Die Espan-Klinik in Bad Dürrheim begleitet Covid-Genesene auf dem Weg zurück in ihren Alltag, hilft ihnen wieder fit zu werden, den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu schaffen. 90 Patienten waren dort bislang in Reha – für mindestens drei Wochen, meist aber länger. Ganz einfach ist der Weg zurück ins normale Leben nicht, das wird aus den Gesprächen schnell klar. Bei den meisten dürfte eine Rückkehr ins Arbeitsleben vor Ende des Jahres kaum möglich sein. Dabei datieren ihre Ansteckungsfälle alle aus der Frühzeit der Corona-Ausbreitung in Deutschland.
Nicht weniger wichtig als die körperliche Fitness, ist die seelische. „Wir haben es mit denjenigen zu tun, die überlebt haben – und aus den Geschichten der Überlebenden lässt sich erfassen, mit welcher Dramatik es tatsächlich passiert ist“, sagt Günther Diehl, Psychologe an der Klinik.
Günther Diehl
| Bild: Angelika Wohlfrom
Bei den sechs Patienten der Espan-Klinik, die ihre Erlebnisse schildern, fällt auf, dass vor allem diejenigen unter Albträumen und Angstzuständen leiden, die im künstlichen Koma lagen. Das ist keine Besonderheit von Corona , sondern wurde schon vielfach beobachtet. Während der Körper in eine Art Schongang versetzt wird, arbeitet das Hirn, aber nimmt in einem permanenten Wachzustand mehr wahr, als man vermutet. Die dramatischen Erlebnisse, die sich in der Intensivstation abspielen, vermischen sich mit Hinzufantasiertem.
Gegenüber dem SÜDKURIER schildern sechs Patienten der Espan-Klinik ihre Erfahrungen im Wortlaut – die ausführliche Version öffnet sich durch einen Klick auf die grauen Boxen.
Christof Renz, 55, Oberarzt in der Unfallchirurgie, Balingen
Bild: Angelika Wohlfrom
Der Beginn: Zweimal negativ getestet Ich arbeite als Unfallchirurg in einer Klinik. Dort habe ich mich auch infiziert Anfang April. Beim Personal waren viele positiv, da gibt‘s etliche Möglichkeiten, wo ich mich angesteckt haben könnte. Es hat angefangen mit Husten und Fieber, ohne Auswurf. Ich bin zuhause geblieben und habe mich gleich in der Covid-Ambulanz vorgestellt. Ganz interessant: Die beiden Abstriche anfangs in meiner Erkrankung waren negativ. Ich blieb trotzdem brav zuhause und habe mich am Gründonnerstag noch mal in der Covid-Ambulanz vorgestellt, tags darauf ist das Fieber stark angestiegen und ich habe angefangen, Blut zu husten. Mit Koffer bewaffnet bin ich in meine Klinik. Der Verlauf: Elf Tage künstliche Lunge Die Symptome haben sich dann ständig verschlechtert. Ich kam auf die Intensivstation und bekam Maskenbeatmung – hat gar nichts gebracht. Dann hat man mich zwischen Ostermontag und Dienstag intubiert und maschinell beatmet – hat auch nichts gebracht. Im Verlauf des Dienstags hat man mich dann nach Tübingen an die Uniklinik verlegt. Dort habe ich dann sofort Organersatztherapie, die so genannte Ecmo bekommen, also eine künstliche Lunge. Für elf Tage. Danach hat man mich mit Notarztbegleitung wieder zurückgebracht in mein Heimatkrankenhaus. Da kam ich nochmal zwei Wochen auf Intensivstation, danach nochmal eine Woche auf Normalstation. Die Folgen: Kriegsfantasien und Venenthrombose Die Erlebnisse in den Akuthäusern, vor allem in Tübingen – die eine hervorragende Medizin betrieben haben, bitte nicht falsch verstehen, aber da bekommt man einfach viel mit. Man hört, was die Leute reden, ich habe auch optische Eindrücke aus der Zeit. Man träumt. Ich bildete mir ein, ich hätte einen schweren Arbeitsunfall und werde zerquetscht. Ich hatte Kriegsfantasien, massive Bedrohungen. Man ist während des künstlichen Komas halb da, halb weg. Als Vorerkrankungen können mein Übergewicht gelten und dass ich Raucher bin. An Spätfolgen blieben Kurzatmigkeit, das kann lange andauern. Aber es gibt keine Erfahrung mit der Erkrankung – deswegen kann man über die Aussichten schlecht etwas sagen. Als