Die Erfolgsmeldung des Mainzer Konkurrenten Biontech bringt das Tübinger Biopharmaunternehmen Curevac in Bedrängnis. Gerade erst hatte das Unternehmen von „ermutigenden Interimsdaten“ aus der ersten Phase der klinischen Studie berichtet. Die zweite Phase läuft derzeit in Panama und Peru. In Tübingen soll noch im November ebenfalls die zweite Phase anlaufen, sagte Studienleiter Peter Kremsner vom Tropeninstitut in Tübingen dem SÜDKURIER.

Curevac-Sprecher Thorsten Schüller bestätigt: „Die global angelegte Phase 2b/3 mit rund 30.000 Probanden soll möglichst noch in diesem Jahr starten.“ Sollten die Daten aus den laufenden und geplanten klinischen Studien positiv verlaufen, „gehen wir davon aus, im ersten Quartal 2021 den Zulassungsprozess zu starten“, ergänzt er.

Biontech hatte als erster deutscher Konzern die klinische Studie bereits im Frühjahr gestartet, seit Juli läuft die dritte und entscheidene Phase. Curevac dagegen startete die erste Phase der klinischen Studie erst im Juni.

Professor Peter Kremsner impft SÜDKURIER-Reporterin Mirjam Moll. Sie ist eine der Probandinnen in der ersten Phase der klinischen Studie ...
Professor Peter Kremsner impft SÜDKURIER-Reporterin Mirjam Moll. Sie ist eine der Probandinnen in der ersten Phase der klinischen Studie in Tübingen. | Bild: Uniklinik Tübingen

An der ersten Phase Studie haben mehr als 250 gesunde Probanden zwischen 18 und 60 Jahren teilgenommen. Dem Zwischenbericht zufolge habe der Impfstoff bei den Probanden eine „ausgewogene Immunreaktion“ ausgelöst: Antikörper hätten sich im Körper gebildet, zudem gebe es erste Anzeichen, dass sogenannte T-Zellen gebildet wurden. Mehr noch: Die Immunreaktion des Körpers sei „ähnlich wie bei einer natürlichen Infektion mit Covid-19.“

Neue Art der Impfung

Das Besondere an dem Impfstoff: Der auf einem Botenstoff basierende Impfstoff schickt eine Art Bauanleitung für ein Oberflächenprotein des Virus in den Körper, durch den der Körper dann selbst gegen das Virus immun werden soll, indem die Bildung des Virus-Eiweißes angeregt wird. Damit unterscheidet sich die Impfung von den sonst üblichen, in denen beispielsweise Teile des echten Krankheitserregers gespritzt werden.

Der Impfstoff von Curevac hat die Feuerprobe bestanden. Er sei in allen getesteten Dosen gut verträglich, teilte das Unternehmen mit: Verschiedene Gruppen von Probanden wurden mit Impfdosen von zwei bis zwölf Milligramm geimpft. Die Teilnahme in der Phase Eins war bis auf die sogenannte Sentinal-Gruppe (die allerersten Probanden) doppelt verblindet, so dass weder Probanden noch behandelnde Ärzte wussten, was bei den einzelnen Teilnehmern verabreicht wurde.

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Nebenwirkungen bei höherer Dosis

Alle Probanden bekamen zwei Impfungen im Abstand von vier Wochen. In den zwei Folgewochen mussten die Teilnehmer ein Tagebuch führen und festhalten, ob und welche Symptome aufgetreten sind. Die Nebenwirkungen waren bei den zunächst geringeren Dosen überschaubar. Das bestätigte auch Professor Peter Kremsner, Studienleiter am Tropeninstitut der Uniklinik Tübingen.

Kremsner betont: „In diesem beschleunigten Entwicklungsprogramm ist es von größter Bedeutung, die Sicherheit des Impfstoffkandidaten zu gewährleisten und gleichzeitig ein günstiges Maß an Immunogenität zu erzeugen.“

Was er meint: Die Studie verläuft in einem sogenannten teleskopierten Verfahren – dabei werden die einzelnen Studienphasen überlappend ausgeführt, um Zeit zu sparen. Kritiker weisen auf mögliche Langzeitwirkungen hin, die in diesem beschleunigten Ablauf übersehen werden könnten. Kremsner sieht dafür keine Grundlage. Er betont, dass die meisten Nebenwirkungen innerhalb der ersten beiden Wochen auftreten.

Professor Peter Kremsner in seinem Büro im Tropeninstitut an der Uniklinik Tübingen.
Professor Peter Kremsner in seinem Büro im Tropeninstitut an der Uniklinik Tübingen. | Bild: Moll, Mirjam

Unerwünschte Nebenwirkungen sind nach den Angaben von Curevac dann allerdings bei der erhöhten Dosis von zwölf Mikrogramm aufgetreten, hauptsächlich nach der zweiten Impfdosis. Sie umfassten Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Muskelschmerzen und in geringerem Maße Fieber, heißt es seitens Curevac. Alle Symptome seien aber „in der Regel innerhalb von 24 bis 48 Stunden“ abgeklungen. Inzwischen wird mit 20 Mikrogramm in Tübingen getestet.

Kremsner stufte die Nebenwirkungen nicht als gravierend ein: „Diese Nebenwirkungen traten auch bei drei Mikrogramm schon auf, allerdings in geringerem Ausmaß.“ Er gibt zu bedenken, dass nur Fieber als Symptom messbar sei. So habe die Studie auch in den Placebogruppen Beschwerden wie Müdigkeit, Kopfschmerzen und Ähnliches verzeichnet. „Das Fieber ist nicht schlimm und am nächsten Tag wieder weg, das ist auch nichts Ungewöhnliches.“ Fieber sei zudem eine natürliche Reaktion des Körpers auf einen Erreger. Mit dem Impfstoff werde eine Infektion simuliert.

Der Studienleiter in Tübingen gab sich zufrieden mit dem bisherigen Verlauf. Man müsse bei dem Wettlauf um die Zeit auch berücksichtigen, dass Curevac anders als seine Konkurrenten wie Biontech und Pfizer zum ersten Mal einen Impfstoff in eine Zulassungsstudie bringe. Die größere Erfahrung der Konkurrenz macht sich nun bemerkbar.

Finale Studie noch vor Jahresende

Doch was bedeutet das für den Impfstoff? Die Hoffnung auf einen schnellen Impfstoff hat Curevac unlängst selbst bereits gedämpft. Zwar hat die zweite Phase im September in Panama und Peru mit insgesamt 690 Probanden begonnen. Die Studie soll die Dosis, in der der Impfstoff künftig verabreicht wird, bestätigen, erklärt Dr. Mariola Fotin-Mleczek von Curevac.

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Bis zu einer vorläufigen Zulassung ist es aber noch ein weiter Weg. Curevac will nach eigenen Angaben mit der Dosis von zwölf Mikrogramm in den zweiten Teil der zweiten Phase und der für die Zulassung ausschlaggebenden dritten Phase einsteigen. Bis zu 30.000 Teilnehmer sind in diesem wichtigen Abschnitt der klinischen Studie geplant.

Kremsner gab sich Anfang November vorsichtig optimistisch, was eine baldige Zulassung angeht: „Wenn alles gut läuft, werden die ersten Impfstoffe in der EU im Winter zugelassen werden. Wenn alles sehr gut läuft, wird unser Impfstoff dabei sein.“