Thomas Bremser und Andrej Sokolow, dpa

Alles beginnt mit einem „Hallo!“. Max Koziolek tippt die Begrüßung in eine Maske in seiner Software – und lässt gleich weitere folgen. „Guten Tag!“, „Hi!“, „Grüß Gott!“. Die Maschine wird dann eines der Worte auswählen. Koziolek programmiert einen Chatbot – eine Software, die sich im Netz mit Menschen unterhält. Er ist Chef des Berliner Start-ups Spectrm. Es hilft Medienunternehmen, ihre Inhalte in einfachen Dialogen rüberzubringen. Wie etwa: „Möchtest du mehr darüber erfahren?“ Je nachdem, ob der Nutzer „Ja“ oder „Nein“ eintippt, wird der nächste Informationsschnipsel eingeblendet.

Bots sind ein Netz-Phänomen mit entsprechendem Hype. Schon jetzt kommen wir immer wieder mit ihnen in Kontakt, zum Beispiel wenn man Assistenten wie „Siri“ oder „Alexa“ nach dem Wetter fragt. Und in Zukunft wird man noch häufiger auf Bots treffen. Etwa wenn Dialog-Software in großem Stil im Kundendienst von Unternehmen die Call-Center ersetzt. Die Kehrseite des Trends ist die Angst vor Bot-Armeen, die Wahlen beeinflussen, indem sie die öffentliche Meinung manipulieren.

Hinter den heutigen Bot-Konversationen steckt noch mehr Mensch als Maschine. „Die Antworten, die ein Chatbot gibt, müssen auf irgendeine Weise von Menschen erstellt werden“, sagt Koziolek. Chatbots, die selbst Inhalte formulieren und eine Unterhaltung führen können, seien zwar definitiv das Ziel. „Das wird früher oder später kommen.“

Mit Social Bots kann man normale Unterhaltungen führen.
Mit Social Bots kann man normale Unterhaltungen führen. | Bild: dpa

Auch wenn heutige Chatbot-Kontakte simpel anmuten, der Aufwand dahinter ist groß. Immer wieder versuchten Nutzer, vom geplanten Dialogpfad abzuweichen – „auszubrechen“, wie Koziolek es nennt. Was macht man dann? Eine Lösung ist, die Frage einfach zu wiederholen. Oder der Bot fischt eine freche Bemerkung aus seinem vorprogrammierten Satz-Fundus. „Das hängt davon ab, welche Persönlichkeit man dem Bot geben will.“

Persönlichkeit? Soll ein Chatbot menschlich rüberkommen? Hier scheiden sich die Geister. Koziolek ist dafür: „Wenn man den Bot menschlicher erscheinen lässt, funktionieren viele Sachen einfach besser.“ Internet-Investor Phil Libin, der gerade in San Francisco ein Studio für Bot-Entwickler aufbaut, ist ganz anderer Meinung. „Wenn ich als Nutzer auf einen Chatbot treffe, will ich meistens nur ein Problem gelöst haben. Dafür muss er nicht einen Menschen imitieren.“

 

Wie man Bots erkennen kann


Was unterscheidet einen menschlichen von einem künstlichen Twitter-Nutzer? Kann ich Social Bots sogar selbst aufspüren? Ja, das kann man. Einige Kriterien helfen, die Bots zu entlarven:
  • Ein Account hat kein Profilbild...

    Ein Account hat kein Profilbild, dann kann er ein schlicht gemachter Bot sein: „Hier sollte man als Erstes skeptisch werden“, sagt der Bot-Experte Christian Stöcker von HAW (Hochschule für angewandte Wissenschaft) Hamburg.
  • Die Twitter-Biografie ist nicht ausgefüllt...

    Die Twitter-Biografie ist nicht ausgefüllt oder macht sprachlich keinen Sinn: „In der Biografie eines Bots, der mich bei Twitter angeschrieben hatte, stand: ‚Ich bin ein junger Vater einer Familie und liebe den Kuchen.’ Spätestens an dieser Stelle ist klar, dass das eine mit einer Übersetzungssoftware erstellte Biografie ist“, berichtet Stöcker.
  • Das Profil folgt vielen anderen Accounts...

    Das Profil folgt vielen anderen Accounts, hat aber kaum eigene Follower: Ein typisches Bot-Merkmal. Außerdem werden von dem Profil ungewöhnlich viele Tweets abgesetzt. „Ein Account, der pro Minute einen Tweet schreibt, 24 Stunden am Tag, kann eigentlich kein Mensch sein“, so Stöcker. Auch verdächtig: Das Profil retweetet deutlich mehr, als eigene Tweets zu schreiben. „Denn das ist für einen Bot viel einfacher“, erklärt Stöcker.
  • Eine feste Kombination von Hashtags...

    Eine feste Kombination von Hashtags spricht auch für einen Bot. Stöcker dazu: „Das ist bei Bots gängig, um bestimmte Hashtags populär zu machen.“ (dpa)
 

Wer sich schon von der Idee her als Mensch ausgibt, sind die sogenannten Social Bots, die Online-Netzwerke wie Facebook und Twitter mit Einträgen fluten. Spätestens seit der auch stark durch Internet-Kampagnen entschiedenen US-Präsidentenwahl gelten sie als Schreckgespenst für die Demokratie. Amerikanische IT-Sicherheitsexperten vermuten hinter Tausenden Profilen zwar weniger Automaten, sondern eine Legion günstiger Arbeitskräfte, die nach Vorgaben Botschaften in Smartphones tippen. „Einmal haben sie vergessen, das GPS von einem solchen Telefon abzuschalten. Es befand sich in Sankt Petersburg“, sagt ein ranghoher US-Fachmann.

