SÜDKURIER und Tagblatt: Dieser Artikel erscheint im Rahmen eines Austauschs mit der Redaktion der Ostschweizer Regionalzeitung St. Galler Tagblatt auf suedkurier.de. In einer mehrteiligen Serie beleuchten die Kolleginnen und Kollegen das Leben, Arbeiten und die Freizeit auf und rund um den Bodensee. Der SÜDKURIER freut sich, seinen Leserinnen und Lesern eine Auswahl dieser Inhalte zur Verfügung stellen zu dürfen.

Man könnte eigentlich das Schiff oder den Zug nehmen, wenn man die schönsten Orte am Bodensee erkunden und bereisen möchte. Jedes Jahr fahren aber einige tausend Menschen mit dem Fahrrad um den Bodensee. Während die einen die ganzen rund 260 Kilometer am Stück in unter acht Stunden zu fahren versuchen, nimmt es das Gros der Radreisenden eher gemütlich und besucht die schönsten Plätze am See.

Es gibt auch enorm viel zu entdecken an einem der größten Binnenseen von Mitteleuropa. Einigermaßen passionierte Radler können die ganze Strecke aber auch in gemütlichem Tempo im Sommer fahren und den Tag ganz ausnutzen.

Meine Bodensee-Umrundung will ich in einem Tag fahren. Start und Ziel meiner Runde ist Rorschach. Eine gute Vorbereitung für eine solche Tour ist essenziell. Doch was muss unbedingt mit auf eine Runde um den heimischen See? Braucht es eine Karte oder findet man den Weg auch so?

Beste Bedingungen: Bewölkter Himmel, keine pralle Sonne

Ein wichtiger Punkt, den es bei der Vorbereitung zu beachten gilt: das Wetter. Optimal sind Tage, an denen es nicht gerade prallen Sonnenschein hat. Ein bewölkter Himmel ist von Vorteil.

Morgendliche Stimmung am Bodensee. Nicht zu viel Sonne ist vorteilhaft.
Morgendliche Stimmung am Bodensee. Nicht zu viel Sonne ist vorteilhaft. | Bild: Raphael Rohner

Trotzdem ist es sicher ratsam, immer eine leichte Regenjacke mitzunehmen, falls man mit dem Schiff abkürzen will – dazu später mehr.

Von Rorschach nach Bregenz

Ich fahre morgens um 7 Uhr bei Rorschach los. Das Kornhaus, das von überall gut erkennbar ist, soll mir auf meinem Weg um den See den Heimweg weisen. Schon früh sind andere Radlerinnen und Radler unterwegs. Viele davon pendeln zur Arbeit. Wer morgens schon mit großen Gepäcktaschen an den Packträgern fährt, sind meistens gleichgesinnte See-Umrundende.

„Hier wäre später ein toller Badeplatz“, denke ich mir, als ich beim Hörnlibuck vorbeikomme. Ebenso der Hafen von Staad ist ein wunderschöner Ort für Sonnenuntergänge – doch bin ich davon noch weit entfernt: Erst führt die Straße nach Altenrhein und Rheineck. Dort ist zu dieser Zeit noch nicht viel Betrieb. Lediglich an einem Bankomaten steht ein anderer Radfahrer. Er will damit nach Dortmund fahren in einer Woche.

An seinem Rad hängt eine Trinkflasche vom Bodensee-Radmarathon: „Ja, ja, da fährt man halt ab und zu mit. Ist immer ein tolles Erlebnis.“ Am Bodensee-Radmarathon können alle Radbegeisterten den Bodensee umrunden. Es gibt drei unterschiedlich lange Strecken und es kein Zeitlimit. Jährlich fahren mehrere Tausend mit.

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Kurz hinter der Grenze nach Österreich

Der Radweg führt über den Grenzübergang Gaissau nach Österreich. Alternativ kann auch der kleine Weg am Rhein entlang genommen werden. Dieser ist aber gerade für Rennräder wegen des groben Kies nicht gut geeignet. Hinter dem Grenzübergang geht es auf einer einsamen Nebenstraße durch ein Ried, wo man durchaus Störchen begegnet.

Ein besonderes Highlight an dieser Strecke ist der ausgebaute Radweg an der Fußacher Bucht zur Bregenzer Aach. Dort stehen überall andere Radler und machen Fotos. In zwei Tagen will ein Trio an Männern den Bodensee umrunden: „Wir fahren eher gemütlich mit unseren Elektrorädern“, sagen Olivier und Ahd aus Zürich und ihr Freund Shalom aus Israel.

