Als harmloser Gigant erscheint der Feldberg den meisten, mit 1493 Meter Höhe liegt er mehr breit als steil in der Landschaft. Wie gefährlich der höchste Berg im Schwarzwald sein kann, wenn man ihn an der falschen Seite erwischt, zeigte der Sonntag: Ein Wintersportler, der mit einem Kollegen unterwegs war, wurde von einer Lawine erfasst und begraben. Der Mann konnte sich nach bangen Minuten selbst befreien. Die Rettungskette war zu diesem Zeitpunkt schon längst angelaufen.
Wenn Schnee auf Wind trifft
Die beiden Tourengänger waren auf ihren Skiern am späten Vormittag am Zastler Loch unterwegs – einem steilen Hang unterhalb der Feldbergspitze. Die Bedingungen schienen ideal, auch abseits der Piste häufte sich der Schnee. Doch dann löste sich eine Lawine sich aus einer Wächte (Schneeüberhang), die sich fast jeden Winter an der Abrisskante des Berges bildet. Durch den Schneefall in den letzten Tagen war die Wächte gewachsen und durch den Wind versteift worden.

Glück im Unglück: Der Skiläufer konnte sich selbst aus den Schneemassen befreien. Sobald er das geschafft hatte, gingen er und sein Kamerad zur Zastler Hütte und baten dort, die Bergwacht zu verständigen. Der Wirt alarmierte darauf die Bergwacht. Robert Schindler wohnt auch im Winter in der derzeit nicht bewirtschafteten Hütte.
Drei Ortsgruppen waren im Einsatz
34 Bergretter betreuten die beiden Skifahrer, darunter die Mitglieder der Ortsgruppe Freiburg an der Bergrettungswache auf dem Seebuck und deren Kollegen von den Ortsgruppen Hochschwarzwald und Todtnau. Alarmiert wurden zudem die Lawinenhundeführerin mit dem Spezialhund Monti. Zudem wurde eine Suchdrohne und ein Recco Lawinenverschütteten-Suchsystem. Die Rettungskräfte wollten sichergehen, dass nicht weitere Menschen verschüttet sind und suchten das Gelände ab.

Ursprünglich sollte auch der Hubschrauber eingesetzt werden. Dichter Nebel und Schneefall verhinderten, dass der Rettungshelikopter an den Feldberg fliegen konnte.
Experten rechnen seit Tagen schon mit einer Lawine
Warum die beiden Tourengänger unterwegs war, ist den Kennern des Geländes schleierhaft. „Schon die ganze Woche zuvor war vor Lawinen gewarnt worden“, sagt Hüttenwirt Robert Schindler im Gespräch. Seine Hütte liegt am Fuß des Zastler Lochs.

Allerdings gilt der Hang unter Skiläufern auch als sehr attraktiv. Unfallort war das sogenannte Kanonenrohr – eine rohrartige Abfahrt mit kräftigem Gefälle. Für geübte Wintersportler ist diese Passage interessant.
Wie ein Schneebrett brüchig wird und sich löst
Erst wenige Tage vor dem Unglück hatte Adrian Probst, Landesvorsitzender der Bergwacht, noch gewarnt. Die Kombination aus starkem Schneefall und scharfem Wind fördere den Aufbau von Lawinen. Probst sagte in einem Interview vor einer Woche: „Die Schneekristalle, die ganz eng miteinander verzahnt sind, brechen durch den Wind auseinander. Dadurch verlieren sie den Halt untereinander und es kann schneller zu dem Abriss eines Schneebretts kommen.“
Zu saisonalen Unfällen kommt es am höchsten Berg des Landes immer wieder. Erst vor vier Wochen war ein Mann verschüttet worden. Er war mit drei Begleitern abseits der Piste unterwegs gewesen. Die Bergwacht konnte ihn aus der drückenden Schneemasse befreien. Zu spät kam indessen die Hilfe für zwei Skitourengeher, die im Januar 2015 unterwegs waren. Beide verloren ihr Leben unter einer Lawine; sie wurden noch lebend geborgen, starben aber wenig später.
Kann man noch ungefährdet spazieren gehen?
Wintersportler fragen sich nicht erst seit dem Zwischenfall besorgt: Was ist an diesem gemütlich erscheinenden Familienberg eigentlich noch möglich? Ziemlich viel, sagt Bergwacht-Chef Adrian Probst. „Tourengehen ist erlaubt“, sagt er. Nur vereinzelte Strecken seien als Hotspots gekennzeichnet. Von deren Betreten rät er dringend ab. Dazu gehört das Zastler Loch, der Nordhang des Belchen oder das abschüssige Gelände Richtung Menzenschwand. Ansonsten sei Tourengehen – sicherlich die anspruchsvollste alpine Sportart – auch am Feldberg harmlos.
Das gilt auch für die Touren entlang der breiten Liftschneisen, die dieser Tage besonders beliebt sind. Da die Anlagen dieser Tage Corona-bedingt stehen, stapfen Skifahrer den Hang aus eigener Kraft hoch und sausen dann hinunter. Das sei an den Liften Grafenmatt oder Seebuck auch harmlos, sagt Probst. Die Hänge seien für eine Lawinenbildung zu flach. Lawinen können sich erst ab einem Gefälle von mehr als 30 Grad entwickeln, um sich lösen zu können.
Corona-Gewinner Schneeschuhe
Ungefährlich ist der Feldberg für Fußgänger oder Schneeschuhgänger. Wer sich an die markierten Wege hält, sei auf der sicheren Seite, heißt es bei der Bergwacht.
Die Erkundung der Natur mit Hilfe von Schneeschuhen entpuppt sich dabei als der Hit der Saison. „Schneeschuhe und Tourenausrüstungen sind ausverkauft“, berichtet Adrian Probst. Ihr Absatz habe sich teils verdoppelt im Vergleich zu den vergangenen Wintern. Der Grund liegt auf der Hand: Beide Sportarten können ausgeübt werden, ohne dass man auf technische Unterstützung angewiesen wäre. Man kann sie autonom praktizieren.
Fußgänger verlaufen sich in der Dämmerung
Die auf den Kopf gestellte Nutzung des Feldbergs verlangt von der Bergwacht andere Einsätze. Der klassische Skiunfall – meist Knochenbrüche – erscheint in dieser Saison kaum in der Liste der Notrufe. Dafür wird die Bergwacht bald jeden Tag von einsamen Wanderern gerufen, die sich im Nebel oder bei beginnender Dunkelheit verlaufen haben und nicht mehr wissen, wo sie sich befinden.
Auch mancher Langläufer setzt Notrufe ab, die mit der Sportart selbst wenig zu tun haben. Erst kürzlich wurden die Bergretter zu einem alten Herrn gerufen, der über massive Herz- und Kreislaufprobleme klagte.
Ein 95-Jähriger landete im Baum
Bei solch speziellen Aktionen sind die Helfer auf vieles gefasst. Im vergangenen Sommer halfen sie einem 95-Jährigen vom Baum herunter. Der Mann musste in seinem Gleitschirm eine Notlandung vornehmen und landete in den Wipfeln.