Ein neues Medikament für Hunde sorgt derzeit besonders in den USA für Aufruhr unter Hundehaltern. Das Medikament Librela des US-Herstellers Zoetis wird bei Hunden mit Arthrose verabreicht und soll den Tieren ein schmerzfreies Leben ermöglichen.

Katharina Schauermann und Partnerin Judith Wienecke aus Königsfeld waren mit der 13-jährigen Hündin Pia zum Tierarzt gegangen, weil diese auf dem Parkett wegrutschte und eine Hinterhandschwäche vorwies. Pia wurde mit Arthrose diagnostiziert, das Medikament wurde ihr verabreicht. „Dabei hatte sie gar keine Arthrose, sie wurde nicht einmal geröntgt“, sagen Schauermann und Wienecke jetzt im Nachhinein. Nach rund sieben Monaten und zwei Librela-Spritzen ist Pia an einer Thrombozytopenie verstorben.

Auf Social Media wird Librela kontrovers diskutiert

Über Fälle wie dem von Pia tauschen sich Hundebesitzer in den Sozialen Medien eifrig aus. In einer englischsprachigen Facebook-Gruppe gibt es über 34.000 Mitglieder, aber auch im deutschsprachigen Raum gibt es mehrere Gruppen mit teilweise über 10.000 Hundehaltern.

Von den Hundehaltern gibt es viel Kritik, auch Schauermann und Wienecke machen sich Vorwürfe, ihren „Seelenhund“ Pia mutmaßlich an das Medikament verloren zu haben.

Mittlerweile hat sich der Hersteller Zoetis zu Wort gemeldet und auf weitere SÜDKURIER-Anfragen auf die Kritik reagiert. Man sei nach wie vor fest von der Verträglichkeit und Wirksamkeit von Librela überzeugt, schreibt Zoetis.

Zwei Studien in den USA und der EU

Auch wehrt sich der Hersteller gegenüber der Kritik, dass zu wenig Forschung betrieben wurde. Laut Zoetis seien zwei klinische Studien mit insgesamt mehr als 550 Hunden in den USA und in der EU durchgeführt worden. In beiden Studien haben laut Zoetis Hunde im Alter von eins bis 17,5 Jahren teilgenommen.

Wie Zoetis weiter schreibt, nehme man jede Meldung über „unerwünschte Ereignisse“, also Nebenwirkungen, ernst. Viele der Nebenwirkungen seien aber unspezifisch und würden eine „detaillierte, diagnostische Aufarbeitung“ erfordern, da man nicht immer davon ausgehen könne, dass zwischen Nebenwirkung und Medikament ein kausaler Zusammenhang besteht. Unabhängig von der Kausalität werden auch alle weltweit gemeldeten Fälle der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) gemeldet.

Auch positive Erfahrungen finden sich im Netz

Auch der Fall der Hündin Pia sei dem US-Hersteller bekannt. Man sei Pias Leiden „gemäß der gesetzlichen Verpflichtung nachgegangen“ und habe versucht, Kontakt zu den Besitzerinnen aufzunehmen, um weitere Informationen zur Beurteilung der Kausalität zu erhalten, sagt Zoetis. Wie Zoetis sagt, haben Pias Besitzerinnen das Gespräch aber abgelehnt. Schauermann und Wienecke dementieren dem SÜDKURIER gegenüber hingegen, dass der US-Hersteller das Gespräch gesucht hat.

Weitere Kritik gegenüber Zoetis gibt es aufgrund eines Schreibens der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA. Zoetis bestätigt, dass es dieses gibt und der Hersteller auf die „missverständliche Darstellung von Signifikanzen in Grafiken auf der US-amerikanischen Website“ aufmerksam gemacht wurde, was aber angepasst worden sei. Das Schreiben habe sich aber nicht auf die allgemeine Wirksamkeit oder Verträglichkeit von Librela bezogen.

Auch hat die FDA einen vermeintlichen Warnbrief an Tierärzte in den USA verschickt. In diesem wurde zum ersten Mal auch der Tod als mögliche Nebenwirkung aufgeführt. „Hintergrund ist, dass aufgrund einer anderen Gesetzeslage in den USA auch nicht-kausale Nebenwirkungen in Fachinformationen aufgeführt sind“, sagt Zoetis. Somit sei nicht bestätigt, dass der Tod ein unerwünschtes Ereignis nach Gabe von Librela sei – daher werde der Tod laut Zoetis in der europäischen Fachinformation auch nicht als mögliche Nebenwirkung aufgeführt.

