Theresa Schopper macht im Landtag plötzlich einen Ausflug in ihre Kindheit. Sie erzählt, wie sie früher als Mädchen mit ihrem Vater, einem passionierten Angler, des Öfteren an einem See im Allgäu saß und für ihn die Würmer aus der Dose holte, damit er diese an den Haken als Köder hängen konnte. „Da habe ich gelernt, dass der Wurm nicht mir, sondern dem Fisch schmecken muss“, sagt die Kultusministerin.

„Das war unter der Gürtellinie“

Damit zurück zur Pressekonferenz vor dem neuen Schuljahr und der Frage, wie Schopper die unverhältnismäßig schroffe Kritik der Bildungsverbände an ihrer Lehrerkampagne empfunden hat, um Seiteneinsteiger zum Umstieg zu bewegen. Da waren Wörter gefallen wie „Dummdreistigkeit“ und „Blödheit“. Schopper ist ehrlich und sagt: „Das war unter der Gürtellinie.“ Vor allem habe sie sich darüber empört, dass mit diesen Aussagen die Mitarbeiter im Kultusministerium angegriffen worden seien. „Ich muss das aushalten, wenn man mich von links nach rechts zieht.“ Aber nicht die Beamten.

700 potenzielle Quereinsteiger zeigen in Interesse

Die Kampagne sei erfolgreich gewesen und habe ihr Ziel erreicht, hebt Schopper hervor, „sie hat den Fischen geschmeckt“. Also den Interessierten, die sich vorstellen können, künftig als Lehrer zu arbeiten. Mehr als 70 000 Menschen haben die Seite bisher angeklickt. Etwa 700 von ihnen haben sich neu für eine Vertretungstätigkeit registriert.

Wo es überall hakt an den Schulen im Land:

Die Lehrerversorgung bleibt trotzdem auch im neuen Schuljahr angespannt, gibt Schopper zu. Das Land sucht neue Pädagogen, vor allem an den Grund- und Sonderschulen. Dass weniger Stellen offen sind als zum gleichen Zeitpunkt im vergangenen Jahr, freut sie, aber sie weiß selbst: eine Trendwende ist das noch nicht.

Die umstrittene Kampagne des Kultusministeriums zur Anwerbung von mehr Lehrerinnen und Lehrern. Bild: dpa
Die umstrittene Kampagne des Kultusministeriums zur Anwerbung von mehr Lehrerinnen und Lehrern. Bild: dpa | Bild: IMAGO/Arnulf Hettrich

Das werfen ihr auch die Bildungsverbände vor, die mehr Geld fordern für Bildung, mehr Studienplätze und eine bessere Unterstützung der Lehrer. Das Übliche eben. „Ich kenne die Forderungskataloge“, sagt Schopper. „Ich bin mit ihnen im Austausch, aber alle ihre Wünsche kann ich ihnen nicht erfüllen.“

Lehrer haben Stundenzahl erhöht

Über alle Schularten hinweg fehlen derzeit noch 565 Lehrer – etwa 300 weniger als im September 2022. Das liegt zum einen daran, dass das Land die Studienplätze erhöht hat und nun fast 1000 Berufsanfänger an den Grundschulen eine feste Stelle beginnen können und an der Bereitschaft einiger Lehrkräfte ihre Stundenzahl zu erhöhen. Aber gleichzeitig müssen an den Grundschulen noch immer 120 Stellen besetzt werden, an den Haupt-, Real- und Gemeinschaftsschulen sind es sogar 135. Vor allem im Raum Stuttgart, dem Rhein-Neckar-Kreis, im Schwarzwald, auf der Alb und am Bodensee ist der Bedarf groß.

51.000 Kinder zusätzlich zu unterrichten

Neben dem Lehrermangel, der zusätzlich durch die knapp 51.000 Flüchtlingskinder verstärkt wird, will Schopper vor allem die Qualität erhöhen und die Bildungsgerechtigkeit verbessern. Das sind zwei Themen, die ihr persönlich am Herzen liegen.

„Denn“, sagt die Grüne, „wir können es uns nicht leisten, dass 20 Prozent der Kinder nicht mal die Mindestanforderung beim Lesen und Schreiben schaffen und weitere 20 Prozent nicht den Regelstandard erreichen.“ Das schade den Kindern und der Wirtschaft im Land. In den Bildungsranglisten nimmt der Südwesten schon länger keine vorderen Plätze mehr ein.

Theresa Schopper (Bündnis 90/Die Grünen), Kultusministerin von Baden-Württemberg
Theresa Schopper (Bündnis 90/Die Grünen), Kultusministerin von Baden-Württemberg | Bild: Bernd Weißbrod, dpa

Um in der Tabelle aufzusteigen und sich vielleicht sogar auf längere Sicht wieder die Qualifikation für die Champions League vorzunehmen, führt das Ministerium zum neuen Schuljahr einige Neuerungen ein. Schüler in der Grundschule müssen mindestens zweimal die Woche laut vorlesen.

Außerdem hat das Land die datengestützte Qualitätsentwicklung gestartet, um anhand eines digitalen Datenblatts nicht nur verlässliche Aussagen über die bestehende Situation an der Schule zu erhalten, sondern daraus konkrete Maßnahmen abzuleiten, um Defizite zu beheben.

Auch die Stadt Singen profitiert

Das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg hat einen Sozialindex erarbeitet, um durch gezielte und bedarfsgerechte Zuweisung von Ressourcen mehr Bildungsgerechtigkeit zu erreichen. Noch immer hänge der Bildungserfolg von der sozialen Herkunft ab, sagt Schopper. „Das wollen wir ändern.“ Dazu ist der auf vier Jahre angelegte Modellversuch erweitert worden.

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Neben Lörrach, Biberach und Tübingen kommen nun fünf weitere Städte mit den höchsten Indexwerten in den Genuss, zusätzliche Mittel über das Schulamt beantragen zu können – darunter Heilbronn und Singen. Stellt eine Grundschule dort fest, dass sie noch eine Logopädin oder andere Spezialistin benötigt, werden sie diese leichter bekommen.

Arbeiten sollen Wissensstand von Grundschülern abfragen

In Baden-Württemberg gibt es keine verbindliche Grundschulempfehlung. Die Eltern melden ihre Kinder an der weiterführenden Schule an, die sie für richtig erachten. Um ihnen eine objektivere und vergleichbare Entscheidungsgrundlage bieten zu können, wird es im November künftig in Klasse 4 Arbeiten, Kompass 4 genannt, geben, die den Wissensstand abfragen und so eine bessere Orientierung ermöglichen.