„No nipple is free until all nipples are free!“, auf deutsch: „Keine Brustwarze ist frei, bis alle Brustwarzen frei sind“ – unter diesem Motto protestierte das feministische Bündnis 'Gleiche Brust für alle' vor einem Jahr in Berlin 'gegen ein Verhüllungsgebot in öffentlichen Parks'. Anlass war ein Platzverweis, den die Polizei einer Frau erteilte, die sich mit nacktem Busen in einem Park gesonnt hatte.

„Gleiche Brust für alle“ trat nun vor wenigen Wochen erneut in Göttingen in Erscheinung, nachdem eine Person, die sich selbst weder als Frau noch Mann definiert, ohne Bikinioberteil in einem Schwimmbad unterwegs war und dafür ein Hausverbot erhielt. Denn die Badverantwortlichen hatten sie als Frau wahrgenommen, die laut Hausordnung nicht „oben ohne“ schwimmen durfte.

Zeitenwende in der Brustwarzen-Frage?

Inzwischen dürfen in Göttinger Schwimmbädern alle, unabhängig vom Geschlecht, an Wochenenden oberkörperfrei sein. Und in Berlin hat vor wenigen Wochen die Frau, die vor einem Jahr den Platzverweis kassiert hatte, Klage eingereicht. In der Schweiz forderte jüngst eine sozialdemokratische Politikerin eine Oben-ohne-Erlaubnis für eidgenössische Frei- und Hallenbäder an allen Wochentagen.

Demonstrantinnen tragen im Juli 2021 die Aufschrift „My body my choice“ (Mein Körper meine Wahlfreiheit) auf ihrem Rücken ...
Demonstrantinnen tragen im Juli 2021 die Aufschrift „My body my choice“ (Mein Körper meine Wahlfreiheit) auf ihrem Rücken während eines Oben-ohne-Radkorsos in der Berliner Innenstadt. | Bild: Paul Zinken/AFP | SK-Archiv

Es scheint also einiges zu gehen in Sachen Brustwarzen-Freiheit für alle. Doch schwappt der Kampf um die Befreiung des weiblichen Oberkörpers auch an den Bodensee? Der SÜDKURIER hat sich bei einigen Städten und Bäderbetrieben der Region umgehört, welche Regeln dort im öffentlichen Raum und in Strandbädern gelten – und ob überhaupt ein Bedürfnis nach mehr Oberkörperfreiheit besteht.

Konstanz: Im Schwimmbad eher zu viel als zu wenig Stoff

In Konstanz gibt es laut Stadtpressesprecher Walter Rügert keine Beschwerden wegen des oberkörperfreien Flanierens oder Sonnens im öffentlichen Raum. Deshalb sehe die Stadtverwaltung aktuell auch keinen Regelungsbedarf. Rügert verweist aber auf die städtische Polizeiverordnung, nach der „zumindest Badekleidung“ tragen muss, wer sich am Bodensee- oder Rheinufer „im Sichtbereich öffentlicher Wege und Anlagen“ aufhält.

Das Seerheinufer in Konstanz.
Das Seerheinufer in Konstanz. | Bild: Andreas Schuler | SK-Archiv

Von der städtischen Bekleidungsvorschrift in Wassernähe ausgenommen sind als FKK-Anlagen gekennzeichnete Stellen, wie man sie im „Hörnle“ genannten Strandbad Horn findet. Die Bädergesellschaft Konstanz (BGK) betreibt neben dem Hörnle auch die weiteren Strand- und Hallenbäder der Stadt. In diesen muss laut BGK-Geschäftsführer Robert Grammelspacher „allgemein übliche Badekleidung“ getragen werden.

Frauen sei es nicht erlaubt, sich oberkörperfrei außerhalb des Sauna- und FKK-Bereichs in Konstanzer Bädern zu sonnen, „denn ein Bikinioberteil beziehungsweise ein Badeanzug sind Bestandteil der üblichen Badekleidung“, so Grammelspacher weiter.

Das Konstanzer Strandbad Hörnle.
Das Konstanzer Strandbad Hörnle. | Bild: Andreas Schuler | SK-Archiv

Bisher sei gegenüber der BGK aber auch noch nie der Wunsch geäußert worden, dies zu ändern. Und man habe auch nie einschreiten müssen, weil jemand zu freizügig unterwegs war. „Es kommt eher vor, dass manche Gäste zu viel anbehalten wollen, wenn sie die Schwimmbecken aufsuchen, also etwa zwei Shorts, die keine Badehosen sind“, so Grammelspacher.

Überlingen: Recht auf Nacktheit hört auf, wenn andere sich belästigt fühlen

Auch bei der Überlinger Bodensee-Therme orientiert man sich „an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen“, erklärt Philipp Quell, Geschäftsführer der Thermenbetreiberin Aquapark Management GmbH.

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Und bisher sei von Gästeseite auch noch nicht der Wunsch nach mehr Oberkörperfreiheit geäußert worden, so Quell, der darauf hinweist, dass auch in der Überlinger Therme generell geeignete Badekleidung vorgeschrieben ist. Ausnahme ist auch hier der Saunabereich.

Von städtischer Seite sind in Überlingen derweil keine Regelungen getroffen worden, die über das bundesweit gültige Ordnungswidrigkeitengesetz hinausgehen, das die „Belästigung der Allgemeinheit“ verbietet, wie Pressesprecherin Andrea Winkler erklärt.

