Schon vor Weihnachten hat die grün-schwarze Landesregierung nicht gerade mit Einheitlichkeit und klaren Regeln überzeugt. Die Aussagen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatten bisweilen nur eine Halbwertszeit von einer Woche, denkt man an die unterschiedlichen Regeln zur erlaubten Personenzahl bei Feiern zu Weihnachten.
Hinzu kommt der ewige Streit um die Schulöffnung. Das Chaos der Landesregierung, deren Handeln zunehmend vom Wahlkampf geprägt scheint, setzt sich fort.

Fehlgeleitet
Kultusministerin Susanne Eisenmann ruft vor allen anderen laut nach einer schnellen Schulöffnung und beruft sich dabei auf Zahlen, die auch auf Nachfrage des SÜDKURIER nicht genauer benannt werden. Genannt werden auch Studien, die aber nur punktuell, nie langfristig angelegt waren. Mit Blick auf die neue Virusmutation, die als deutlich aggressiver gilt, wirkt Eisenmanns Auftritt da wie ein fehlgeleiteter Versuch, populäre Politik zu machen.
Doch welche Auswirkungen die Mutation, von der bereits einzelne Fälle in Deutschland aufgetreten sind, auf das Infektionsgeschehen in Schulen hat, ist unklar. Die breit angelegte Studie eines Wiener Mikrobiologen zum Thema legt aber schon jetzt nahe, dass die Ansteckungen in Schulen vom generellen Infektionsgeschehen abhängen.
Das ist nur logisch, schließlich haben Schüler auch außerhalb der Schule Kontakte. Hinzu kommt der unbekannte Faktor des mutierten Virus. Trotzdem will die Landesregierung die Schulen am 18. Januar teilweise wieder öffnen, während andere Bundesländer sie bis Ende des Monats dicht lassen. Das alles natürlich unter Vorbehalt, die Landesregierung will sich dazu noch erneut beraten. Planungssicherheit gibt es so weder für Eltern noch für Lehrer.
Zickzackkurs
Auch bei der Radiusbeschränkung fährt Kretschmann Zickzackkurs. Bei der gemeinsamen Konferenz mit Kanzlerin und den anderen Ministerpräsidenten stimmt Baden-Württembergs Landeschef noch zu, nur um dann nicht einmal eine halbe Stunde nach der Rede der Kanzlerin wieder zurückzurudern. Vorerst kein Bewegungsradius im Südwesten, heißt es.
Möglicherweise wird er kommende Woche dann erneut rudern müssen – dann in die andere Richtung. Dabei ist noch unklar, wie sehr sich die Zusammenkünfte der Fest- und Feiertage noch bemerkbar machen werden. Hinzu kommen Tagesausflügler, die auch volle Parkplätze und die Bitte, die beliebten Ausflugsziele zu meiden, ignorieren.

Doch auch hier fehlen Daten, die zeigen, wie groß das Risiko von Ansteckungen auf überfüllten Parkplätzen ist. Denkt man an das Verhalten im Supermarkt, wo viele keinen Abstand halten, scheint das Infektionsrisiko dort höher als an der frischen Luft.
Große Versäumnisse
Das Beispiel zeigt die Versäumnisse der Landesregierung, aber auch das Bundes. Denn die Maßnahmen beruhen nicht auf einer klaren Datenlage, sondern auf bloßen Versuchen, was helfen könnte. Dazu passt, dass die Landesregierung keine wissenschaftliche Grundlage etwa dafür hat, welchen Effekt die nächtliche Ausgangssperre überhaupt hat. Trotzdem sollen sie weiter gelten. Negative Auswirkungen werden nicht erfasst.
Bei allem Verständnis für den schwierigen Umgang mit einem neuen Virus: Man darf nach zehn Monaten Pandemie bewusstes Handeln statt Improvisation erwarten. Entsprechende Erkenntnisse hätten längst gesammelt werden können. Doch erst Mitte Dezember haben die Kultusminister eine Studie in Auftrag gegeben, aus der eine Handlungsstrategie für die Schulen entstehen soll. Sie wird sich auf bereits erschiene Studien und alte Daten aus den Bundesländern stützen.
Dass dieses Vorgehen Zweifler bestärkt, ist offensichtlich. Noch akzeptieren Umfragen zufolge viele Bürger die Maßnahmen als notwendiges Übel. Doch je länger die Einschränkungen dauern und je häufiger die Menschen vertröstet werden, desto schneller dürfte ihre stille Zustimmung bröckeln.