Am Telefon klingt ihre Stimme noch immer vertraut – und doch anders. Vertraut, weil Jacqueline Straub nach wie vor lossprudelt und voller Ideen steckt. Und anders, weil sie inzwischen mit kräftigem Schweizer Akzent spricht. Die 29-Jährige ist nicht mehr Studentin der Theologie, sondern berufstätig – und zwar in der nahen Schweiz. Und da nimmt man den gemütlichen Tonfall der Eidgenossen schnell an.
2016 begann die bemerkenswerte Laufbahn der gebürtigen Pfullendorferin. Die überzeugte Katholikin erklärte damals schlicht und einfach: „Ich will Priesterin werden.“ Die Forderung ist nicht neu, doch wurde sie selten so frisch und unbekümmert vorgetragen. Jacqueline Straub boxt in ihrer Freizeit, sie trägt gerne Jeans mit Löchern und schminkt sich kräftig. Es traf sich günstig, dass ihre Schwester Meli als Fotografin mit eigenem Studio arbeitet und eine Reihe munterer Porträts der Studentin anfertigte.

Sie ist das Gesicht einer Bewegung
Während ihre Mitstudenten die Dogmatik studierten, wanderte Straub durch Talkshows und gab Interviews. Sie wurde bekannt und zum Gesicht eines alten, aber immer wieder verschütteten Wunsches: Lasst Frauen an den Altar, gebt ihnen die priesterliche Vollmacht.
Einer ihrer Professoren, der ihr wohlgesonnen ist, gab ihr folgenden Rat: Suchen Sie sich nach dem Magister-Abschluss einen Beruf zur Überbrückung. Etwas halbwegs Solides, einen Brotberuf. Denn mit dem Frauenpriestertum wird es in der katholischen Kirche so schnell nichts. Das machte erst vor einigen Tagen das Schreiben von Papst Franziskus zur Amazonas-Synode deutlich.
Von der Theologie zum Boulevard
Die Theologin beherzigte den Rat und entschied sich für Journalismus. Das ist ihr persönlicher Plan B. Erst beim Schweizer Sender SRF, jetzt bei einem Gratis-Magazin. Seit Januar steht sie bei „20 Minuten“ unter Vertrag, einer Boulevardzeitung im handlichen Heftformat, die an vielen Bahnhöfen der Schweiz kostenlos ausliegt. Die Auflage liegt bei knapp einer halben Million, das meistgelesene Druckwerk der Schweiz.

Im Gespräch mit dieser Zeitung berichtet sie begeistert von ihrer Arbeit. Sie hat das Talent, in allen Dingen zuerst das Positive zu sehen. „Ich kann bei ‚20 Minuten‘ auch gesellschaftliche Themen einbringen,“ sagt die Redaktorin, wie ihr Job in der Schweiz heißt. Kürzlich porträtierte sie einen jungen Mann, bei dem ein Gehirntumor diagnostiziert worden war.
Verheiratet in Muri
Inzwischen ist sie verheiratet. Matthieu heißt er, einfach Matthieu. Die beiden wohnen in Muri im Kanton Aargau. Die Schweiz lag nahe, da sie über die Mutter bereits die Schweizer Staatsbürgerschaft erwarb. So ist sie in der glücklichen Lage einer doppelten Staatsbürgerschaft, gesteht aber ein: „Schwaben ist halt schon schön.“
Sie ist eine gefragte Predigerin
Ihren A-Plan hat sie darüber nicht vergessen. Sie will weiterhin für das Priestertum der Frau kämpfen, auch wenn die Zeitumstände momentan gegen ihr Anliegen sprechen. Etwas anderes richtet sie auf: Als Rednerin ist sie nach wie vor gefragt. Bei den katholischen Frauen, die in Lauchringen für Maria 2.0 werben, war sie schon als Referentin. Bei den Kanzelpredigten in Donaueschingen stieg sie die schmale Treppe hoch, um von oben ihre Rede zu halten. Immerhin diese Stufe hat sie bereits genommen, war das Predigen früher doch Männern vorbehalten. Auch in Schweizer Gemeinden wird sie häufig um eine geistliche Ansprache gebeten. Was sie gerne macht.
Noch etwas wird deutlich im Gespräch: Mit Jacqueline Straub ist auch in Zukunft zu rechnen. Nur wechselt sie ihre persönliche Strategie. Sie verbrennt sich nicht in frontaler Theologie, wie das viele kluge Frauen vor ihr taten, um dann immer wieder an den Mauern der Männer zu zerschellen. Vielmehr weicht sie in einen Brotberuf aus, ohne das langfristige Ziel zu vergessen. Oder, wie sie es sagt: „Auch als Journalistin kann ich Seelsorge zu betreiben...“ Ihre Methode erinnert an das biblische Motto: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“.