Das lange Wochenende steht vor der Tür, das Wetter ist traumhaft – eigentlich perfekte Voraussetzungen für einen Ausflug ins Freibad. Also: Badehose an, Picknick eingetütet, ab auf Rad? Denkste. Die Corona-Verordnung verbietet den Bädern in ganz Baden-Württemberg weiterhin, zu öffnen. Glück hat, wer am Bodensee lebt. An frei zugänglichen Badestellen außerhalb von offiziellen Strandbädern ist Schwimmen möglich.
Eine merkwürdige Regelung – findet der Konstanzer Egon Kiefer und richtet seine Kritik nach ganz oben. In einem dreiseitigen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) macht er deutlich: „Die in Baden-Württemberg auf unabsehbare Zeit fortbestehende Schließung der Freibäder ist nicht mehr verhältnismäßig.“
Im Gespräch mit dem SÜDKURIER wird schnell deutlich: Kiefers Kritik hat nichts mit Verschwörungstheorien zu tun. „Politiker brauchen den Kontakt zur Bevölkerung. Und ich glaube, dass eine fundierte, sachliche Meinung bei diesem Thema auch Gehör findet“, sagt er.
„Geeignete Auflagen“ reichen aus, um Infektionsschutz zu gewährleisten
Doch was genau passt dem Konstanzer nicht? Anstatt die Freibäder komplett dichtzumachen, fordert er „geeignete Auflagen“ für die Betreiber. Zum Beispiel die Anzahl der Besucher zu beschränken, jede zweite Dusche, jede zweite Umkleidekabine jeden zweiten Spint zu verriegeln.
Das baden-württembergische Staatsministerium (STM) rechtfertigt die Schließung mit dem erhöhten Infektionsrisiko. „Schwimmbäder, innen wie draußen, bieten oft nicht nur warme Luft, sondern – etwa durch Pools, Duschen, tieferer und schnellerer Atmung und vermehrtem Schwitzen – auch Feuchte“, antwortet ein Sprecher auf Nachfrage des SÜDKURIER. In solchen Umgebungen sei die Gefahr sich anzustecken höher – „in Freibädern vor allem in Duschen und Umkleiden.“
Besonder kurios wird es für Egon Kiefer aber erst, wenn er die Spielplätze in Seenähe beobachtet. Während sich im Freibad Horn, auch Hörnle genannt, die Kleinen an der Rutsche tummeln, wirken Bagger, Sandkasten und Co. in der Konstanzer Therme – direkt nebenan – wie ausgestorben. „Diese ungleiche Behandlung lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass in der Therme auch ein Gebäude betreten werden muss“, schreibt Kiefer.
Ähnlich sieht das Christoph Pape, Pressereferent bei den Stadtwerken Konstanz. „Wir haben hier am Bodensee mit dem Hörnle und der Therme eine besondere Situation. Da kommt es zu Kuriositäten und komischen Bildern“, sagt Pape. Er könne die Schließung der Bäder zwar nachvollziehen, aber man sei traurig, „dass Mitarbeiter nicht arbeiten dürfen.“
Hätte Öffnung sogar Positiveffekt?
Für Egon Kiefer ist es sowieso klar: Wenn die Stadt das Freibad der Therme öffnen dürfte, würde sich das ganz automatisch positiv auf den Gesundheitsschutz auswirken. Dann würden nämlich weniger Gäste am Hörnle Schlange stehen, weil man sich „ganz im Sinne des Infektionsschutzes“ mehr verteilt.
Denn am Wasser kann es nicht liegen, dass in den Freibädern in Baden-Württemberg nicht geplanscht werden darf. „Das Baden im gechlorten Wasser, aber auch in größeren Seen ist nach einhelliger Meinung völlig ungefährlich“, schreibt Kiefer.
Baden ist wohl unbedenklich
Und er hat recht. Wie die Deutsche Gesellschaft für Badewesen auf Ihrer Internetseite veröffentlicht, deuten „alle vorliegenden Erkenntnisse darauf hin, dass Viren durch das Chlor sicher abgetötet werden.“ Dass für das Infektionsgeschehen nicht die Übertragung über das Wasser entscheidend ist, räumt auch das Staatsministerium ein.
So hat sich die Landespolitik dann auch dafür entschieden, eine Ausnahme für Schwimmkurse in die Verordnung einzubauen. Nichtschwimmer dürfen ab 2. Juni in eigentlich geschlossenen Freibädern unterrichtet werden. Eine Entscheidung, die Egon Kiefer besonders sauer aufstoßen lässt. Nicht, weil er Kindern es nicht gönnen will, Schwimmen zu lernen. Aber juristisch betrachtet sei die Bevorzugung nicht gerechtfertigt, weil allein das Infektionsrisiko relevant sei.
Die Gefahr sich beim Schwimmunterricht anzustecken, ist seiner Meinung nach sogar größer als im offenen Betrieb, weil bei festen Terminen „eine größere Anzahl von Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt gleichzeitig durch Umkleide und Duschen geschleust werden müssen.“
Dass dann noch die Causa Freibad von Land zu Land unterschiedlich bewertet wird, findet der Konstanzer problematisch. In Nordrhein-Westfalen etwa öffnen Freibäder bereits heute. Laut Robert-Koch-Institut haben sich dort im Laufe der Epidemie 201 Menschen pro 100.000 Einwohner angesteckt, in Baden-Württemberg sind es 306. Diesen Wert, der nichts über das aktuelle Infektionsgeschehen aussagt, nennt das Staatsministerium als weiteren Grund, die Bäder in Baden-Württemberg noch nicht zu öffnen. Betrachtet man jedoch das aktuelle Infektionsgeschehen und die vom RKI gemeldeten Zahlen der Woche ab dem 11. Mai, gibt es in NRW derzeit sogar mehr Ansteckungen als in Baden-Württemberg.
Damit das Warten bald ein Ende hat, sucht derweil eine „interministerielle Arbeitsgruppe“ nach einem Corona-Konzept, so das Staatsministerium. Anfang Juni wird entschieden, wann eine Inbetriebnahme möglich ist. Sollten sich die Infektionszahlen dann wieder verschlechtern, müssten Öffnungen „befristet wieder zurückgenommen werden“, sagt der STM-Sprecher.
Für Egon Kiefer geht es bei den Freibädern nicht um „ein Luxusbedürfnis, wie bei der Bundesliga, sondern um die körperliche und psychische Gesundheit der Bevölkerung.“ Er wünscht sich, dass die Politik hier nachbessert. Wenn nicht, könnte sich – auf eine entsprechende Klage hin – vielleicht schon bald das Verfassungsgericht um die Angelegenheit kümmern.