Die Gäubahn-Strecke nach Stuttgart droht im Zuge der Stuttgart-21-Baumaßnahmen Mitte 2025 abgehängt zu werden. Reisende sollen dann auf dem erweiterten Regionalbahnhof in Stuttgart-Vaihingen in S-Bahn, Busse oder Stadtbahn umsteigen, bis die neue Gäubahn-Anbindung zum Flughafen und weiter über den Fildertunnel zum neuen Tiefbahnhof fertig ist.

Das Umsteige-Intermezzo sollte ursprünglich nur sechs Monate dauern, so lautete vor vielen Jahren die Vereinbarung der S21-Projektpartner. Doch die Anbindung ist noch gar nicht beschlossen, geschweige denn rechtskräftig geplant. Dass sie in drei Jahren fertig ist, damit rechnet nicht einmal die Bahn.

Bahn: „Für viele Reisende von Vorteil“

Unterdessen hat die für S21 zuständige Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm (PSU) der Deutschen Bahn der Berichterstattung des SÜDKURIER, wonach es bis zu zehn Jahre lang keine Direktverbindung auf der Gäubahn oder via Singen zum neuen Tiefbahnhof geben könnte, widersprochen.

„Während der Zeit, in der die Züge am Regionalbahnhof Stuttgart-Vaihingen enden, gilt, dass es für viele Reisende von Vorteil ist, dass sie bereits in Stuttgart-Vaihingen Anschluss an die S-Bahn und die Stadtbahn haben. Ziele in Stuttgart oder in der Region sind so deutlich schneller zu erreichen“, teilt ein Sprecher der Projektgesellschaft mit.

Bild 1: Bahn widerspricht Berichterstattung: Sechs oder zehn Jahre Unterbrechung bei der Gäubahn?
Bild: Schönlein, Ute

Der Sprecher trat auch der SÜDKURIER-Darstellung entgegen, der Bau der neuen Anbindung könne zehn Jahre dauern. „Die Bauzeit der Anbindung der Gäubahn an den Flughafen ist auf rund sechs Jahre veranschlagt“, so der Bahn-Sprecher weiter, die Vorplanung sei zudem bereits erfolgt.

VCD zweifelt Rechnung der Bahn an

Für den ökologischen Verkehrsclub VCD ist die Zeitrechnung der Bahn mit sechs Jahren allerdings „nach dem Prinzip Hoffnung kalkuliert“, so der VCD-Landesvorsitzende Matthias Lieb. Allein das Planfeststellungsverfahren für die ursprüngliche Gäubahn-Anbindung laufe bereits seit über zehn Jahren. Das Planfeststellungsverfahren für die neue Variante „Pfaffensteigtunnel“ dagegen sei erst am Anfang. „Aus den Erfahrungen der Vergangenheit ist die positive Prognose der DB für die Zeitdauer unrealistisch“, so der VDC-Landesvorsitzende.

Vor allem für Fernreisende wird es unbequem

Lieb befürchtet, dass Fahrgästen bis zur Fertigstellung der neuen Anbindung erhebliche Umstände und Fahrtzeitverlängerungen drohen. „Es geht ja nicht um die Zeit nach der Inbetriebnahme der alternativen Gäubahn-Anbindung, sondern um die Zeit ab 2025, wenn die Gäubahn nach den derzeitigen DB-Plänen nicht mehr durchgängig bis zum Hauptbahnhof in Stuttgart führen, sondern in Stuttgart-Vaihingen enden soll“, so Lieb.

„Dann dauert die Fahrt von Stationen der Gäubahn bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof länger und ist unbequemer – aufgrund des zusätzlichen Umstiegs in Vaihingen.“ Das gelte vor allem für Fernreisende.

Fahrgäste steigen am Singener Bahnhof in die Gäubahn.
Fahrgäste steigen am Singener Bahnhof in die Gäubahn. | Bild: Marcel Jud

Nach den Erhebungen der Bahn machen diese aber lediglich knapp ein Fünftel der Fahrgäste aus. „Nur 18 Prozent der Gäubahn-Reisenden wollen über den Stuttgarter Hauptbahnhof andere Ziele außerhalb der Region Stuttgart erreichen und müssen einmal mehr umsteigen, bis der Anschluss über den Flughafen in Betrieb geht“, teilt der Sprecher mit.

„Die Menschen sind zu Recht enttäuscht“

Nun kommt auf politischer Ebene Bewegung ins Spiel: Michael Theurer (FDP), für Schienenverkehr zuständiger Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und früherer Bürgermeister von Horb, kündigte an, mit der DB Netz eine Gäubahn-Anrainerkonferenz einberufen zu wollen.

„Die jahrelange Unterbrechung der Direktanbindung zum Stuttgarter Hauptbahnhof ist absolut unbefriedigend“, sagte Theurer. Vor der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 sei den Menschen das Gegenteil versprochen worden. „Sie sind zu Recht enttäuscht“, sagte der FDP-Politiker, „wir haben hier ein schweres Erbe angetreten.“

Michael Theurer, FDP, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, ehemaliger Bürgermeister von Horb
Michael Theurer, FDP, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, ehemaliger Bürgermeister von Horb | Bild: Felix Kästle, dpa

Zudem bewegt sich etwas, was die Zukunft der Panoramabahn betrifft, jenes Teils der Gäubahn zwischen Stuttgart-Vaihingen und dem Hauptbahnhof, der von der Bahn abgehängt werden soll. Dass zwei vor Kurzem bekannt gewordene Rechtsgutachten der DB bescheinigen, die Strecke ohne Verfahren gar nicht stilllegen zu dürfen, widerspricht der Rechtsauffassung der Bahn.

Das Eisenbahnbundesamt (EBA) habe den Rückbau der Gäubahn im Bereich der S-Bahn-Anbindung bereits im Planrechtsverfahren genehmigt, teilt die S21-Projektgesellschaft mit, die Gäubahn werde nicht stillgelegt, sondern nur unterbrochen und später über eine andere Strecke geführt.

Entscheidung über Pfaffensteigtunnel am 18. Juli?

Die Variante, die Panoramabahn nur kurz zu unterbrechen und danach bis zur Fertigstellung der neuen Gäubahn-Anbindung entweder zu einer unterirdischen Ergänzungsstation am neuen Tiefbahnhof zu führen – wie es etwa Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) fordert und auch der VCD für sinnvoll hält – oder in den Stuttgarter Norden bis zu einem Einfädelpunkt in die neue Schienenführung, dem sogenannten „Nordhalt“ zu führen, lehnt die Bahn bislang aber ab.

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Die Gutachten und die Zukunft der Panoramabahn dürften allerdings bei der nächsten Sitzung des S21-Lenkungskreises am 18. Juli eine Rolle spielen. Darin wollen die Projektpartner darüber entscheiden, ob der „Pfaffensteigtunnel“ gebaut werden und damit die neue Anbindung der Gäubahn besiegelt werden soll.

Angeblich Kosten von einer Milliarde Euro

Offen ist noch die Finanzierung. Die Bahn soll, so ist im Vorfeld die Erwartung im baden-württembergischen Verkehrsministerium, bei der Sitzung Finanzierungskonzept für die Kosten von geschätzt einer Milliarde Euro vorlegen. Eine Zustimmung werde das Land von dem Konzept abhängig machen, teilt der Sprecher des Verkehrsministeriums mit. Falls man sich nicht einig wird, will man sich darüber verständigen, wie die Panoramabahn erhalten werden kann. Was das für die Gäubahn heißt? Noch ist nichts entschieden.