„Oh, so großes Geld, reiche Frau!“, sagte ein Busfahrer aus Ravensburg sichtlich beeindruckt, als ihm eine 31-jährige Frau für eine Fahrkarte nach Friedrichshafen einen selbst gedruckten 100-Euro-Schein hinstreckte. Der Mann gab echte 95 Euro und einige Cents zurück. Später rechtfertigte er seinen Leichtsinn vor dem Amtsgericht Tettnang damit, dass er es eilig gehabt habe. Den einzigen Hunderter an diesem Tag in seiner Kasse hätte er erst eine halbe Stunde später genauer begutachtet. Da war die Betrügerin längst ausgestiegen.
Noch erfolgreicher war die suchtkranke Frau dann am Stadtbahnhof von Friedrichshafen. Dort sprach sie einen Taxifahrer an, ob er ihr einen 100-Euro-Schein wechseln könne. Kontrolliert hat der Mann den Schein nicht, denn hinter der Geldfälscherin stand eine Frau, die dringend in einen Nachbarort von Friedrichshafen chauffiert werden wollte. Erst die Taxizentrale entdeckte die miserabel gefälschte Euro-Blüte mit einem kyrillischen Schriftzug und dem kleingedruckten Vermerk „Souvenir-Production“.
Friedrichshafen und VS ganz weit vorne
32 Falschgeld-Delikte zählte die Polizei in Friedrichshafen laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik (PKS) im Vorjahr – das sind mehr als sechsmal so viele wie 2019 und 2018 zusammen, wie der SÜDKURIER auswerten konnte. Noch mehr gab es in Südbaden nur in Villingen-Schwenningen. Die Doppelstadt überflügelt sogar das bedeutend größere Karlsruhe.
Wer sind diese Menschen, die mit gefälschten Scheinen Kioskbesitzer und Ladenbetreiber zu prellen versuchen? Und wieso tauchen sie ausgerechnet im Corona-Jahr 2020 vermehrt auf?
Ermittler angelogen
Mehrere der Falschgeld-Fälle in Villingen-Schwenningen gehen auf das Konto eines 33-Jährigen. Er bestellte mindestens fünf gefälschte 500-Euro-Scheine im Internet. Mit drei Blüten bezahlte er eine Warensendung – wahrscheinlich ein Fahrrad – von mehr als 2000 Euro. Der Bote, der das Paket zustellte, erkannte das Falschgeld nicht und nahm es entgegen. Er versiegelte es in einem Bargeldumschlag und übergab es laut Amtsgericht Villingen-Schwenningen an einen Fahrradhandel. Erst bei der Einzahlung dort erkannte ein Mitarbeiter die Fälschungen und erstattete Anzeige.
Drei Wochen später bezahlte der 33-jährige Villinger ein Smartphone im Wert von 1060 Euro mit zwei gefälschten 500-Euro-Scheinen in der Wohnung des privaten Geschädigten. Dieser zahlte den Verkaufserlös am nächsten Tag erfolgreich über einen Bargeldeinzahlautomat einer Bank in Villingen-Schwenningen ein. Die Firma, die den Automaten betreut, stellte schließlich fest, dass die beiden eingezahlten Fünfhunderter gefälscht sind und wandte sich an die Polizei.
Der letzte Streich in der Falschgeld-Karriere des 33-Jährigen ereignete sich fünf Wochen später. Zuvor hatte er wieder Blüten im Internet bestellt. Im Lebensmittelmarkt in der Straße Neuer Markt in Villingen wollte der Mann mit einem der gefälschten Fünfziger seinen Einkauf bezahlen. Die aufmerksame Kassiererin wurde jedoch stutzig und rief die Polizei. Der 33-Jährige wehrte sich, er habe den falschen Fünfziger bei einem zuvor erledigten Einkauf als Rückgeld erhalten. Die Polizei durchsuchte daraufhin sein Auto und konnte darin zwei weitere falsche Geldscheine finden, die ihn als Lügner entlarvten.
Im Sommer 2021 musste sich der Villinger für seine Falschgeld-Taten vor dem Amtsgericht Villingen-Schwenningen verantworten. Er wurde rechtskräftig zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der Richter setzte die Strafe für fünf Jahre zur Bewährung aus. Außerdem verhängte er gegen den Angeklagten 300 Stunden gemeinnützige Arbeit.
An welchen Sicherheitsmerkmalen man echtes Geld erkennt

Diese Anekdoten sind nur ein kleiner Ausschnitt. In ganz Baden-Württemberg zählten die Behörden laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik (PKS) im Vorjahr 1640 Falschgeld-Delikte – fast viermal so viele wie in 2019.
Änderung der Zählweise
Woher die mutmaßliche Blütenschwemme kommt, ist für Jörg Laurenroth vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg klar: Bis einschließlich 2019 wurden nur aufgeklärte Falschgeldfälle mit bekannten Tätern in der Statistik erfasst. Seit dem Vorjahr werden auch all jene Fälle eingerechnet, bei denen die Polizei ein bewusstes Einspeisen von Falschgeld in den Zahlungsverkehr nachweisen oder anhand von konkreten Ermittlungsergebnissen nachvollziehen kann. „Diese Neuregelung ermöglicht es, deutlich mehr Falschgeldtaten in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik abzubilden“, sagt Laurenroth dem SÜDKURIER.