Der Bot-Jäger

Die Gefahr der automatisierten Stimmungsmache bringt auch Bot-Jäger wie Christian Stöcker auf den Plan. Schon in seiner Zeit als Journalist beschäftigte er sich mit dem Thema. Heute ist er Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg und informiert als Experte politische Entscheider in Berlin darüber, welche Auswirkungen Bots haben können. Und wie man sie aufspürt. Dazu läuft in Hamburg ein Forschungsprojekt. Stöckers Kollegen entwickeln ein System, das Bots enttarnen kann.

Der Gründer des Start-ups Spectrm, Max Koziolek, programmiert einen Chatbot.
Der Gründer des Start-ups Spectrm, Max Koziolek, programmiert einen Chatbot. | Bild: Gregor Fischer/dpa

„Bots sind ein bewegliches Ziel“, sagt der Bot-Jäger in Hamburg. Entwickler bauen immer ausgefeiltere Netze, um unentdeckt zu bleiben. Damit sind die Gejagten ihren Verfolgern meist einen Schritt voraus. Noch. Das wurmt den 44-Jährigen. Er gestikuliert, beschreibt eigene Erfahrungen mit Bot-Accounts. Vor allem auf Twitter, wo viele lauern. Am Tag der Brexit-Entscheidung schrieben ihn mehrere angebliche Nutzer aus Großbritannien mit immer der gleichen Frage an: „Wird Angela Merkel den Brexit akzeptieren?“ Am Ende fand Stöcker heraus: Mehrere deutsche Journalisten wurden von 40 Accounts angetwittert – mit der gleichen Frage. Wohl in der Hoffnung, dass Meinungsführer den Satz retweeten oder in ihre Berichterstattung aufnehmen. Und so eine angebliche Sorge der britischen Bevölkerung transportieren.

Sind die Bots also Meinungsmacher-Maschinen? Stöcker ist fasziniert. Die Diskussion über Social Bots mündet für ihn am Ende in eine grundsätzliche, moralische Frage: „Habe ich als Mensch das Recht zu wissen, ob ich mit einer Maschine kommuniziere oder nicht?“ In nicht allzu ferner Zukunft müsse das die Gesellschaft für sich entscheiden. Am Ende vielleicht die Politik.

Die Hamburger Forscher tauschen sich mit anderen Experten aus, die weltweit auf der Bot-Jagd sind. Die Software „Bot or Not“ und mehrere Internetseiten versuchen ebenfalls, falsche Twitter-Nutzer aufzuspüren. „Botwatch.de“ analysiert zum Beispiel Tweets zu Polit-Talkshows auf mögliche Bots. Eines der Ergebnisse: Nach einer „Anne Will“-Sendung im Dezember 2016 kam fast jeder fünfte Tweet mit dem Hashtag „#annewill“ mutmaßlich von einem Bot. Die Macher der Seite definieren diese beispielsweise als Accounts, die durchschnittlich 50 oder mehr Tweets am Tag und/oder 50 oder mehr Likes am Tag vorweisen.

Es lebe der gute Bot

Dass wir in absehbarer Zukunft in vielen Lebensbelangen zunehmend häufiger mit Maschinen Kontakt haben werden, scheint klar. Facebook will mit seinem Kurzmitteilungsdienst Messenger ein Vorreiter dabei sein. Die Plattform soll zum Ort werden, an dem Unternehmen über Bots mit ihren Kunden kommunizieren, beschreibt Messenger-Chef David Marcus die Vision. „Keine Warteschleifen im Call-Center mehr. Stattdessen hat man als Kunde auch gleich alle nötigen Daten und Unterlagen an einem Ort.“

Über 30 000 Bots, bei denen man sich zum Beispiel übers Wetter informieren kann, sind bereits auf der Messenger-Plattform aktiv. Zudem arbeitet Facebook an einem eigenen Super-Bot, einem persönlichen Assistenten mit dem Namen „M“. Er soll wie eine Art Butler dienen: Restaurant reservieren, Klempner-Termin, Taxi bestellen: „M“ kümmert sich darum.

Der Gründer und Geschäftsführer des Start-ups «Spectrm», Max Koziolek.
Der Gründer und Geschäftsführer des Start-ups «Spectrm», Max Koziolek. | Bild: dpa

Dabei lernt die Software mit der Zeit, was in gewissen Situationen zu tun ist. Und zwar von menschlichen Mitarbeitern, die erst selbst für die Nutzer den Butler spielen. Eine Besonderheit dabei: „Wir wissen zwar, wie die Software lernt. Aber wir wissen vorher nicht, was sie lernen wird“, sagt Produktchef Stan Chudnovsky. Die Ergebnisse fielen oft überraschend aus. Hinter den selbstlernenden Chatbots stecken neuronale Netze, die im Prinzip dem menschlichen Nervensystem und Gehirn nachgebildet sind. „Wie bei einem Kind“, sagt Koziolek. Menschen neigten dazu, Computer zu vermenschlichen. „Es ist erstaunlich, wie viele von unseren alltäglichen Gesprächen mechanisch ablaufen: Hallo! – Hallo! – Wie geht’s? – Danke gut.“ Für eine Software sei es nicht so schwer, eine bessere Unterhaltung zu führen.