Mit einem Lächeln im Mundwinkel schwärmt Theo Schlegel vom Strandbad Friedrichshafen, seiner Schönheit, der Weite – und der friedlichen Ruhe, die an diesem frühen Mittwochnachmittag Ende Juni vorherrscht. Das ist Theo Schlegels Reich, seit 1999, als der ausgebildete Schwimmmeister hier die Betriebsleiter-Stelle übernahm.
Der Start in seine erste Saison, erinnert sich Schlegel, der stets das A und das I im Wort Saison einzeln betont, fiel damals sprichwörtlich ins Wasser. Durch das Jahrhunderthochwasser am Bodensee vor etwas mehr als 20 Jahren war auch das Strandbad der Zeppelinstadt geflutet worden.
„Es ist ein wunderschönes Bad und es herrscht eine familiäre Stimmung“
Doch der verunglückte Start konnte Theo Schlegels Freude über die neue Stelle damals nicht trüben. Und sie hält bis heute an. „Mir macht es einfach Spaß hier. Es ist so ein wunderschönes Bad. Und auch die Gäste, es ist eine wirklich familiäre Stimmung“, sagt der braun gebrannte 61-Jährige, während er an der Rückseite des Eingangshäuschens seines Bades im Schatten auf einer Bank sitzt – und dabei auf die laut ihm 30.000 Quadratmeter große Liegewiese blickt, von der ein langer Steg hinaus auf den Bodensee führt.

Wie familiär es im Strandbad zugeht, zeigt sich bei einem späteren Rundgang mit dem Betriebsleiter durch sein Bad. Man kommt kaum einen Meter voran, ohne dass Gäste Theo Schlegel grüßen und am liebsten ein kleines Schwätzchen mit ihm halten würden.
Bademeister-Beruf in die Wiege gelegt
Für den 61-Jährigen war schon früh klar, dass er Schwimmmeister werden will. Sein Vater arbeitete seit 1960 als Bademeister im Fischbacher See- und Hallenbad, 1976 bezog die Familie sogar eine Dienstwohnung direkt im Freibad. „Ich bin dort aufgewachsen“, sagt Theo Schlegel, der in seiner Jugend Leistungsschwimmer war und als 17-Jähriger in damaliger Rekordzeit den Bodensee zwischen Romanshorn und Friedrichshafen überquerte.
1976 begann er seine Ausbildung zum Schwimmmeister, diente anschließend zwei Jahre bei der Bundesmarine und arbeitete dann in verschiedenen städtischen Bädern in Friedrichshafen, bevor er Betriebsleiter des Strandbads wurde. 46 Jahre ist es nun her, dass sich Theo Schlegel für den Bademeister-Beruf entschieden hat. Bereut habe er das noch keinen einzigen Tag. „Für mich gab es nie was anderes als den Beruf.“
Zeiten ändern sich: Bademeister sind Mangelware
Viele junge Menschen sehen das heute offensichtlich anders. Der baden-württembergische Landesverband deutscher Schwimmmeister warnte unlängst, dass viele Bäder nicht mehr alle Stellen besetzen können, um den Betrieb zu gewährleisten.
Deutschlandweit fehlten über 2000 ausgebildete Fachkräfte. Zudem hätten sich viele Saisonarbeiter während der coronabedingten Schließungen neue Jobs gesucht. Und auch an Bademeister-Nachwuchs mangele es. „Die Situation ist prekär“, so der Landeschef des Schwimmmeisterverbands, Edgar Koslowski.
Die Situation in Schwimmbädern der SÜDKURIER-Region
Im Strandbad Friedrichshafen hat Theo Schlegel mit seinem Team noch Glück. Öffnungszeiten mussten bisher keine gekürzt werden. Doch auch hier ist alles auf Kante genäht, wie man Schlegels Ausführungen entnehmen kann. „An Spitzentagen fehlt es immer“, sagt er – und meint damit vor allem die Wochenenden, wenn teilweise täglich über 4000 Leute das Strandbad aufsuchen, darunter Ausflügler, die aus Stuttgart an den Bodensee strömen.
Mit den Fachangestellten für Bäderbetriebe, wie Schwimmmeister neu heißen, allein jedenfalls sei der Betrieb sowieso nicht aufrechtzuerhalten, so Schlegel. „Wir brauchen Rettungsschwimmer, ganz, ganz dringend. Daran mangelt es vor allem.“ Aber auch auf dem Fachkräftemarkt sehe es düster aus. „Man kriegt keine mehr.“