Begleiterkrankung habe ich noch eine Venenthrombose bekommen, seither nehme ich Blutverdünner und hoffe, das sich das wieder auflöst. Die Tübinger Uniklinik will mein Herz kontrollieren, weil die Erfahrung wohl zeigt, dass viele auch am Herzen einen Schaden davontragen. Die traumatischen Erlebnisse während dieser Zeit lassen sich nur schwer verarbeiten. Ich komme wochenweise gut damit zurecht, und dann kommt es wie ein Flashback zurück – und dann geht‘s einem schlecht. Zu den körperlichen Folgen hat mir ein Kollege neulich gesagt: Bei Dir wird es nur die Zeit bringen. Ich muss sicherlich an meiner Kondition arbeiten – und ansonsten Faktor Zeit. Heute endet meine zweite Reha. Wann ich wieder arbeiten kann, wird sich zeigen. Ins Auge gefasst habe ich Anfang November. Mein Beruf ist mir sehr wichtig, da möchte ich wieder hin.
Nobert Kuhne, 64, Maschinenbauer, Münstertal
Bild: Angelika Wohlfrom
Der Beginn: Erstmal Antibiotika Das fing bei mir Anfang März mit normalem Husten an, nach ein paar Tagen kam Fieber dazu. Mein Arzt meinte, es könnte eine Lungenentzündung sein und verschrieb mir Antibiotika. Als es nach einer Woche nicht besser wurde, überwies er mich an den Lungenfacharzt. Ich bin vorbelastet, weil ich im vergangenen Jahr Lungenkrebs hatte. Mein Lungenarzt hat mich nach Hause geschickt, weil da so ein Virus unterwegs sei. Er hat mir nochmals Antibiotika gegeben und mich für eine weitere Woche krankgeschrieben. Ende der Woche hatte ich dann 41 Fieber. Der Verlauf: Fünf Wochen Koma Dann bin ich in die Universitätsklinik nach Freiburg gekommen – und danach weiß ich erstmal nichts mehr. Ich war über fünf Wochen im Koma, erlitt während der Zeit ein Nierenversagen. Besuch hatte ich keinen, es durfte keiner kommen. Wobei ich sagen muss, dass sich die Uniklinik in Freiburg sehr um den telefonischen Kontakt zu den Angehörigen bemühte. Als mein Zustand nicht mehr lebensbedrohlich war, wurde ich in eine andere Klinik verlegt. Danach sollte ich in die Reha, obwohl ich weder stehen noch laufen konnte. Dort haben sie mich nochmal getestet – positiv. Und mich heimgeschickt, im Rollstuhl. Es hat 14 Tage gedauert, bis ich einigermaßen an Stöcken laufen konnte. Bis die Rentenkasse meine Reha hier in der Espan-Klinik genehmigte, vergingen zwei Monate. Ich habe zig mal angerufen, E-Mails geschrieben. Mein Chef hat mir dann geraten, mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde zu drohen – dann hat es geklappt. Die Folgen: Angstzustände, Taubheit in den Beinen Jetzt leide ich vor allem an Angstzuständen. Ich habe sechs oder sieben verschiedene Albtraum-Perioden hinter mir. Ich habe zum Beispiel geträumt, dass mich die Leute vom Krankenhaus umbringen wollten. Ich wollte abhauen, als ich im Koma lag. Ich habe noch Narben von der Fixierung an den Beinen. Ich hatte wirklich Todesangst und hatte die verrücktesten Träume. Ich habe geträumt, dass aus mir Nahrungsmittel gemacht werden, oder dass mein Körper zerkleinert und verstreut wird, um Sauerstoff zu erzeugen. Was Schwachsinn ist! Ich wollte sterben. Ich war nie ein ängstlicher Mensch, auf meinen Montagereisen im Ausland bin ich noch in alle Gegenden gegangen, habe mir alles angeschaut, egal wie gefährlich es dort angeblich war. Ich hatte nie Angst, aber jetzt habe ich Angst. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, hatte ich erstmal so viel mit mir selbst zu tun, dass ich die Träume verdrängt habe. Hier kommt das jetzt wieder zurück. Körperlich leide ich zum Beispiel an Taubheit in den Beinen, das kommt vermutlich von den Thrombosespritzen während des Komas. Ich hatte einen ganzen Monat lang ein lautes Knacksen im Ohr, das sich bei starken Umgebungsgeräuschen bis ins Unerträgliche steigerte. Mir fallen die Haare aus. Die Rückenschmerzen haben mit dem Wenden während des Komas zu tun.
