Die Corona-Pandemie ist vorüber, aber das Virus ist nicht verschwunden. Ähnlich wie bei der Grippe wird gefährdeten Gruppen deshalb geraten, den Impfschutz zu erneuern – möglichst im Herbst. Am Montag ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (60) vorangegangen und hat sich in Berlin eine empfohlene Auffrischungsspritze gegen Sars-CoV-2 geben lassen. Ein neuer Impfstoff steht auch den Arztpaxen zur Verfügung.
Im Herbst werde es wieder „sehr viele Fälle einer Corona-Infektion“ geben, sagt Lauterbach voraus. Deutschland sei aber durch eine bessere Beobachtung der Infektionslage und eine Grundimmunität in der Bevölkerung „sehr viel besser vorbereitet“. Er glaube deshalb nicht, dass erneut Maßnahmen „im Sinne von Kontaktbeschränkungen“ nötig sein würden, so der SPD-Politiker.
Um was für einen neuen Impfstoff handelt es sich?
Um ein nochmals weiterentwickeltes Präparat von Biontech/Pfizer. Der Impfstoff wurde angepasst an die Omikron-Sublinie XBB.1.5. Erreicht werden soll damit ein besserer Schutz vor aktuell kursierenden Varianten, vor allem vor schweren Corona-Verläufen und Krankenhausaufenthalten.
Am Montag kam zuerst das Präparat für Menschen ab zwölf Jahren in die Praxen. Ab dem 25. September 2023 kann laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung der angepasste Impfstoff für Kleinkinder erstmals geliefert werden, ab 2. Oktober das Präparat für Kinder zwischen fünf und elf Jahren.
Wie viel neuen Impfstoff gibt es?
Für die Impfsaison 2023/24 sollen 14 Millionen Dosen des angepassten Biontech-Präparats zur Verfügung stehen. Ausgeliefert werden sollen sie laut Bundesgesundheitsministerium bis November. Kommen sollen 13,6 Millionen Dosen für Menschen ab zwölf Jahren, 300.000 Dosen für Kinder von fünf bis elf Jahren sowie 200.000 Dosen für Kleinkinder.
Wer sollte sich impfen lassen?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine jährliche Auffrischungsimpfung nach einer Grundimmunisierung nur noch Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und einem erhöhten Infektionsrisiko. Dazu zählen über 60-Jährige, Menschen im Alter ab sechs Monaten mit relevanten Grunderkrankungen (wie Bluthochdruck, Asthma, chronische Bronchitis, Diabetes, koronare Herzerkrankungen), Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen sowie medizinisches und pflegerisches Personal.
Gesunde Kinder und Jugendliche müssen sich nicht mehr impfen lassen. Außerdem richtet sich die Impfempfehlung an Angehörige von Risikopatienten – was die Gruppe deutlich vergrößern dürfte. Allen anderen zwischen 18 und 59 Jahren wird weiterhin eine Grundimmunisierung empfohlen.
Was bedeutet Grundimmunisierung?
Eine Grundimmunisierung besteht aus zwei Corona-Impfungen plus Auffrischungsimpfung, sofern die Betreffenden noch keine Covid-19-Infektion hatten.
Wann sollte die Auffrischungsimpfung erfolgen?
Auffrischungsimpfungen sollen das Gedächtnis des Immunsystems erneuern und den Schutz vor Infektion und schweren Krankheitsverläufen erhöhen. Eine solche Impfung soll in der Regel im Abstand von zwölf Monaten zur letzten Corona-Impfung oder Covid-19-Infektion erfolgen, vorzugsweise im Herbst.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt einen Mindestabstand von sechs Monaten. Hat man sich also gleich am Anfang (ab Dezember 2020) impfen lassen und sich im vergangenen Jahr nicht angesteckt, steht jetzt die Auffrischung an.
Wie laufen Impfungen jetzt eigentlich?
