mit 324 km/h durch eine Röhre. Rekord. Die zweitschnellste Konkurrenz kam nur auf etwas mehr als 100 km/h.

Die Münchener Studenten am Ende der Teststrecke, die 1200 Meter misst.
Die Münchener Studenten am Ende der Teststrecke, die 1200 Meter misst. | Bild: dpa

Um den Hintergrund dieses Rekords zu beleuchten, schildert der Deutsch-Italiener Semino die Probleme, mit denen Eisenbahnen oder Autos am Boden zu kämpfen haben: „Um sich vorwärtszubewegen, müssen sie erheblichen Widerstand überwinden“, erklärt der Physiker. Dieser Widerstand kommt vor allem von der Luft, die wir beim normalen Laufen kaum spüren. Bläst dagegen ein Orkan mit 120 Kilometern pro Stunde einem Menschen ins Gesicht, kommt er aus eigener Kraft kaum noch voran. Verdreifacht sich die Geschwindigkeit, wird dieser Luftwiderstand sogar neun Mal größer. Rast ein ICE also mit 360 km/h durchs Land, braucht er neun Mal mehr Kraft und damit entsprechend mehr Energie als bei 120 km/h. Dazu kommt der Reibungswiderstand der Räder auf der Schiene. Viel besser und mit erheblich weniger Energieverbrauch müsste also ein Fahrzeug vorankommen, das in einer Röhre schwebt, aus der die Luft abgepumpt wurde. Genau das ist die Idee von Hyperloop, die vor allem den Verkehr auf mittlere Entfernungen wie zwischen Wien, Zürich und Berlin revolutionieren könnte.

 

Die Vor- und die Nachteile des neuen Verkehrsmittels


Wie bei der – in Deutschland nicht realisierten – Magnetschwebebahn Transrapid gibt es beim Hyperloop-Projekt Vor- und Nachteile. Ein kurzer Überblick:
  • Die Chancen
    Tempo: Passagieren sind bis zu viermal schneller unterwegs als im Hochgeschwindikgeitszug ICE. Auch das Flugzeug kann nicht mithalten. Denn hier muss man Wartezeiten und Verspätungen auf Flughäfen einrechnen.

    Energie: Vermutlich ist es möglich, hier deutlich zu sparen, da die Reibungswiderstände der normalen Eisenbahn beim Hyperloop wegfallen. Weiteren Energiegewinn brächte die Installation von Solarpaneelen auf der Hyperloop-Röhre.
  • Die Risiken
    Sicherheit: Es ist unklar, wie die Kapsel mit den Passagieren bei einem Störfall oder einem Unfall in der Vakuum-Röhre schnell gebremst werden kann und wie die Passagiere im Notfall aussteigen können. Die Frage ist auch: Wollen Menschen in einer Kapsel sitzen, ohne bei der Fahrt nach draußen sehen zu können?

    Technik: Bisher verläuft eine Fahrt nur linear von A nach B in der Teströhre. Wie aber kann eine Kapsel auf eine andere Strecke abzweigen? Hier gibt es noch keine Lösungen. Genauso wenig kann man über die Kosten sagen.

    Integration: Wie beim Transrapid, für den einmal eine erste Strecke zwischen Berlin und Hamburg angedacht war, ist es auch beim Hyperloop. Wie lässt sich dieses System in das bestehende Verkehrsnetz integrieren? Denn es müssten dafür ganz neue Trassen gebaut werden, wie auch beim Transrapid. (mic)
 

Neu ist die Idee nicht. Etwas Ähnliches gab es seit dem 19. Jahrhundert als Rohrpost und wird zum Beispiel in Kliniken wie der Berliner Charité noch heute eingesetzt, um Blutproben oder Röntgenbilder rasch zwischen verschiedenen Stationen zu transportieren. Hyperloop aber soll größer werden und neben Fracht auch Menschen transportieren. So könnten die Fahrröhren aus zwei Zentimeter dickem Stahl bestehen und einen Durchmesser zwischen zwei und drei Metern haben. Aus diesen Röhren pumpt man so viel Luft heraus, dass der Druck auf vielleicht nur noch ein Tausendstel des normalen Wertes fällt und so die Fahrzeuge fast keinen Luftwiderstand mehr spüren.