Stefan Kieckbusch, 49, Informatiker, Ostfildern
Bild: Angelika Wohlfrom
Der Beginn: Fieber, Kurzatmigkeit negativer Test Bei mir war es zum Glück ein milder ernster Verlauf, was ich damals noch nicht wusste, weil ich diese schlimmen Fälle noch nicht kannte. Ich leide an Heuschnupfen, sonst habe ich keine Vorerkrankungen. Angesteckt habe ich mich bei meinem Sohn, dessen Kollegin nachweislich Covid hatte. Daraufhin war er kurz in Quarantäne und hat einen Test gemacht, der dann negativ war. Deshalb kam er nach Hause. Er hat sich lediglich zwei Tage ein bisschen merkwürdig gefühlt, dann war es durch bei ihm. Meine Frau fing irgendwann an mit Fieber und üblen Kopfschmerzen. Als es bei ihr gerade besser wurde, fing bei mir das Fieber an. Das war am Freitag, 17. März. Es fühlte sich an wie eine Grippe. Das Fieber blieb auch tagsüber bei über 39. Ich bin mit meinem Sohn zur Ärztin gegangen und unterwegs habe ich bemerkt, dass der mir wegläuft. Eigentlich untypisch. Als ich im zweiten Stock ankam, musste ich mich erstmal hinsetzen. Beim Abhören der Lunge war aber nichts festzustellen. Ich bekam ein fiebersenkendes Mittel verschrieben und habe mich am Flughafen Stuttgart testen lassen. Mittwochabend kam der Test: negativ. Komischerweise blieb das Fieber hoch. Der Verlauf: Die Ärztin erkennts Meine Ärztin war zum Glück beunruhigt und schickte mich zur Notaufnahme ins Krankenhaus. Beim Röntgen der Lunge haben sie eine Entzündung gesehen, mich gleich nochmal getestet und mich auf die Isolierstation gelegt. Nach zwei Tagen kam das Ergebnis: wieder negativ. Ich wurde dann in die Normalstation verlegt, an dem Tag ging‘s mir gut, weil ich fiebersenkende Mittel bekommen hatte. Ich habe mit meiner Frau telefoniert – und plötzlich kam die Stationsärztin rein und meinte, ich würde mich anhören wie ein Covid-Patient. Die Station war zwei Wochen zuvor noch Covid-Station gewesen. Deswegen haben die gehört, was bei mir los war. Ich habe beim Reden nach Luft gejapst, aber das selbst gar nicht mitbekommen. Auch das ist anscheinend typisch. Die Stationsärztin schickte mich also wieder zurück auf die Isolierstation. Für den nächsten Test musste ich etwas aushusten – und zwei Tage später war klar: In der Lunge sind die Coronaviren drin. Da bin ich in meiner Psyche kurz schon etwas eingeknickt. Allein meiner Verwandtschaft zu schreiben: Ich habe Corona. Danach hatte ich noch eine kritische Nacht, da habe ich die ganze Nacht über Radio gehört um wachzubleiben und mich vom Husten abzuhalten. Die Folgen: Kein Hunger, kaum Fortschritt Als diese Krise überstanden war, ging es jeden Tag aufwärts, aber sehr langsam. Man ist schon hilflos: Ich bin einmal im Krankenhaus ins Bad zum Zähneputzen und habe die Zahnpasta vergessen – und es war keine Option zurückzulaufen. Auch zuhause hatte ich lange keinen Hunger, selbst eine Scheibe Brot hab ich kaum geschafft. Abends dachte ich immer, es wird ein bisschen besser, aber morgens war der Fortschritt wieder weg. Insgesamt dauerte es fünf Wochen, bis ich das Gefühl hatte, ich kann wieder ein normales Leben führen.
