Herr Kubicki, als erster Politiker nach der Corona-Pause müssen Sie sich am „Schmotzigen Dunschtig“ vor dem Stockacher Narrengericht verantworten. Was glauben Sie, weshalb gerade Sie auf der Anklagebank der Narren landen?
Wahrscheinlich, weil ich dafür bekannt bin, sehr zurückhaltend in meiner Wortwahl zu sein (lacht). Die Anklage habe ich jedenfalls bereits zugesandt bekommen – und ich muss sagen: beachtlich.
Als Beklagter wandeln Sie auf den Spuren von Angela Merkel, Peter Altmaier und Cem Özdemir. Was können Sie von denen lernen?
Von Altmaier und Merkel gar nichts, die sind auch nicht mehr im Amt. Von Cem Özdemir kann ich wahrscheinlich lernen, dass man noch ministrabel ist, wenn man das Stockacher Narrengericht denn erfolgreich hinter sich bringt.
Sie sind seit mehr als 50 Jahren bei der FDP – der Kläger des Narrengerichts ist Mitglied der CDU. Das klingt nach einem Nachteil. Wie sehen Sie das?
Ich bin von Haus aus Strafverteidiger und weiß mich gegen die Angriffe des Klägers zu wehren. Wir Männer aus dem Norden sind außerdem nicht bekannt für unsere Fröhlichkeit, insofern passe ich gut zur Badener Fasnacht. Ich denke, es wird einen schönen Austausch geben.
Im Südwesten scheiterten die Liberalen kürzlich mit einem Genderverbot an Schulen, Universitäten und Behörden. Was halten Sie von Genderstern und Binnen-I?
Wenn ich das höre, habe ich immer das Gefühl, die Menschen hätten ein Sprachproblem. Solange das Gendern für niemanden verpflichtet wird, ist es mir aber mehr oder weniger egal.
Haben Sie selbst schon gegendert?
Einmal im schleswig-holsteinischen Landtag. Da habe ich eine Rede gehalten und die Gendersternchen einfach mitgelesen. Nach zwei Sätzen haben selbst die Grünen mich aufgefordert, es bitte sein zu lassen.
Das Narrengericht baut in diesem Jahr auf Ihre ungefilterte Rhetorik. Steht die Rede schon?
Ja und nein. Es können täglich neue Ereignisse hinzukommen, die wesentliche Punkte der Rede stehen aber bereits. Die möchte ich nicht verraten, nur so viel: Neben einer Verteidigung kann man auch Angriffe fahren.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Als Norddeutscher, der sich vor dem Narrengericht wegen Sexismus rechtfertigen muss, finde ich es bemerkenswert, dass die Verhandlung ausgerechnet an einem Tag stattfindet, den man beim Karneval im Westen der Republik als Weiberfasching oder Weiberfasnacht bezeichnet. Im Ländle ist es der „Schmutzige Donnerstag“. Das ist Sexismus, wie er schlimmer nicht geht.
Sie schlagen verbal gerne über die Stränge – und nehmen dabei auch kein Blatt vor den Mund. Den türkischen Präsidenten etwa bezeichneten Sie als „Kanalratte“, zu Karl Lauterbach meinten Sie, in Ihrer Eckkneipe würde man zu ihm „Spacken“ oder „Dumpfbacke“ sagen. Tut Ihnen das hinterher leid oder würden Sie das genauso wieder sagen?
Das kommt immer auf die Umstände an. Im Fall von Erdogan war es nicht als reine Beleidigung gemeint. Abgesehen davon, hatte er sich nur beschwert, „kleine Kanalratte“ genannt worden zu sein und nicht „große Kanalratte“. Hintergrund war der, dass die Europäische Union der Türkei rund sechs Milliarden Euro dafür gezahlt hatte, in ihrem eigenen Hoheitsgebiet etwas für Flüchtlinge zu tun, aber Erdogan im letzten Jahr damit begonnen hat, Flüchtlinge wieder als Waffe Richtung Griechenland zu missbrauchen.
Wie war es im Fall von Lauterbach?