Fahren um den Bodensee: Oliver und Ahd aus Zürich mit ihrem Freund Shalom aus Israel.
Fahren um den Bodensee: Oliver und Ahd aus Zürich mit ihrem Freund Shalom aus Israel. | Bild: Raphael Rohner

Bregenz lockt mit einer herrlichen Promenade und mehreren tollen Restaurants. Auf schönen Radwegen geht es zügig an Sehenswürdigkeiten wie der Seebühne der Festspiele vorbei. Doch gibt es noch viel mehr zu entdecken außerhalb der Stadt. Am Weg Richtung Lindau stehen einige kleine wunderschöne Badhüttchen, bevor es auf der „Bodensee-Radautobahn“ weitergeht.

Lieber früher auf die „Bodensee-Radautobahn“

Hier ist gegen Mittag und am Nachmittag häufig viel Verkehr und kaum ein Durchkommen. Gerade an Wochenenden sind viele unterwegs. Diese teilen sich den Weg dann auch mit Fußgängern und Sportlern. Daher lohnt es sich, diesen Teil der Strecke früh zu befahren.

Vormittagsverkehr am Bodenseeradweg.
Vormittagsverkehr am Bodenseeradweg. | Bild: Raphael Rohner

In Lochau lockt der Kaiserstrand mit Strandfeeling und etwa weiter mit einem Geheimtipp: Das Schwarzbad, einen kleinen Strand gleich hinter dem Kaiserstrand. Hier hat man eine wunderbare Aussicht auf die Berge und kann kurz verschnaufen, bevor es nach Lindau geht.

Von Lindau nach Friedrichshafen

Nach Deutschland geht es über ein kleines unauffälliges Waldstück. Lediglich ein Schild signalisiert die Landesgrenze. Umso später es an diesem Vormittag wird, umso mehr Radfahrer sind unterwegs. Kurz vor Lindau erscheint ein seltsames umzäuntes Gebäude zwischen Fahrradweg und Bodenseeufer: das Wankel-Institut.

Hier hat der Motoreningenieur Felix Wankel den nach ihm benannten Motor entwickelt und an weiteren Motoren geforscht. Das Gebäude stand einige Zeit leer und wurde vor kurzem an ein österreichisches Technologieunternehmen verkauft.

Bild 4: Mit dem Rad an einem Tag einmal um den Bodensee – ein Selbstversuch
Bild: Quelle: bodensee-radweg.ch

Die Strecke von Lindau nach Friedrichshafen zeigt erstmals, warum die Bodenseeregion den Spitznamen „Mittelmeer Deutschlands“ trägt. Der Bodensee-Radweg führt durch wunderschöne kleine Ortschaften, die jetzt vormittags alle aufleben. In Biergärten wird gedeckt und mit Kreide die Tafeln mit den Tagesgerichten beschriftet.

Im Malerwinkel bei Wasserburg sitzen einige Radfahrer im Schatten und nehmen noch einen kleinen Imbiss zu sich. Ein Rentnerpaar sitzt auf einer Bank, neben sich ihre Fahrräder, und blickt auf ein Schiff auf dem See: „Wir fahren jedes Jahr einmal um den Bodensee. Das ist für uns einfach immer das schönste Erlebnis des ganzen Sommers.“

Viele, die um den Bodensee fahren, mieten sich in dieser Gegend eine kleine Ferienwohnung. Zwischen Kressbronn und Eriskirch steht fast an jedem zweiten Haus, dass man es mieten kann.

Von Friedrichshafen nach Meersburg

Kurz vor Friedrichshafen fährt man direkt an einem Lastwagenfriedhof vorbei. Hier stehen seit einigen Jahren rund zwei Dutzend verrostende Lastwagen einer früheren Transportfirma. Die teils überwachsenen Lkw sind ein kleines alternatives Highlight. In den Fahrzeugen übernachten auch öfters Leute, einige Matratzen auf den Ladeflächen zeugen davon.

An der Friedrichshafener Seepromenade kann man schon wegen der vielen Fußgänger nicht mehr fahren – verboten ist es außerdem. Gestärkt mit einem Schnitzel samt Kartoffelsalat und alkoholfreiem Weizenbier geht es am Mittag weiter Richtung Meersburg. Auf den 19 Kilometern gibt es einige sehr empfehlenswerte Cafés für eine kurze Rast. Auch Schwimmen kann man an einigen schönen Stellen vorzüglich.

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Es ist mittlerweile Nachmittag auf der Strecke und man ist nicht mehr allein: Mal wird man überholt, man überholt man. Viele größere Gruppen sind unterwegs und vor Meersburg kommt es gar zu kleinen Rad-Staus: Vor dem Kassenhäuschen der Schiffsbetriebe stehen viele Radfahrer an, um ein Ticket für die Überfahrt nach Konstanz zu kaufen.