Soll heißen: Es gab schon vorher viele Fälle, die nur nicht erfasst und damit nicht öffentlich wurden. Das Volumen des in Deutschland in Umlauf gebrachten Falschgeldes ist laut Bundesbank zuletzt sogar gesunken. Rund 21.400 falsche Euro-Scheine mit einem Nennwert von gut einer Million Euro zogen Polizei, Handel und Banken im ersten Halbjahr 2021 aus dem Verkehr. Das waren etwa 13 Prozent weniger als im zweiten Halbjahr 2020 (rund 24.000 gefälschte Euro-Scheine).
Corona macht es Fälschern schwer
Hintergrund sind die Folgen der Corona-Pandemie, die auch den Geldfälschern das Handwerk erschweren. Weil Feste ausfielen und Gaststätten sowie Geschäfte zeitweise geschlossen waren, hatten die Kriminellen weniger Gelegenheit, Blüten unters Volks zu bringen. Der Schaden bleibt dennoch enorm. Die Europäischen Zentralbank (EZB) beziffert ihn europaweit auf 21,5 Millionen Euro – trotz des rückläufigen Trends.
Im ersten Halbjahr 2021 drückten die Corona-Einschränkungen in Handel und in der Gastronomie die Falschgeldzahlen zusätzlich. „Die Konsummöglichkeiten waren gerade in den Bereichen, in denen Bargeld eine bedeutende Rolle spielt, stark eingeschränkt“, sagt Johannes Beermann von der Bundesbank. „Ich fürchte, sobald die Corona-Beschränkungen wegfallen und das soziale Leben wieder zunimmt, werden vermutlich einige wieder versuchen, Falschgeld in Umlauf zu bringen.“
Falschgeld wird zu Spielgeld
Ein Großteil der sichergestellten Fälschungen ist inzwischen „Movie Money“, also Filmgeld, oder „Prop copy“ (Reproduktionen) – das sind einfache Druckfälschungen ohne jegliche Sicherheitsmerkmale. „Wenn man nur das Material fühlt, merkt man leicht und schnell, dass es sich um Falschgeld handelt“, sagt Beermann. Vor allem beim 10-Euro-Schein und beim 20-Euro-Schein komme dieses Spielgeld oft vor. Der Zwanziger wird in Deutschland am häufigsten gefälscht. „Fälle mit Spiel- oder Filmgeld sind aktuell weit verbreitet und nehmen kontinuierlich zu“, sagt Daniela Baier vom Polizeipräsidium Ravensburg dem SÜDKURIER.
Verhältnismäßig selten versuchen Kriminelle, mit falschen Münzen Kasse zu machen. Rund 14.500 falsche Münzen wurden nach Angaben der Bundesbank in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres in Deutschland aus dem Verkehr gezogen, fast nur Zwei-Euro-Münzen. Die Zahl der Falschmünzen verringerte sich im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2020 um 35 Prozent.

Trotz dieser Zahlen: Rein rechnerisch ist das Risiko sehr gering, mit Falschgeld in Berührung zu kommen. Nach Bundesbank-Berechnungen entfielen im ersten Halbjahr in Deutschland fünf falsche Banknoten auf 10.000 Einwohner. Europaweit ist die Wahrscheinlichkeit doppelt so hoch, mit Blüten in Berührung zu kommen. Dennoch sollten Verbraucher genau hinschauen, mahnen die Währungshüter. Denn wem ein falscher Schein untergejubelt wird, bekommt dafür keinen Ersatz.
Fünf Monate Gefängnis für 31-Jährige
So ist es auch den eingangs geschilderten Bus- und Taxifahrern in Friedrichshafen ergangen. Die 31-jährige Geldfälscherin konnte jedoch geschnappt werden: Im Friedrichshafener Bodenseecenter wollte sie ein Päckchen Kaugummi für 75 Cent mit einem falschen Hunderter bezahlen und echte Euros zurück haben. Die Kassiererin schöpfte Verdacht und rief eine Kollegin zu Hilfe: Beide waren sich trotz des Widerspruchs der 31-Jährigen einig: „Damit können Sie nicht bezahlen.“
Als die Geldfälscherin daraufhin mit dem falschen Hunderter in der Hand zum Kiosk im Bodenseecenter ging, um dort einen neuerlichen Versuch zu wagen, folgte ihr die couragierte Kassiererin und warnte den Kioskbetreiber. Die Polizei wurde verständigt und nahm die 31-Jährige etwas später fest. Das Amtsgericht Tettnang verurteilte die mehrfach vorbestrafte, drogenabhängige Frau wegen Geldwäsche und Betrugs in zwei Fällen zu fünf Monaten Haft ohne Bewährung.
Die Kriminalserie
Dieser Artikel Teil unserer Kriminalitätsreihe. In der Woche vom 22.11. bis zum 26.11.2021 veröffentlichen wir täglich eine Story zur Lage in Baden-Württemberg und der Region. Kommen Sie gerne zurück, wir verlinken von dieser Seite auf die weiteren Artikel.
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