Winkler betont: „Die Grenze des persönlichen Rechts auf Nacktheit hört dort auf, wo sich Dritte gestört oder belästigt fühlen.“ Deshalb müsse auch jeder Fall für sich geprüft werden. „In der Praxis wird nicht sofort ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet.“

Friedrichshafen: Kein Unterschied zwischen Männern und Frauen

Auch in Friedrichshafen wird auf das Ordnungswidrigkeitengesetz verwiesen. Ob aber das Entblößen des Oberkörpers eine „grob ungehörige Handlung“ ist, müsse im Einzelfall entschieden werden. Grundsätzlich müsse dafür eine grobe Rücksichtslosigkeit gegenüber Mitbürgern vorliegen. Blank betont aber: „Eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Männern und Frauen gibt es nicht.“

Das Frei- und Seebad Fischbach in Friedrichshafen.
Das Frei- und Seebad Fischbach in Friedrichshafen. | Bild: Lena Reiner | SK-Archiv

Für die Häfler Bäder scheint die Sache klarer zu sein: Deren Haus- und Badeordnung schreibt wie die der Konstanzer Bäder und der Überlinger Therme „geeignete Badebekleidung“ für die Nassbereiche vor.

Lindau: Freizügiger als die Nachbarn

Freizügiger als in so manchem baden-württembergischen Strandbad am Bodensee scheint es im bayerischen Lindau zu und herzugehen. Sowohl in Therme als auch Strandbad sei es allen – männlich, weiblich wie divers – erlaubt, sich oberkörperfrei aufzuhalten und oben ohne zu schwimmen, so Stadtpressesprecherin Tarja Prüss.

Die Lindauer Altstadtinsel.
Die Lindauer Altstadtinsel. | Bild: Thomas Warnack/dpa | SK-Archiv

Früher habe der Freistaat eine entsprechende allgemeine Bekleidungsregelung gekannt, dies sei nun Sache der Kommunen. „Da es in Lindau bislang keinen Anlass dazu gab, sehen wir als Stadt derzeit keinen Regelungsbedarf in dieser Sache.“ Ob es sich um eine Ordnungswidrigkeit handele, wenn jemand oberkörperfrei in der Stadt unterwegs sei, müsse vermutlich in jedem Einzelfall neu entschieden werden. Aber dafür sei das Landratsamt zuständig, so Prüss.

Bregenz: „Oben ohne“ könnte sogar im Gefängnis enden

Was in Bayern passé ist, besteht im österreichischen Vorarlberg fort. Hier schreibt das Sittenpolizeigesetz des Landes vor, dass öffentliches Baden „nur in üblicher Badekleidung gestattet“ ist. Damit sei laut Verordnung eine Badehose, ein Badeanzug, ein Bikini „oder eine in Vorarlberg übliche Badebekleidung gemeint“, wie die Kommunikationsverantwortliche der Landeshauptstadt Bregenz, Susanne Valentin, erklärt. Was regional oder aktuell üblich sei, werde aber eher großzügig ausgelegt.

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Allerdings können Gemeinden Bereiche bestimmen, die von dieser Regelung ausgenommen sind. In Bregenz sei dies aktuell für die im Volksmund als Schweinebucht bezeichnete Bilgeri-Bucht geplant, die zur FKK-Zone erklärt werden solle. Die Bucht zieht laut österreichischen Medien bereits jetzt FKK-Badegäste an, trotz – noch – geltenden Nacktbadeverbots.

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Im restlichen öffentlichen Raum greift das Sittenpolizeigesetz von 1976, so Valentin. Laut diesem läge eine Ordnungswidrigkeit vor, wenn eine Frau oberkörperfrei und ein Mann nackt unterwegs sei. „Die Folgen wären eine Abmahnung beziehungsweise eine Anzeige mit Geldstrafe, die bei Verweigerung sogar mit Gefängnisstrafe geahndet werden könnten.“ Im Alltag werde bei solchen Situationen aber nur eingegriffen, wenn sich andere Bürger belästigt fühlten.

Schweizer Bodenseeufer: Sind Eidgenossen lieber im Ausland nackt?

In der Schweiz wiederum gibt es weder auf Bundes- noch Kantonsebene ein Gesetz, dass Nacktheit in der Öffentlichkeit generell verbietet. Ähnlich wie in Deutschland ist sie jedoch strafbar, wenn sie sexuell motiviert ist, etwa als Exhibitionismus. Zudem gibt es in fast jedem Kanton ein Gesetz, das unanständiges Benehmen in der Öffentlichkeit verbietet. Ob Nacktheit darunter fällt, hängt vor allem davon ab, ob sich andere Personen daran stören und Anzeige erstatten.

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Auch für Schwimmbäder existieren in der Schweiz keine generell gültigen Regelungen. Jedes Bad kann diese in ihrer eigenen Hausordnung festlegen. Und diese unterscheiden sich teilweise stark, wie ein Überblick des St. Galler Tagblatts zeigt. So ist Frauen das oberkörperfreie Baden und Sonnen beispielsweise in der Badhütte Rorschach gemäß Badeordnung der Stadt untersagt, während es im Romanshorner Seebad und der Stadt Arbon hierfür weder Verbote noch Gebote gibt.

Aus beiden Orten heißt es jedoch, dass auch keinerlei „Oben-ohne“-Bade-Bedürfnis wahrnehmbar sei. Der Arboner Sportamtsleiter Markus Rosenberger mutmaßt: „Vielleicht reist die Schweizer Bevölkerung dafür auch lieber in die Ferne, um anonym zu bleiben.“