Jetzt muss man den Geräten nur noch das Schweben beibringen, was ein Magnet im Fahrzeug übernehmen könnte. „Bewegt sich dieser Magnet über eine Aluminiumplatte am Boden der Röhre, entstehen dort Wirbelströme, die den Magneten und damit auch das Fahrzeug abstoßen“, erklärt Gabriele Semino. Das funktioniert umso besser, je schneller der Magnet sich bewegt. Zunächst bewegt sich das Fahrzeug daher auf Rädern und beschleunigt, bis die Abstoßung groß genug ist, um die Konstruktion über dem Aluminiumband schweben zu lassen.

 
 

Noch ist das aber nur Zukunftsmusik. Zunächst einmal haben die Studenten in einer 1200 Meter langen Röhre in Kalifornien ihre Fahrzeuge getest. Allerdings sind diese Gefährte weit entfernt von den Karosserien, die vielleicht 2030 die ersten Menschen oder Fracht durch ein Hyperloop-System transportieren sollen. In ihr 2,40 Meter langes und je 40 Zentimeter breites und hohes Fahrzeug haben die TUM-Studenten zwar einen Sitz installiert. Auf dem nahm aber nur ein Plüschbär, mit einer für eine bayerische Universität standesgemäßen Lederhose bekleidet, Platz. „Wir wollten ja nur zeigen, dass die Technologie machbar ist“, erklärt Gabriele Semino. Und das haben die Münchener Studenten bewiesen. Belohnt wurden die Jungforscher nicht nur mit Ruhm und Ehre, sondern auch mit einem Handschlag von Elon Musk.

Der Rekord müsste allerdings noch deutlich eingestellt werden. In zwölf oder 15 Jahren sollen die Hyperloop-Fahrzeuge mit 1200 km/h durch die Röhren sausen. Die stehen auf Stahlbetonstützen zum Beispiel entlang einer Autobahn, um Raum und Grunderwerbskosten zu sparen. Damit wäre Hyperloop schneller als ein Flugzeug und sollte billiger als die Eisenbahn sein, hofft Elon Musk. Oben auf den Röhren stellt er sich Solarzellen vor, die vielleicht sogar mehr Energie liefern, als das System braucht.

Die Magnetschwebebahn Transrapid fährt bisher nur in Schanghai.
Die Magnetschwebebahn Transrapid fährt bisher nur in Schanghai. | Bild: AFP

Und wo sind die Haken der schönen neuen Hyperloop-Welt? Der Leiter der Personenverkehrsabteilung des Instituts für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Tobias Kuhnimhof, zuckt die Schultern: „Ich kenne keinen Kollegen, der Hyperloop genau untersucht hat.“ Dabei drängen sich Fragen auf: Wie können die Passagiere bei einem Unfall aus einer fast luftleeren Röhre evakuiert werden? Wie sehen Weichen oder Abzweigungen aus? Wie teuer kommt Hyperloop? Sind die Röhren und die Betonträger, deren Bau sehr viel Energie kostet und der gleichzeitig große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid freisetzt, für die Umwelt wirklich besser als der Flugverkehr? „Um solche Fragen zu beantworten, müssen wir erst einmal wissen, ob und wie Hyperloop überhaupt funktioniert“, meint Gabriele Semino lapidar. Dieses „Alles zu seiner Zeit“ klingt durchaus sinnvoll: Als die Gebrüder Wright Anfang des 20. Jahrhunderts den Motorflug erfanden, hat sich ja auch niemand Gedanken gemacht, wie man am neuen Berliner Flughafen im 21. Jahrhundert einmal die Sprinkleranlage und die Lüftung für den Brandschutz zum Funktionieren bringt.

Die Darstellung zeigt die Hyperloop-Röhre vor dem Hintergrund der Golden-Gate-Brücke in Kalifornien.
Die Darstellung zeigt die Hyperloop-Röhre vor dem Hintergrund der Golden-Gate-Brücke in Kalifornien. | Bild: HTT