Mit dem Schiff kann man sich eine zwischenzeitliche Radpause gönnen.
Mit dem Schiff kann man sich eine zwischenzeitliche Radpause gönnen. | Bild: Raphael Rohner

Damit spart man sich einige Kilometer über Überlingen und Bodman. Dieser Teil der Bodensee-Rundfahrt hat aber durchaus seinen Reiz. Unter anderem kommt man zum Pfahlbauerdorf Unteruhldingen und nach Bodman-Ludwigshafen, das mit einer hübschen kleinen Hafenaussicht punkten kann.

Von Meersburg nach Stein am Rhein

Die nächsten 64 Kilometer stecken voller Überraschungen. Zwar hat es einige kleinere Steigungen und Kieswege, doch trifft man hier auf die eingefleischten Bodenseeradweg-Fans. Das Bild verändert sich. Mehr und mehr sportlich anmutende Leute fahren diese Wege, während E-Bike-Fahrer eher auf dem Schiff reisen.

Aber nicht nur: Eine Dame fährt gar mit ihrem Hund im Anhänger dem Bodensee entlang und erzählt von ihrer äußerst wertvollen Fracht: „Wir verreisen unheimlich gerne mit unseren Fahrrädern, aber seit wir den Floyd haben, machen wir das kaum noch. Mit dem Hundeanhänger können wir wenigstens noch einige Kilometer um den See fahren und dann wieder Gassi gehen von Zeit zu Zeit.“

Für Hund Floyd geht es per Anhänger den See entlang.
Für Hund Floyd geht es per Anhänger den See entlang. | Bild: Raphael Rohner

Äußerst willkommen sind jetzt die vielen Hofläden mit frischen Himbeeren, Erdbeeren und Kirschen überall. Bei einem solchen Hofladen bei Radolfzell verpflegt sich Kai Ellenberg, der mit seinem Rad von Dortmund nach Lindau fährt: „Ich habe schon sehr viel Schönes über den Bodensee gehört und wollte die Strecke jetzt einmal abfahren.“ Stein am Rhein hat ihm besonders gut gefallen und die kleinen Ortschaften am Rheinufer.

Kai Ellenberg ist auf der Fahrt von Dortmund nach Lindau unterwegs.
Kai Ellenberg ist auf der Fahrt von Dortmund nach Lindau unterwegs. | Bild: Raphael Rohner

Von Stein am Rhein zurück nach Rorschach

Das wunderschöne Mittelalterstädtchen Stein am Rhein hat eine ganz besondere Ausstrahlung. Für mich ist es jedes Mal ein kleiner Meilenstein, durch die Gässchen zu fahren. Man hat entweder das Schweizer Ufer schon geschafft oder noch vor sich. Quasi die Heimstrecke. In Stein am Rhein sollte man unbedingt eine Pause machen und am Rhein sitzen. Am Rathausplatz dienen Bäckereien und kleine Läden als Vesper-Lieferant, bevor es auf die letzte Etappe heim geht.

Stein am Rhein ist eine Reise wert.
Stein am Rhein ist eine Reise wert. | Bild: Raphael Rohner

Es wird langsam Abend und mein Ziel wäre es, zum Sonnenuntergang wieder in Rorschach zu sein. Doch liegen noch rund 80 Kilometer Weg vor mir und ich will mindestens noch eine Schwimmpause einlegen. Auf den Radwegen ist an diesem Abend zum Glück nicht so ein reger Verkehr wie an den Wochenenden und so komme ich gut voran.

Einzig bei Konstanz füllen sich die Wege wieder mehr und man muss teilweise etwas zirkeln beim Überholen. Hier kommt es schon mal vor, dass sich voll bepackte Bodenseeumrundende und stromlinienförmige Rennräder aus Vollkarbon kreuzen und man sich kurz eines Blickes würdigt.

Noch kurz abkühlen und dann ankommen

Für mich zählt jetzt nur noch eins: ins Wasser. Einer der schönsten Gratis-Badeplätze am Bodensee ist bei Güttingen. Hier hat es ein kleines Toilettenhäuschen, eine Feuerstelle, einen kleinen Spielplatz und eine tolle Bademöglichkeit. Hier springe ich kurz in den See und lasse mich treiben. Danach geht es flott weiter am Schweizer Ufer entlang.

Gegen 19 Uhr sind es nur noch wenige Kilometer bis nach Rorschach. Wieder in Rorschach angekommen, gibt es noch ein Eis und eine kleine Abkühlung am See mit Blick auf das andere Ufer am Horizont: Der Bodensee übt eine ganz besondere Faszination auf die Menschen aus. Gerade wenn man mit dem Rad um den See fährt, erfährt man, wie klein wir eigentlich sind und wie groß solche Orte wirken.