In Guernsey lässt es sich leben. Die Insel im Ärmelkanal lockt mit „kontinentalem Flair, atemberaubenden Klippenwegen und abgelegenen Buchten“. Sie bietet laut Tourismusverband für die Zeit nach Corona kurzum ein „einzigartig anderes Urlaubserlebnis“.

Mitten in diesem Paradies – genauer gesagt in einer belebten Straße im sechsten Stockwerk eines Gebäudes am Hafen der Hauptstadt St. Peter Port – sitzt eine Firma, die es unter anderem auf arglose Bürger aus Deutschland abgesehen hat: PTS Limited heißt der Betreiber der Webseite www.digitale-einreiseanmeldung.de.

Angebot kursiert unter Grenzgängern

Das Portal kursierte zuletzt auch unter deutsch-schweizerischen Grenzgängern in den sozialen Netzwerken. Nach SÜDKURIER-Recherchen hat sie jetzt Kriminalermittler auf den Plan gerufen. Es könnte sich dabei um strafbare Werbung handeln.

Anbieter wirbt mit besonderem Service – verlangt dafür aber Geld

Die Webseite erweckt auf den ersten Blick einen offiziellen Charakter, samt Verwendung von Schwarz-Rot-Gold. Wer nicht genau hinschaut, könnte sich auf dem vom Robert-Koch-Institut (RKI) bereitgestellten Portal www.einreiseanmeldung.de wähnen – nicht zuletzt wegen der ähnlichen URL. Seit November muss bei der Einreise in die Bundesrepublik aus einem Risikogebiet ein digitales Formular ausgefüllt werden.

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Wesentlicher Unterschied: PTS verlangt für seinen Service 25 Euro pro Einreise, die Einreiseanmeldung über die Behörde ist dagegen gratis. Etwas versteckt erklärt der Anbieter aus Guernsey, dass seine Seite ein „nichtstattlicher Dienst“ ist und verlinkt auf die RKI-Homepage – nicht ohne ausgiebig auf die Vorteile des eigenen Angebots (“stressfrei“, „sorgenfrei“, „ohne Risiko“) hinzuweisen.

Der Screenshot zeigt die zusätzlichen Services, die der Anbieter des kostenpflichtigen Dienstes www.digitale-anreiseanmeldung.de für ...
Der Screenshot zeigt die zusätzlichen Services, die der Anbieter des kostenpflichtigen Dienstes www.digitale-anreiseanmeldung.de für Einreisende übernehmen will. Insbesondere der Hinweis einer fehlenden Geld-zurück-Garantie beim offiziellen Portal des Robert-Koch-Instituts stellt laut Experten für Cyberkriminalität mutmaßlich unerlaubte Werbung dar. Schließlich ist die Nutzung von einreiseanmeldung.de ohnehin kostenfrei. | Bild: Screenshot/ digitale-anreiseanmeldung.de

Landeskriminalamt hat Ermittlungen aufgenommen

Die Abteilung für Wirtschaftskriminalität des Landeskriminalamts Baden-Württemberg habe die Ermittlungen aufgenommen, erklärt Pressesprecher Jörg Lauenroth auf Anfrage. Diese stünden am Anfang. Mit dem Hinweis auf ein laufendes Verfahren ergänzt Lauenroth nur: Schon wegen des Firmensitzes und damit möglicherweise einhergehenden Rechtshilfeersuchen dürfte die Arbeit kompliziert werden.

Darüber hinaus könnte sich auch die Rechtslage als kompliziert erweisen. Es gilt die Frage zu beantworten: Ist das Angebot zwar dreist, aber clever? Oder handelt es sich dabei um betrügerische Absichten? PTS nimmt zu sämtlichen Fragen über die Hintergründe auch nach mehrfacher Anfrage keine Stellung. Wie also kommt eine Firma aus Guernsey auf die Idee, aus der Corona bedingten Einreiseanmeldungen für Deutschland Profit schlagen zu wollen?

Vergleichbare Portale für USA-Reisen

Recherchen des SÜDKURIER zeigen: Neben der für Corona ausgelegten Webseite betreibt PTS Limited schon längere Zeit vergleichbare Portale – zum Beispiel für Reisen in die USA. Ein genauerer Blick auf digitale-einreiseanmeldung.de zeigt, dass man bei der Übersetzung schon einmal durcheinandergeraten kann. Hier wird – obwohl es um die Einreise nach Deutschland geht – darauf hingewiesen, „dass falsche Anträge zu Problemen bei der Einreise nach Spanien führen können“.

„Probleme bei der Einreise nach Spanien“: Die fälschliche Übersetzung, die dieser Screenshot dokumentiert, legt den Schluss ...
„Probleme bei der Einreise nach Spanien“: Die fälschliche Übersetzung, die dieser Screenshot dokumentiert, legt den Schluss nahe, dass der Anbieter von digitale-anreiseanmeldung.de ähnliche andere Portale betreibt. | Bild: Screenshot/ digitale-anreiseanmeldung.de

In Bayern gingen bereits erste Anzeigen ein

Auskunftsfreudiger als die Ermittler aus Baden-Württemberg ist in dieser Sache das LKA Bayern. Zwar führe es bislang keine eigenen Ermittlungen durch, teilt Fabian Künzig von der Pressestelle mit. Allerdings lägen in Bayern bereits vereinzelt Anzeigen möglicher Geschädigter vor.

Der Polizeisprecher nennt „sehr niedrige Fallzahlen im einstelligen Bereich“. Künzig betont jedoch auch, dass es sich um einen dynamischen Stand handle, „der sich auch auf rückwirkende Zeiträume durch laufende Ermittlungen kontinuierlich ändern kann“.

Handelt es sich bei dem Service um Betrug oder Wucher?

Eine rechtliche Einordnung des Services von PTS Limited liefert die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg. Laut der Experten der dort ansässigen Zentralstelle für Cybercrime liege kein strafrechtliches Vergehen vor. Zum einen, weil aktuell anzunehmen sei, dass „neben der Beantragung auch weitere Leistungen erbracht werden“. Deshalb dürfte es sich nicht um Betrug handeln.

Auch Wucher liege nicht vor, da eine Beratung als „Zusatznutzen zur reinen Antragstellung erbracht wird, der wohl noch in keinem Missverhältnis zur Zahlung von 25 Euro steht“.

Ist das dann überhaupt gegen das Gesetz?

Somit verbliebe die strafbare Werbung, ein Vergehen gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, das mit Geldstrafe oder maximal zwei Jahre Freiheitsstrafe geahndet wird. Der Grund laut Bamberger Generalstaatsanwaltschaft: Der Betreiber der kostenpflichtigen Variante deute fälschlicherweise an, dass die Anmeldung über die offizielle Seite ebenfalls kostet. Dies, indem er darauf verweist, dass das RKI zwar „eine sichere Zahlung“ aber keine „Geld-zurück-Garantie“ anbietet.