Ein fast leerer Parkplatz, ein paar einsame Lastwagen, in der Mitte steht ein graues Toilettenhäuschen. Über das Gelände verteilen sich einige Holztische mit Bänken. Ein Restaurant gibt es nicht. Der Rastplatz Räthisgraben liegt an der A81 zwischen Geisingen und Tuningen.
Er wirkt etwas trist, aber sauber – das Wetter ist eiskalt. Mitten in der Kälte stehen vier Männer, eingehüllt in ihre orangenen Jacken: Gerhard Braun, Leiter der Autobahnmeisterei Engen, Manuel Stark, Tobias Schäuble und der Kolonnenführer Dietmar Fluck.
Der hat hier endlich die Gelegenheit, alles richtig zu stellen. Zu erklären, was er und seine Kollegen in Orange von der Autobahnmeisterei Engen tatsächlich leisten. Denn eigentlich, so sagt er zu Beginn etwas zu grummelig, wollte er gar nicht mit der Presse sprechen. Dort ginge es in Berichten über ihn und seine Kollegen immer nur ums Abfallaufsammeln. „Als wären wir Müllmänner“, empört sich der 53-jährige Straßenwärter ein wenig.

Doch jetzt, nachdem der Rastplatz Räthisgraben bei einem Test als einziger in Baden-Württemberg als exzellent abgeschnitten hat, haben Fluck und seine drei Kollegen die Chance, von ihrer tatsächlichen Arbeit zu berichten – und die hat es in sich. Wer sind diese Schaffer in Orange, die bei Wind und Wetter ausrücken, um unsere Straßen in Schuss zu halten, während Autos mit Tempo 200 direkt an ihnen vorbeirasen?
Ihre Aufgaben sind vielfältig, einiges ist Routine: Winterdienst, Straßensanierung, Schilder austauschen, Mähen entlang der Fahrbahn. Sie halten die Autobahnen nicht nur sauber, sondern sind für die Sicherheit dort unabdingbar – machen möglich, dass Familien sicher zu Ausflügen an den Bodensee kommen, dass Pendler möglichst wenig im Stau stehen, dass Lastwagen-Fahrer benutzbare Toiletten bei ihren Übernachtungen vorfinden.
Ihr Alltag besteht aus vielen Kontrollfahrten, um Schäden und Müll zu entdecken. Dabei stoßen sie auf allerlei kuriose Dinge: Fernseher, Kühlschränke, Haushaltsgeräte, Urinflaschen von Lastwagenfahrern – einmal sogar auf einen gestohlenen Banktresor beim Parkplatz Unterhölzer Wald. „Leider leer“, erinnert sich Gerhard Braun, seit 1995 bei der Autobahnmeisterei Engen. Die Leute entsorgen alles mögliche auf den Rastplätzen.
Meist sind es nur Mülltüten, Verpackungen und Essensreste, die im schlimmsten Fall Ratten anlocken können. Am Räthisgraben ist davon wenig zu sehen – er hat Glück mit seiner Lage. Denn Parkplätze auf dem Weg nach Stuttgart seien meist relativ sauber.
In Richtung Schweizer Grenze dagegen liege mehr Müll. Denn dort stauen sich nachts die Lastwagen wegen des Einfahrverbots in die Schweiz, berichtet Braun.

Doch ihr verrücktester Fund bestand weder aus Plastik noch aus Essensresten – sondern aus Fleisch und Blut: Eine einsame Frau im Nachthemd, die sie bei einer Routinefahrt auf einem Rastplatz entdeckten, erinnert sich Kolonnenführer Dietmar Fluck. Sie habe im Wohnwagen geschlafen, während ihr Mann am Steuer saß. Kurz nachdem er angehalten hatte, um pinkeln zu gehen, stieg auch sie aus.
Er kam zurück zum Auto, wusste nicht, dass sie weg war, und fuhr los. „Handys gab es damals noch nicht. Wir haben die Polizei alarmiert, die hat den Fahrer aber erst kurz vor Stuttgart eingeholt“, erzählt Fluck. Seine Frau hatte der Fahrer offensichtlich nicht vermisst.
„Jeder Tag ist wie Weihnachten“
Aber während dieser Routinearbeiten kann jederzeit der Alarm losgehen – ein Notfall. „Da hat man grade die Absicherung aufgebaut, schon muss man sie wieder einpacken und kann woanders hin“, berichtet Fluck aus 37 Jahren Berufserfahrung. Bei einem Unfall helfen sie der Polizei die Fahrbahn zu sperren, ausgelaufene Flüssigkeiten zu beseitigen und danach die Schäden an der Fahrbahn zu beheben.
Man wisse morgens nie, was so anstehe. „Jeder Tag ist wie Weihnachten, es gibt immer eine Überraschung“, sagt Tobias Schäuble, erst seit fünf Jahren bei der Autobahnmeisterei, aber bereits unfreiwillig berühmt, weil er zum Gesicht für Tempo 130 wurde.
Sie müssen sich bei Einsätzen blind vertrauen können
Ihr wichtigste Aufgabe: Sich dabei selbst zu schützen. „Wenn einer von uns den Seitenstreifen mäht, brauchen wir drei weitere Männer für die Sicherung“, erklärt Gerhard Baum. Am Anfang steht ein Vorwarnanhänger mit einem Tempo-120-Schild, den muss einer bedienen. Danach kommen die Fahrspursperrungen, zuletzt die Sicherungswand.
„Dreiviertel des Arbeitsaufwands dienen immer nur der Sicherung“, sagt er. „Wir schaffen Hand in Hand, müssen uns blind vertrauen können“, ergänzt der 33-jährige Streckenwart Manuel Stark.

