Nach der Wahl ist vor der Regierungsbildung: Viele Optionen gibt es nicht, als einzig realistisch gilt nach nur einer Legislaturperiode wieder eine Große Koalition, die den Namen aber nicht mehr verdient. Während die SPD sich neu sortieren muss, hat die neue Unionsfraktion trotz geschrumpften Bundestags 56 Sitze mehr als zuletzt – und darf sich schon mal Gedanken über Posten machen. Mittendrin: Thorsten Frei.

Der frühere Donaueschinger Oberbürgermeister war zuletzt Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, hat also im Hintergrund Fäden gezogen und mit seinen Kollegen der anderen Parteien um Themen und Abläufe im Parlament gerungen – eine Rolle, die ihn für die anstehenden Koalitionsverhandlungen besonders wichtig macht.

So viel steht auch schon fest: „Ich werde wohl gemeinsam mit unserem Generalsekretär Carsten Linnemann die Steuerung der anstehenden Verhandlungen und damit eine wichtige Aufgabe für unsere Fraktion übernehmen“, so Frei am Montag im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Gewichtige Stimme in der Asylpolitik

Der gebürtige Säckinger hat sich in der zurückliegenden Legislaturperiode aber auch als regelmäßiger Talkshow-Gast vor allem zur Asylpolitik profiliert, im Sommer 2023 schrieb er einen viel beachteten Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, in dem er ein Ende des Individualrechts auf Asyl forderte.

Er war Chefunterhändler seiner Partei, als es im September 2024 um mehr Zurückweisungen an der Grenze ging. Mit Blick auf die 207 anderen Abgeordneten der Union muss er als die gewichtigste Stimme in diesem Politikfeld gelten.

Kurzum: Thorsten Frei kommt für verschiedene Rollen infrage. Konkret wird er als Innenminister, Kanzleramtschef oder Fraktionsvorsitzender gehandelt. Aus der Fraktion ist jedenfalls zu vernehmen, dass sich die Abgeordneten ihn gut als neuen Chef vorstellen könnten.

Er selbst, das sagt er am Montag, habe sich mit dieser Frage noch nicht beschäftigt, was so viel bedeutet wie: auszuschließen ist es nicht, möglich ist alles. Auch für einen wahrscheinlichen Kanzler Friedrich Merz wäre der als loyal geltende Frei dort gewiss gut platziert – er weiß, wie man im Zweifel die Reihen schließt.

Da sieht ihn auch Politikwissenschaftler Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim: „Er ist einer, der eine Partei gut organisieren kann. Und ganz besonders wichtig für Friedrich Merz: dass er da jemanden hat, der ihm den Rücken freihält und der die Fraktion auf Linie bringt. Frei ist ein Generalist. Er ist nicht auf ein Thema festgelegt, sondern kann viele bespielen.“

Einer, der organisieren kann

Das ist aber auch eine Eigenschaft, die ein Kanzleramtsminister braucht. Der organisiert bestenfalls den Zusammenhalt des Kabinetts, soll den Regierungschef schadlos halten. Auch hier ist Loyalität ganz besonders gefordert. Hierfür wird allerdings auch Hendrik Hoppenstedt gehandelt, der schon unter Angela Merkel Staatssekretär im Kanzleramt war – und zuletzt auch Parlamentarischer Geschäftsführer hinter Frei, also über ähnliche Erfahrung verfügt.

Mit seiner fachlichen Expertise wäre der Volljurist und Polizistensohn Frei ohnehin prädestiniert für das Amt des Bundesinnenministers. Auch, wenn er selbst sich da noch nicht in die Karten schauen lässt.

Viele Alternativen gibt es für das Innenministerium nicht

Für das Großthema Asyl wird Merz eine Personalie wollen, die in der Öffentlichkeit bereits damit in Verbindung steht, also eine gewisse Kompetenz und Glaubwürdigkeit genießt. Die einzige andere prominente Stimme der neuen Fraktion wäre Jens Spahn – der allerdings wie auch Merz und sein bisheriger Generalsekretär Carsten Linnemann aus Nordrhein-Westfalen kommt und somit dem Länder-Proporz zum Opfer fallen könnte, außerdem kein Volljurist ist.

Das gab es im Innenministerium erst zweimal: Der Schlosser Paul Lücke (CDU) hatte das Amt von 1965 bis 1968 inne; Verwaltungs-Betriebswirt Horst Seehofer (CSU) von 2018 bis 2021. Zwar hat auch der aktuelle CSU-Chef Markus Söder bereits hohe Ämter für seine Parteifreunde in Berlin gefordert. Der frühere Verkehrsminister Alexander Dobrindt aber, so ist zu hören, möchte gerne Landesgruppenchef bleiben und keinen Ministerposten. Und die anderen Spitzenpersonalien der Bayern passen eher nicht ins Innenministerium.

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Am ehesten käme da noch Andrea Lindholz infrage, die Rechtsanwältin sitzt bereits seit 2013 im Bundestag und hat Erfahrung im Innenausschuss. Ihr Name fiel zuletzt aber eher im Zusammenhang mit dem Justizministerium.

Und der Konstanzer Andreas Jung? Der Klimapolitiker war immer wieder für das Umwelt- oder Energieressort im Gespräch. Noch ein Ministerium für Baden-Württemberg gilt aber als unwahrscheinlich. Beobachter sehen Jung eher als Staatssekretär in diesem Bereich.

Wie sehr die künftige Ressortverteilung interessiert, zeigte eine Nachricht von Montagmittag: Da musste die Deutsche Presseagentur darauf hinweisen, dass eine angebliche Meldung über Friedrich Merz‘ Pläne dazu eine Fälschung ist. Wie genau die künftigen Ministerien zugeschnitten und besetzt werden, wird final erst am Ende von Koalitionsverhandlungen feststehen. Friedrich Merz sagte am Montag auf einer Pressekonferenz, dass über Personal bisher nicht gesprochen wurde und absehbar auch nicht gesprochen wird.