Karl Baumann, 52, Unternehmer, Regensburg
Bild: Angelika Wohlfrom
Der Beginn: Nicht mal Zeit für Abschied Ich weiß, wo ich mich angesteckt habe: Wir waren beim Essen in einem Restaurant, in dem ein Gast Covid hatte und sich nicht an die Quarantäne hielt. Das war am 7. März. Die ersten Symptome haben meine Frau und ich am 12. März gehabt. Wir verloren den Geschmack, hatten Fieber. Bei mir ist es von Tag zu Tag schlimmer geworden. Meine Frau hat mich zur Uniklinik gefahren. Ein Influenzatest fiel negativ aus, den Covid-Test versuchte man bei mir auch mal – in der Phase war das noch kein großes Thema. Am nächsten Tag kam der Befund: positiv. Danach ist schlagartig schlechter geworden. Die Uniklinik wollte mich gar nicht annehmen, aber meine Frau hat sich geweigert, mich wieder mit nach Hause zu nehmen. „Der stirbt mir daheim“, sagte sie. Meine Frau konnte sich dann gar nicht mehr richtig verabschieden von mir. Der Verlauf: Abschiedsanrufe ohne Erinnerung Ich wurde direkt in die Lungenklinik nach Donaustauf verlegt. Irgendwann später bekam meine Frau einen Anruf: Sie solle doch mit dem Sohn einen Videoanruf machen bei mir, weil es schlecht ausgehen könnte. Ich kann mich an den Anruf noch erinnern. Danach habe ich anscheinend noch meine Eltern angerufen, aber das weiß ich nicht mehr. Dann hieß es: Wir verlegen Sie jetzt auf intensiv, was mir eigentlich wurst war. Ich hatte Blutverlust und einen Schlaganfall. Nach einer Woche fiel die Lunge zusammen und ich kam an die Ecmo – in Regensburg, da war gerade eine frei. Daran hing ich zehn Tage. Meine Frau musste als mein Betreuer eingetragen werden. Von all dem habe ich nichts mitbekommen, ich war ja drei Wochen lang im Koma. Aber ich habe danach die Berichte gelesen, die lesen sich wie ein Krimi. In Donaustauf musste man mich zuerst weiter beatmen, weil ich den Impuls verloren hatte. Als ich wieder zu Bewusstsein kam, fiel mir ein, dass der 50. Geburtstag von meiner Frau kurz bevorstand. Sie hatte immer gesagt, da wollte sie einen besonderen Geburtstag feiern – den hat sie dann auch gekriegt. Mein Ehrgeiz war, dass ich sie anrufen kann und darauf habe ich hingearbeitet. Da habe ich ihr mit Hilfe eines Sprechaufsatzes zum Geburtstag gratuliert. Meine Frau war natürlich aus dem Häuschen. Die Folgen: 20 Kilo weg, Haare ausgefallen, keine Kraft Im Koma habe ich 20 Kilo verloren. Nach sieben Wochen bin ich wieder nach Hause gekommen. Da sind mir die Haare ausgefallen. Albträume habe ich gehabt: Auf mich ist immer ein gehäutetes, blutiges Tier mit ganz langen Zähnen zugelaufen. Die Kraft ist weg – ich bin bei der Beinpresse immer noch bei null Kilo. Unter Belastung bin ich kurzatmig. Die Knochen und Gelenke schmerzen. Das Hirn arbeitet bescheiden, es fallen einem die einfachsten Wörter nicht mehr ein. Ich bin jetzt seit zwölf Wochen von der Familie weg. Besuch durfte ich in der Klinik keinen bekommen. Hier in Bad Dürrheim war meine Frau jetzt zwei mal, aber, ich muss Ihnen sagen: Das war anstrengend. Wir sind zum Titisee rausgefahren, aber die ganzen Menschen – Katastrophe! Ich bin eigentlich gerne unter Leuten. Ich habe zwei Firmen, eine Konstruktionsfirma und ein Veranstaltungsservice. Aber momentan fällt mir das einfach schwer. So schaut‘s aus. Vorerkrankungen hatte ich keine.