Das Wort „Spacken“ ist im Plattdeutschen die Bezeichnung für jemanden, der einem auf die Nerven geht. Dass Lauterbach vielen Menschen auf die Nerven gegangen ist, ist unbestreitbar. Er und ich haben ein sehr professionelles Verhältnis zueinander – und uns auf folgende Formel verständigt: Er ist der bessere Mediziner, ich bin der bessere Jurist.
Wobei ich ihm dann gesagt habe, Herr Lauterbach, Sie wissen, am Schluss entscheiden im Rechtsstaat immer die Juristen. Das hat ihn dann doch überrascht. Beschwert hat er sich aber nicht über „Spacken“, sondern über „Dumpfbacke“.
Annegret Kramp-Karrenbauer hatte im Nachhinein Ärger, weil sie sich über Toiletten für das dritte Geschlecht lustig machte. Sind die Leute zu empfindlich oder macht man darüber besser keine Witze?
Entweder wir feiern Karneval und Fasnacht oder wir lassen es sein. Wenn wir es feiern wollen, dann müssen wir auch Dinge aussprechen können, die wir im normalen Leben so nicht formulieren würden. Karneval hat im Rheinischen Gebiet als Persiflage auf die napoleonische Besatzung angefangen.
Und auch die Fasnacht hat etwas Befreiendes, sie soll uns ermutigen, uns stärker und gröber mit den Themen des Tages zu beschäftigen. Ich jedenfalls mache mir wegen des Narrengerichts keine Sorgen. Ich bin alt genug, kann jeden Shitstorm ab. Ich komme von der Küste. Wir wissen: Auch wenn der Wind von vorne kommt, kann man gut segeln.
Wo sind für Sie die Grenzen des guten Geschmacks bei einer Fasnachtsrede?
Da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Deshalb sollten wir gerade in der Fasnacht toleranter sein. Man muss nicht alles beklatschen, was von der Bühne kommt, man muss aber auch nicht unmittelbare Konsequenzen fürs persönliche Leben des Jeweiligen fordern.
Sie führten in den 80er Jahren selbst eine Kneipe. Hat Sie diese Vergangenheit gut auf das Narrengericht vorbereitet? Und auf die Politik?
Sie hat mich gut auf das Leben vorbereitet, weil man nirgendwo sonst Menschen besser kennenlernen kann. Ich habe erlebt, wie hier Schlägereinen begonnen haben. Ich habe erlebt, wie Menschen hier zusammenkamen und später geheiratet haben, ich habe gesehen, wie sie hier getrennte Wege gingen. Das prägt fürs Leben.
Sie auf der Anklagebank ist laut Narrengericht ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk an Alice Schwarzer. Wie finden Sie das?
Für mich ist das keine Beleidigung. Für Alice Schwarzer ist es auch keine, denke ich.
Sie gelten als letzter Dandy und Macho in der Politik. Sehen Sie sich selbst so?
So werde ich klassifiziert. Ich werde mich aber nicht davon abbringen lassen, Frauen in oder aus ihrem Mantel zu helfen. Ich werde mich nicht davon abbringen lassen, Frauen in Flugzeugen oder Bahnen den Koffer anzuheben. Und ich werde mich nicht davon abbringen lassen, höflich zu sein und ihnen die Tür aufzuhalten. Wenn das machohaftes Verhalten ist, dann bekenne ich mich dazu. Ein Tag beginnt meines Erachtens einfach schön, wenn man an der Ampel steht, auf die rechte Seite guckt, lächelt und ein Lächeln zurückkommt.
Unabhängig davon, ob es sich beim Gegenüber um eine Frau oder einen Mann handelt?
Ja, selbstverständlich. Trotzdem will und kann ich nicht verhehlen, dass ich einen Hang zu Frauen habe: Ich bin das dritte Mal verheiratet.
Sollte es nun doch zu einer Verurteilung mit Weinstrafe kommen. Woher käme dann der Wein?
Es wird sicher eine Weinstrafe geben. Ehemalige Angeklagte haben mir berichtet, dass der Weinkeller des Narrengerichts sehr leer sein soll. Als Strafverteidiger könnte ich allerdings anregen, das Verfahren einzustellen – gegen Auferlegung einer Buße. Die bin ich gerne bereit zu leisten, auch in Eimern. Der Wein würde dann wahrscheinlich aus der Region stammen.