Die Organisation der Corona-Impfungen war zu Ostern vom Krisenmodus in die reguläre Versorgung in den Praxen übergegangen. Rahmen für den Anspruch auf kostenlose Impfungen ist nun eine Richtlinie, die sich an den Stiko-Empfehlungen orientiert. Laut einer Bundesverordnung sind Impfungen auf Kassenkosten aber auch darüber hinaus möglich, wenn eine Ärztin oder ein Arzt es für medizinisch erforderlich hält.
Die Organisation wird dadurch komplizierter, dass der neue Impfstoff nicht als Einzeldosis kommt, sondern in Fläschchen mit sechs Dosen. Praxen müssen so oft erst genügend Impf-Interessenten dafür sammeln.
In Bundesländern, in denen die Vergütung für die Corona-Impfung noch nicht geregelt ist, bekommen Patientinnen und Patienten vorerst eine Privatrechnung. Diese können sie dann zur Erstattung bei der gesetzlichen Kasse einreichen. Das ist etwa in Hessen der Fall. Der Betrag, den Patientinnen und Patienten vorstrecken müssen, könnte nach Schätzung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen bei knapp 35 Euro liegen.
Kann die Auffrischimpfung zeitgleich zum Grippeschutz erfolgen?
Ja. Alle Covid-19-Impfstoffe können zusammen mit einer Influenza-Impfung gegeben werden. Lediglich beim Corona-Impfstoff Nuvaxovid der Firma Novavax soll ein Abstand von 14 Tagen eingehalten werden.

Kommt noch anderer angepasster Impfstoff?
Für die Impfsaison erwartet werden – vorbehaltlich einer Zulassung durch die EU-Kommission – auch 10,6 Millionen Dosen der an XBB.1.5. angepassten Impfstoffe des Herstellers Novavax. Sie sollen voraussichtlich im vierten Quartal 2023 zur Verfügung stehen. Erst vergangene Woche hatte die EU-Kommission einen adaptierten Impfstoff von Moderna zugelassen.
Wie steht es um das Infektionsgeschehen?
Die Ruhe des Sommers scheint vorbei: Die Zahl der offiziell im Labor bestätigten Corona-Infektionen nimmt bereits seit einigen Wochen wieder deutlich zu. Zwischen Anfang August und der Woche bis 10. September haben sich die wöchentlichen Werte mehr als verdreifacht. Eine hohe Dunkelziffer von nicht per PCR-Test bestätigten Fällen ist anzunehmen, weil viel seltener auf Corona getestet wird als zu Hochzeiten der Pandemie.
Welche Corona-Variante ist gerade vorherrschend?
In Deutschland zirkulieren derzeit verschiedene Varianten. Die Linien EG.5 (auch Eris genannt) und XBB.1.16 wurden in der Woche bis 3. September je mit einem Anteil von knapp 23 Prozent nachgewiesen, wie das Robert Koch-Institut berichtet. Auch die stark mutierte Variante BA.2.86 (Pirola) ist hierzulande angekommen.
Mittlerweile werden allerdings nur noch wenige positive Proben auf Varianten untersucht. Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek sagte kürzlich, sie sei relativ entspannt, solange Omikron zirkuliere. Sie sehe dann keine Gefahr, dass sich die Situation stark verändere oder dass noch einmal staatliche Maßnahmen verhängt würden.
Droht im Herbst und Winter noch einmal eine heftigere Welle?
Das lässt sich schwer sagen. Es hängt auch davon ab, ob noch einmal eine Variante auftaucht, die das Immunsystem austricksen kann. Fachleute gehen bisher von einer breiten Grundimmunität durch Impfungen und Infektionen in Deutschland aus. Dennoch kann man sich anstecken.
Erwartet wird aber, dass grundsätzlich gesunde Menschen in der Regel nicht mehr so schwer erkranken, dass sie ins Krankenhaus oder gar auf die Intensivstation müssen. Gesundheitsminister Lauterbach betont zugleich: „Covid ist keine Erkältungskrankheit.“ Ansteckungen brächten das Risiko von Long Covid mit sich.