Sabine von Staa, 49, Arztsekretärin, Singen
Bild: Angelika Wohlfrom
Der Beginn: Im Krankenhaus angesteckt? Bei mir fing es am 14. März an. Vielleicht habe ich es mir im Krankenhaus geholt, mein Mann hatte kurz zuvor einen Herzstillstand. Am 17. März bekam ich Reizhusten, Durchfall und Fieber, später auch Geschmacksverlust. Ich war auf einmal richtig kaputt. Mein Arzt meinte, für einen Test wäre es noch zu früh. Trotz Antibiotikum wurde es immer schlechter. Ins Bad zu kommen – das ist im oberen Stockwerk – war ein Kampf. Ich habe mir eingeredet: Du hast kein Corona. Ich wollte stark sein für meinen Mann. Am Wochenende wurde es dann so akut, dass mir ein Notfallärztin in Schutzkleidung vorbeigeschickt wurde. Sie vermutete, dass ich Corona habe, und schrieb mir eine Einweisung ins Krankenhaus. Ich wollte aber noch meine Sachen richten, was ich kaum geschafft habe. Der Verlauf: Notruf in der Nacht und Nahtoderlebnis Irgendwann in der Nacht hatte ich so schwere Atemnot, dass ich den Notruf gesetzt habe. Im Krankenhaus wurde mein Sauerstoff gemessen – ich hatte noch 51 Prozent Sättigung. Beim CT stellte sich heraus, dass meine Lunge bereits klassisch befallen war. Ich bekam dann Sauerstoff und relativ schnell wurde ich ins künstliche Koma gelegt. Ich hatte kein Zeitgefühl, habe nichts mitbekommen. Aber ich habe wohl im Koma gesagt, dass ich sterben möchte. Ich hatte ein Nahtod-Erlebnis: Da kamen mein verstorbener Vater, meine Großeltern und die beiden Hunde von damals zu mir, in ein helles Licht getaucht – und mein Vater hat die Hand ausgestreckt. Ich hatte keine Angst, aber ich bin den Schritt nicht gegangen. Ich hatte aber auch richtige Albträume, in denen ich beim Einkaufen war und nach Hause wollte, aber dann auf einmal auf dem Band zur Kasse fixiert war. Ich konnte nicht um Hilfe schreien. Ich weiß, dass ich im Krankenhaus während des Komas fixiert war, weil ich mir zwei Mal sämtlich Zugänge gerissen hatte. Als ich wieder bei Bewusstsein war, konnte ich durch den Tubus nicht sprechen und auch zum Schreiben war ich zu schwach. Aber ich konnte auf unser Hochzeitsfoto deuten, das ich mit ins Krankenhaus genommen hatte. Das hat der Arzt verstanden und hat mir gesagt, dass mein Mann lebt und dass es ihm gut geht. Das war mir erstmal das Wichtigste. Die Folgen: Nichts halten können, Laufen lernen, Angst Ich war insgesamt 25 Tage im künstlichen Koma, hatte Nierenversagen, Blutverlust, habe in der Zeit 18 Kilogramm abgenommen. Nachdem der Tubus raus war, kam die Stimme erst langsam wieder. Ich konnte danach nichts mehr halten, nicht einmal die Schnabeltasse. Ich dachte, ich geh da als Pflegefall raus. Das hat mir schwer zugesetzt. Aber die haben mich sehr gut versorgt in Singen. Ich war über vier Wochen in der Intensivstation, danach auf der Isolierstation, aber hing immer noch am Sauerstoff. Um in die Reha-Klinik entlassen werden zu können, musste ich das Laufen mit Rollator mühsam trainieren. Meine Beine haben gezittert wie Pudding. Ich war vorher ein freudiger und mutiger Mensch, ich tauche seit 20 Jahren, habe mit Haien getaucht. Heute habe ich vor Kleinigkeiten Angst. Ich habe ganz schlimmen Haarausfall, eine leichte Fibrose auf der Lunge, Nervenstörungen, Taubheitsgefühl, Gedächtnisstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen. Ich bin jetzt schon zum zweiten Mal hier. Wichtig sind auch die psychologischen Gespräche. Ich möchte wieder ein Leben haben und in meinem Beruf arbeiten.