In den Sozialen Netzwerken gibt es aber nicht ausschließlich Negativ-Berichte über Librela. Viele Erfahrungsberichte sind positiv, oft heißt es, dass das Mittel den Hunden wieder zu mehr Lebensqualität verholfen hat. Auch in einer Donaueschinger Tierarztpraxis wird das Medikament seit der Marktzulassung erfolgreich verwendet.

Hat die Behandlung mit dem US-Medikament auch Vorteile?

2024 hat er rund 300 Dosen in seiner Praxis verabreicht, sagt Tierarzt Jochen Arui. Negative Erfahrungen gab es bisher keine, teilweise behandelt er seine vierbeinigen Patienten über Monate und Jahre mit dem Medikament.

Aus seiner Sicht hat die Spritze einige Vorteile gegenüber anderer Medikation: Diese hätte weniger Nebenwirkungen als eine dauerhafte Schmerztherapie, bei der Organe wie der Magen, Leber oder die Niere angegriffen werden können. Wichtig bei einer Schmerztherapie aller Art, auch mit Librela, sei aber die richtige Diagnose und eine regelmäßige Überprüfung der Blutwerte des Tieres. Eine falsche Diagnose wäre laut dem Tierarzt eine Möglichkeit für schwere Nebenwirkungen.

Das könnte Sie auch interessieren

Dass Nebenwirkungen bei Librela auftreten können, „das will ich nicht in Abrede stellen, dass das passieren kann“, sagt Arui. Schließlich handelt es sich bei dem Medikament um Fremdeiweiße, die möglicherweise einen allergischen Schock bis zu einer ernsthaften Herz-Kreislauf-Situation auslösen können. „Das kann mit anderen Medikamenten aber auch passieren“, sagt Arui.

Letztlich sei man mit der Behandlung im palliativen Bereich – es gehe nur darum, den Tieren noch weitgehend ein schmerzfreies Leben zu ermöglichen und nicht, darum, die Arthrose zu heilen. An Medikamente wie Librela gehe er in seiner Praxis sehr vorsichtig heran – „aus unserer Sicht ist das aber ein wirklich hilfreiches Medikament“, sagt der Tierarzt.

In die gleiche Kerbe schlägt auch Mascha Beszus. In ihrer Konstanzer Praxis wird das Mittel aber nicht angewendet.

„Tierbesitzer greifen zu dem Medikament, weil sie sich von ihrem Hund nicht trennen können“, sagt Beszus. „Librela hilft für eine kurze Zeit und nach vier Wochen steht man wieder da.“

Mascha Beszus ist Tierärztin in Konstanz. Bei ihr in der Praxis wird das US-amerikanische Medikament für Hunde bei Arthrose aber nicht ...
Mascha Beszus ist Tierärztin in Konstanz. Bei ihr in der Praxis wird das US-amerikanische Medikament für Hunde bei Arthrose aber nicht verwendet. | Bild: Marina Schölzel

Ein Bericht des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu Meldungen unerwünschter Ereignisse nach Anwendung von immunologischen Tierarzneimitteln aus dem Jahr 2023, erschienen im „Deutschen Tierärzteblatt“, habe ihr zu denken gegeben. Demnach machen Verdachtsmeldungen zu Impfstoffen 47 Prozent der registrierten Fälle aus, sonstige immunologische Tierarzneimittel 53 Prozent. Zu letzterem zählt auch der monoklonale Antikörper, wie in Librela verwendet.

Laut der Statistik haben sich die Meldungen zu den unerwünschten Ereignissen im Vergleich seit der Markteinführung 2021 zum Folgejahr knapp verdreifacht. Ob dafür aber allein Librela verantwortlich ist, geht aus der statistischen Erfassung nicht hervor.

Kostspielige Behandlung

Für Beszus war dieser Bericht und die mutmaßlichen und vom Hersteller im Beipackzettel deklarierten Nebenwirkungen (unter anderem Reaktionen an der Einstichstelle, Harninkontinenz, Abgeschlagenheit, in sehr seltenen Fällen Anämie, also Blutarmut oder Thrombozytopenie) höher als der Nutzen, weshalb das Medikament in ihrer Praxis keine Relevanz habe.

Außerdem sei das Medikament kostspielig – auch für den Tierhalter. Pro 30 mg/ml kostet das die Besitzer rund 80 Euro nur für die Dosis, sagt Beszus. Dass Librela Hunde tötet, findet sie aber reißerisch. Ihrer Meinung nach gibt es bereits genug andere Schmerzmittel, die seit Jahren auf dem Markt und gut getestet sind.

Laut Zoetis wurden weltweit bereits über 25 Millionen Dosen von Librela verabreicht. „Das Wohl der Tiere ist unsere oberste Priorität“, sagt Zoetis.