Denn ungefährlich ist ihre Arbeit nie. Wenn die Männer den Seitenstreifen mähen oder Schilder austauschen, rauscht nur wenige Meter entfernt der Verkehr vorbei: Sportwagen mit 200 Kilometern pro Stunde, riesige Lastwagen mit etlichen Tonnen Gewicht – ein Zusammenprall mit einem der Arbeitsfahrzeuge könnte tödlich enden. „Die Angst davor habe ich nach 37 Jahren im Beruf abgelegt, aber der Respekt bleibt da“, sagt Fluck. Ein Tempolimit wünscht er sich trotzdem.
Auch sein Chef Gerhard Braun sagt: „Man muss jeden Tag Respekt haben, man kann an diese Arbeit nicht so locker und gechillt rangehen. Man muss mit allem rechnen. Da fahren 100 Lastwagen vorbei, die sind alle aufmerksam. Aber der 101. kann abgelenkt sein, und schon wird es lebensgefährlich für uns.“
Sie suchen das Abenteuer
Dietmar Fluck war an diesem Vormittag unterwegs auf Streckenkontrolle, später wird er mit seinen Kollegen noch einige Schilder montieren. Ab 16 Uhr hat er Bereitschaftsdienst. Das bedeutet: An 365 Tagen Jahr, 24 Stunden lang müssen mindestens vier Mann auf Abruf bereit sein. Auch an Weihnachten, auch nachts, auch – und gerade – bei Schneechaos im Winter.
„Mit zunehmendem Alter wird das anstrengend, aber in jungen Jahren, hat man die Herausforderung gesucht“, erzählt Dietmar Fluck, während sein Kinn angesichts der Kälte tiefer im Kragen der orangenen Jacke verschwindet. Jeder Einsatz sei wie ein Abenteuer.

Doch Wind und Wetter machen den Vier normal nichts aus. „Man gewöhnt sich dran, wir haben gute Arbeitskleidung“, sagt Manuel Stark lapidar und lacht. Für jemanden, der im Büro oder am Fließband arbeitet, nur schwer vorstellbar.
Doch besonders im Winter kann der Bereitschaftsdienst gefährlich werden. Um 22 Uhr endet die Räumpflicht für normale Straßen. Werden die Männer nachts gerufen, sind sie die Ersten, die auf dem Weg zur Autobahn über vereiste und zugeschneite Straßen fahren müssen, erklärt Gerhard Baum: „Das ist nicht ohne. Aber irgendwie muss man ja ankommen.“
Autofahrer haben oft kein Verständnis für Sperrungen
Schätzen die Leute diesen Einsatz überhaupt? Oft würden sich Autofahrer bei ihnen bedanken, für eine geräumte Straße oder einen sauberen Parkplatz, berichtet Fluck von persönlichen Gesprächen im Dienst.
Doch nicht immer ist das Verständnis der Autofahrer da, wenn sie eine Fahrbahn sperren. „Solange der Verkehr flüssig läuft, werden wir wenig wahrgenommen, erst wenn wir was sperren. Und dann denken manche, wir machen es schlimmer. Dabei helfen wir, dass es möglichst schnell wieder weitergeht“, erzählt Fluck.
Die negativen Reaktionen reichen von persönlichen Beschwerden über Emails und Briefe bis hin zu Anrufen bei der Autobahnmeisterei, sagt Braun – und hofft, dass den Autofahrern künftig bewusst ist, dass seine Leute mehr machen, als nur Müll aufzusammeln.