Journalisten in Italien betreuen drei Staaten: Einmal die Republik Italien selbst, dann San Marino als Stadtstaat auf dem steil ansteigenden Felsen. Und den Vatikanstaat, der sich auf 44 Hektar ausbreitet und etwa 1000 Bewohner zählt – darunter auch den ehemaligen Papst Benedikt mit Georg Gänswein. Zweifellos ist der dritte Staat jenseits der Alpen am spannendsten. Was an wirklichen und vermeintlichen Geheimnissen hinter päpstlichen Mauern fabriziert wird, findet neugierige Abnehmer.

Papst Franziskus (Mitte) geht mit zwei Bischöfen durch die Vatikanstadt.
Papst Franziskus (Mitte) geht mit zwei Bischöfen durch die Vatikanstadt. | Bild: Giuseppe Lami

Eine ganze Reihe namhafter Autoren hat sich auf den Kirchenstaat spezialisiert. Die Vatikanisten hören das Gras wachsen zwischen Petersplatz und Sixtinischer Kapelle, sie kennen wichtige Mitarbeiter der Kurie und begleiten den Papst auf Auslandsreisen. Ihre Tätigkeit ähnelt den Kremologen, die im Kalten Krieg den Kreml und seine roten Zaren beobachteten: Aus kleinen Zeichen destillierten sie ihre Folgerungen.

Ohne Phantasie geht nichts

Der Vatikanist ist ein Künstler. Aus überschaubaren Fakten schreibt er eine Story zusammen. Da er kaum Gelegenheit hat, mit dem Papst zu sprechen, arbeitet er mit Phantasie, Erfahrung und mit eigenen Schlussfolgerungen. Er ist auf Spekulation angewiesen; das hat er mit einem Theologen gemeinsam.

Papst Franziskus (rechts) spricht bei seiner wöchentlichen Generalaudienz in der Vatikanischen Audienzhalle mit Georg Gänswein, ...
Papst Franziskus (rechts) spricht bei seiner wöchentlichen Generalaudienz in der Vatikanischen Audienzhalle mit Georg Gänswein, Kurienerzbischof und Präfekt des Päpstlichen Hauses. Inzwischen konzentriert sich Gänswein auf den früheren Papst Benedikt. | Bild: ALESSANDRA TARANTINO

Die Spielregeln sind streng. Als der Rom-Reporter Sandro Magister aus einer Enzyklika zitierte, obwohl diese noch nicht öffentlich war, verlor er seine Akkreditierung. Damit war er berufsunfähig. Ein Jahr später erhielt der Italiener wieder Zugang. Im päpstlichen „Jahr der Barmherzigkeit“ wurde Magister gnadenhalber wieder zugelassen.

Einer der interessantesten Vatikan-Autoren ist Marco Politi.
Einer der interessantesten Vatikan-Autoren ist Marco Politi. | Bild: Marco Politi

Einer der spannendsten Papst-Versteher ist Marco Politi. Der Italiener schreibt ausschließlich über den Vatikanhügel und seine Bewohner. Die deutsche Übersetzung seines neuen Buches kam vor einigen Tagen auf den Markt mit dem bezeichnenden Titel „Das Franziskus-Komplott“ (im Herder Verlag). Die Überschrift weist die Richtung: Die Purpurfedern übertreiben gut und gerne, um die oft trockene Materie lebendig zu gestalten. Ein anderes Buch Politis heißt „Franziskus unter Wölfen“. Der Richtungsstreit der Kardinäle wird bei ihm zum „Bürgerkrieg„. Sein Fazit: Von Franziskus könne man noch Überraschungen erwarten.