Als die Polizei kam, versuchte einer der Männer noch, durchs Fenster zu flüchten. Doch er konnte im Hof gefasst werden, als Ermittler im September 2022 mehrere Wohnungen aus dem Umfeld der verbotenen rockerähnlichen Gruppierung „United Tribuns“ durchsuchte. So schildert es einer der Polizeibeamten, die an diesem Mittwoch als Zeugen am Landgericht Konstanz geladen sind.
Der, der damals gefasst wurde, sitzt nun mit Fußfesseln und vier weiteren Angeklagten im Gerichtssaal. Den Männern wird Drogen- und Menschenhandel vorgeworfen – die lange Anklageschrift hatte die Staatsanwaltschaft beim Prozessauftakt verlesen. In den Wohnungen, die damals durchsucht wurden, fanden die Ermittler viel Bargeld und einen Haufen Betäubungsmittel.
Drei Angeklagte gestehen
Schwiegen die Angeklagten zu Prozessbeginn noch, hatte sich zuletzt hatte abgezeichnet, dass ein Teil der Angeklagten Geständnisse ablegen würde. Die jeweiligen Verteidiger, Staatsanwaltschaft und das Gericht hatten sich hinter verschlossenen Türen über einen Strafrahmen verständigt, der dennoch mehrjährige Freiheitsstrafen vorsieht.
Die Geständnisse gibt es nun zu Beginn des dritten Verhandlungstages: Drei der Angeklagten räumen einen Großteil der Vorwürfe über ihre Anwälte ein, die Taten hätten sie begangen, um ihren Drogenkonsum zu finanzieren. Sie seien bereit, eine Suchttherapie zu machen und sich von Sachverständigen dafür begutachten zu lassen. Zwei der Geständigen versuchen zudem, einen vierten Angeklagten zu entlasten. Er sei nur an wenigen Aktionen beteiligt gewesen, es habe sich lediglich um Freundschaftsdienste gehandelt.
Es bleibt ein komplexer Prozess
Im Anschluss bleibt es trotz der Geständnisse ein komplexer Prozess, bei dem die Beteiligten immer wieder versuchen, zu entwirren, welcher der Angeklagten an welchen Taten beteiligt war. Als Zeuge sagt einer der mit den Ermittlungen betrauten Polizeibeamten aus. Bereits im Juni 2021 begann die Polizei demnach mit ihrem Verfahren, nachdem zuvor bereits in der Schweiz gegen die „United Tribuns“ ermittelt wurde.
Die Polizei hörte in der Folge unter anderem Fahrzeuginnenräume ab, wertete eine Überwachungskamera in der Nähe des vermeintlichen Drogenbunkers der Angeklagten in Villingen-Schwenningen und die Mobiltelefone der Anklagten aus.
Der Polizeibeamte sagt aus, dass zumindest einer der Angeklagten Mitglied der „United Tribuns“ sei. Selbiger habe in der Zeit der Ermittlungen zwei Frauen der Prostitution zugeführt und sei immer wieder auch in Bosnien gewesen, wo sich der flüchtige Gründer der Gruppe, Armin „Boki“ C., aufhält.
Ein weiterer Angeklagter habe Frauen dazu gebracht, sich zu prostituieren, indem er ihnen eine Beziehung vorspielte. Das Geld, das die Frauen so verdienten, hätten die Männer einbehalten. Laut einer der Geschädigten seien das knapp 1000 Euro pro Arbeitstag gewesen, sagt der Ermittler.
Er verweist ferner auf ausgetauschte Nachrichten zwischen manchen der Angeklagten und dem Sohn des „United Tribuns“-Gründers. Dieser wird gesondert verfolgt, er ist aus Deutschland geflüchtet und hält sich vermutlich ebenfalls in Bosnien auf. Er sei an vielen der Taten beteiligt gewesen. Dazu zählt auch der Import von Drogen aus der Schweiz und den Niederlanden.
Ein handgeschriebener Text
Nur: Wer in den abgehörten Gesprächen wann was über wen gesagt oder geschrieben hat und welche Angeklagten dementsprechend welche Rolle bei den Drogengeschäften spielten, bleibt etwas diffus. Das kann auch der Polizeibeamte nicht immer sagen, wie die Verteidiger durch ihre vielen Fragen aufzeigen. Aus allen Schilderungen scheint es aber so, als sei einer der Angeklagten nur ein Fahrer und Drogenkurier gewesen. Er ist einer der Geständigen und aktuell auf freiem Fuß.
Der junge Mann hat einen Zettel in den Gerichtssaal mitgebracht, darauf hat er einige Angaben zu seiner Person gemacht, die er verliest. Mit 16 Jahren habe er angefangen, Cannabis zu konsumieren. Nachdem er nach der Realschule auf ein Gymnasium gewechselt war, wirkte sich der Konsum dort negativ auf seine Noten aus. Er sei abgerutscht. Seit er aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, habe er nicht mehr konsumiert und bemühe sich um eine Therapie. Dann hätte die Haft ja etwas Gutes gehabt, kommentiert das der Vorsitzende Richter Joachim Dospil.
Als ihm der mit der Hand beschrieben Zettel später übergeben wird, sagt Dospil: „Sieht ordentlich aus. Das gibt schon mal ein Sternchen.“ Ob der Zettel dem Angeklagten zum Vorteil gereicht, wird sich bei der Urteilsverkündung zeigen. Fünf weitere Verhandlungstage sind aktuell noch angesetzt, der nächste ist der 17. November.