Ein Grund für diesen Mangel allerorten sieht der Schwimmmeister-Verband in den Arbeitszeiten, die wenig Raum für Privates und eine eigene Familie ließen. Dass es diese tatsächlich in sich haben, zeigt der Tagesablauf von Theo Schlegel: Von Mitte Mai bis Mitte September ist er sechs Tage die Woche immer ab 7 Uhr im Strandbad, zwei Stunden lang reinigt er mit einem anderen Mitarbeiter den Steg und die Badeflöße von Vogeldreck, putzt Planschbecken und Liegewiese, bringt den Sandstrang mit einem Rechen auf Vordermann.
Während nach Badöffnung seine Kollegen auf dem Steg die Aufsicht über die Schwimmer innehaben, erledigt der Betriebsleiter allerhand Verwaltungsaufgaben. „Ab 11 Uhr bin ich dann im Einsatz, gehe mit zur Aufsicht. Vor allem im Eingangsbereich bin ich der Ansprechpartner, auch für die vielen Wehwehchen wie Schnittverletzungen, Bienenstiche oder ein kaputtes Schloss.“

Und ab und an hilft er auch auf dem Steg aus. Um 18 Uhr schließlich hat Theo Schlegel Feierabend – eigentlich. „Wenn es manchmal nicht anders geht, bleibt man länger. Wenn an den Wochenenden über 4000 Gäste ins Strandbad kommen, kann ich die Aufsichten und die Kassiererin nicht alleine lassen. Oder jemand fällt krankheitsbedingt aus, dann bleibst schon da.“ So können dann aus den üblichen zehn schnell mal zwölf bis zwölfeinhalb Arbeitsstunden werden.
Ungeübte Schwimmer, respektlose Gäste
Hinzu kommen die Arbeitsbedingungen. Schlegel schildert, dass er und sein Team in den vergangenen Jahren immer öfters in den Einsatz mussten, um Menschen aus dem Wasser zu fischen. „Üblicherweise hat man in der ganzen Saison zwischen fünf und zehn Einsätzen. Dieses Jahr haben wir Stand heute schon fünf gehabt.“ Der Grund: Es gingen vermehrt Leute in den See, die nicht richtig schwimmen können und sich überschätzen.
Und der Respekt habe nachgelassen, so Schlegel. Vor allem am Wochenende, wenn größere Gruppen aus dem Umland nach Friedrichshafen strömten, seien auch solche darunter, die die Aufsichtskräfte provozierten, indem sie Musik laufen lassen oder Ball spielen, wo dies nicht erlaubt ist. Zu körperlichen Übergriffen auf Bädermitarbeiter, wie man das aus Großstädten höre, sei es aber bisher nicht gekommen.
Für den altgedienten Bademeister gibt es aber sowieso einen anderen entscheidenden Grund, warum nicht mehr so viele den Bademeister-Beruf ergreifen wollen wie früher: „Er wäre attraktiver, wenn man die Bezahlung hochsetzen würde.“

Doch was auch immer der ausschlaggebende Grund ist: Gegen den Bademeistermangel muss schnell vorgegangen werden. Das zeigt sich auch in Friedrichshafen. Drei Saisons hat Theo Schlegel noch vor sich, bis er in Rente geht. „Ich suche eigentlich schon seit Jahren einen geeigneten Nachfolger.“ Bisher ohne Erfolg. Ein Grund zur Sorge? Theo Schlegel winkt ab: „Auch das kann sich von Saison zu Saison sehr schnell ändern.“
Die Saisons, die ihm noch bleiben, wird der 61-Jährige auf jeden Fall noch in vollen Zügen genießen. Die Zeit vergehe jeweils wie im Flug, so Schlegel. Auf vier intensive Sommermonate folgten jeweils acht, während derer das Bad fit für die Überwinterung gemacht, Urlaub genommen und in den Hallenbädern ausgeholfen werde. „Und schon ist jeweils Winter und schon freue ich mich auf die nächste Saison.“