Andreas Laube, 62, Konstrukteur, Lichtenstein (bei Reutlingen)
Bild: Angelika Wohlfrom
Der Beginn: Erstmal kein Test Ich bin seit 2016 asthmakrank und habe die letzten Jahre immer wieder mit Bronchialinfekten zu tun gehabt. Ich bin in einer freien evangelischen Gemeinde sozial eingebunden mit meiner Familie. Da war ich in der zweiten Märzwoche noch zwei Abende. Ich habe damals schon gemerkt, dass ich mich nicht ganz wohlfühle, aber ich dachte, ich bin ja gegen Grippe geimpft. Am 12. März habe ich dann Fieber bekommen, meine Ärztin hat mich krank geschrieben. Ein Test wurde erstmal nicht gemacht, weil ich zuvor nicht im Risikogebiet war und auch keinen Kontakt zu nachweislich Corona-Positiven hatte. Das Fieber wurde immer höher und ich wurde ins Krankenhaus überwiesen. Da fiel der Test dann positiv aus. Der Verlauf: Die Seele aus dem Leib gehustet Ich hatte am Anfang kaum Husten, der kam dann erst. Ich habe einen Sauerstoff-Schlauch bekommen und Paracetamol, um das Fieber in Schach zu halten. Ich konnte mich in der Zeit gerade noch ins Bad schleppen, geduscht habe ich gar nicht. Ich habe mir fast die Seele aus dem Leib gehustet. Das hat mich so entkräftet, dass ich in den ersten drei Wochen elf Kilo verloren habe. Zwei Tage lang ging es darum, ob ich ins Koma gelegt werden muss. Eine Nacht hatte ich richtigen Schüttelfrost, so schlimm, wie ich das noch nie hatte. Aber von der Nacht an ging es aufwärts. Ich konnte dann wieder nach Hause und habe 14 Tage in Quarantäne verbracht. Was mir geholfen hat, waren Atemübungen, die ich schon kannte wegen meiner Schlafapnoe. Meine Cortisondosis musste erhöht werden. Ich war jetzt die ganze Zeit krankgeschrieben. Mein Arbeitgeber hat mir aber nie Druck gemacht, das hat mir Rückhalt gegeben. Was mich durchgetragen hat durch die Zeit, war aber auch mein Glauben. Ich weiß noch, in bin eine Nacht im Krankenhaus im Bett gelegen und dachte: Ich muss sterben. Aber ich weiß, dass ich dann zu Jesus komme, und das hat mir geholfen. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man positiv denkt. Die Folgen: Erschöpft, aber positiv gestimmt Inzwischen hat sich meine Atmung so verbessert, dass ich in der Rehaklinik meiner Gesundung den letzten Schliff geben kann. Ich möchte körperlich wieder kräftiger werden, ich war unheimlich schwach. Ich habe auch jetzt noch Erschöpfungszustände. Für die Klinik bin ich dankbar, ich fühle mich verstanden und angenommen. Ich denke, die Erfahrung Rückhalt zu haben, ist ganz wichtig. Ich hoffe, dass ich bald wieder so hergestellt bin, dass ich konzentriert arbeiten kann. Dass ich hin und wieder noch Orientierungsausfälle habe, und im Flur in die falsche Richtung laufe, das verbuche ich als lustiges Erlebnis. Ich habe mir vorgenommen, mich nicht selbst zu deprimieren, sondern daran zu glauben, dass das besser wird. Ich habe auch eine ganze Zeit lang Buch geführt über meine Krankheit, über das Fieber und die Sauerstoffsättigung. Wenn ich mir das jetzt manchmal durchlese, ermutigt mich das: Es wird nicht von Tag zu Tag besser, aber von Woche zu Woche.