Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April war ein Sensationserfolg für die Kläger. Mehrere Umweltorganisationen, darunter die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), und einzelne Aktivisten hatten gegen das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung geklagt – und zum Teil Recht bekommen.

Es ist das erste Mal, dass das Bundesverfassungsgericht über eine Gefährdung der Grundrechte urteilte, die möglicherweise erst in der Zukunft eintreten werden. Ein wegweisendes Urteil, empfindet nicht nur Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe, einer der Mitinitiatoren der Klimaklage. Er berichtet, wie es dazu kam, und was ein Brief eines kleinen Mädchens damit zu tun hat.

Klimaklage wurde durch den Brief einer 11-Jährigen ausgelöst

Es war Ende November im Jahr 2019, als Jürgen Resch den Brief einer 11-Jährigen aus München bekam. Darin stellt die damals 11-Jährige die Frage, „ob es möglich wäre die Bundesregierung wegen der Zerstörung meiner Lebensgrundlagen zu verklagen“. Und weiter: „Ich möchte die Regierung verklagen, weil die Politiker diese nahe Klimakatastrophe nicht ernst genug nehmen und ich möchte, dass die Menschen in 100 bis 150 Jahren noch wissen, was Schnee ist“, lässt sich aus dem handschriftlichen Dokument zitieren.

Die Klage gegen das Klimaschutzgesetz hat eigentlich ein Brief einer 11-Jährigen aus München an Jürgen Resch von der Deutschen ...
Die Klage gegen das Klimaschutzgesetz hat eigentlich ein Brief einer 11-Jährigen aus München an Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe ausgelöst. | Bild: Jürgen Resch

„Über den Brief des jungen Mädchens diskutierten wir in der Deutschen Umwelthilfe: Wie können wir ihr helfen?“, so Jürgen Resch gegenüber dem SÜDKURIER. Die Antwort: „Wir machen eine Klimaklage für junge Menschen.“ Für Jürgen Resch und die DUH sind Klagen nichts Neues, auf diesem Wege setzten sie schon in etlichen Städten Deutschlands Diesel-Fahrverbote durch.

Man habe also mit dem Mädchen und dessen Eltern gesprochen, sowie ungefähr zehn weitere Kinder und Jugendliche ins Boot geholt. Dazu seien außerdem noch Organisationen wie Fridays for Future und der BUND, sowie andere Verbände gekommen, erklärt Resch. Ein ganzes Jahr habe man an der Klage gearbeitet.

Kläger bekommen teilweise Recht

Die Klage erhielt nach dem am 29. April veröffentlichten Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts teilweise Recht vor dem Gesetz. Das Klimaschutzgesetz des Bundes greife zu kurz und sei teilweise verfassungswidrig, urteilte das Gericht. So heißt es im Text des Bundesverfassungsgerichts: „Den nachfolgenden Generationen wird eine radikale Reduktionslast überlassen.“

Die Folge: Die Reduktionsziele für Treibhausemissionen für die Zeit ab dem Jahr 2030 müssen bis nächstes Jahr genauer festgehalten werden. In dieser Hinsicht ist die Bundesregierung bereits aktiv geworden: Das Bundesumweltministerium legte bereits einen Entwurf für ein neues Klimaschutzgesetz vor, der am Mittwoch, 12. Mai, im Kabinett behandelt werden soll. Klimaneutralität soll demzufolge im Jahr 2045 erreicht werden, fünf Jahre früher als bislang vorgesehen.

An dem Gesetzesentwurf übt Resch bereits deutliche Kritik. Es seien zwar hehre Ziele des Bundesregierung, eine Richtung, aber nicht mehr. Die Forderungen seien nicht erfüllt. Nach wie vor fehle, mit welchem konkreten Programm man die Ziele erreichen wolle, so Resch. „Wir wollen kein Geschwurbel nur mit neuen Zahlen“, sagt der Chef der Umwelthilfe. „Wir müssen nun konkrete, noch in diesem Jahr startende Maßnahmen sehen, um die CO2-Emissionen wirklich drastisch zu reduzieren.“ Dafür schlägt die Deutsche Umwelthilfe ein Acht-Punkte-Sofortprogramm vor, um CO2 einzusparen. Darunter befinden sich Maßnahmen wie ein Tempolimit, der Stopp der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 und die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude.

Junge Klimakläger kommen auch aus der Region

Bei der Klimaklage haben auch zwei Jugendliche aus der Region mitgemacht. Eine davon ist Amrei Feger, 16 Jahre alt und aus Überlingen, die sich bei Fridays for Future engagiert. Irgendwann sei ihr klar geworden, dass der Druck, den FFF auf die Politik ausübte, nicht ausreiche. „Der Druck musste von weiter oben kommen“, sagt Amrei Feger. „Und dann habe ich die Chance bekommen, bei der Klage mitzumachen.“ Der Erfolg habe laut Amrei Feger gezeigt, dass die Klimabewegung nun auch in höheren Instanzen gehört werde. Jetzt müsse man darauf schauen, was die Politik aus der Gerichtsentscheidung mache. Für Amrei Feger ist klar: „Darauf können wir aufbauen.“

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Auch Hauke Engels, 17 Jahre alt und ebenfalls aus Überlingen, hat bei der Klage mitgewirkt. „Es wird nicht konkret am Problem gearbeitet, sondern nur nach außen transportiert, dass immerhin etwas gemacht wird“, sagte Engels bereits gegenüber dem SÜDKURIER. Der Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht sei nun ein wichtiger Schritt für die Zukunft, ist er sich sicher. Insbesondere die Energiewende und auch die Verkehrswende müssten nun vorangetrieben werden.

Hauke Engels aus Überlingen klagte mit weiteren Umweltaktivisten aus Deutschland gegen die Umweltpolitik der Bundesregierung.
Hauke Engels aus Überlingen klagte mit weiteren Umweltaktivisten aus Deutschland gegen die Umweltpolitik der Bundesregierung. | Bild: privat

Die Zeichen stehen auf Angriff

Es gehe nun nicht mehr abstrakt um Klimaschutz und Klimazahlen, sondern um Menschen und deren Zukunft, sagt auch Jürgen Resch. „Es gilt nun, dass dieser Grundsatzentscheid des Bundesverfassungsgerichts auch von der Bundesregierung beachtet wird und ausreichende Maßnahmen ergriffen werden“, so Resch. Wenn es nur bei den geplanten neuen ehrgeizigeren CO2-Werten des neues Gesetzesentwurfs bleibe, will Resch tun, was er schon vielfach erfolgreich getan hat: Man werde über mehrere, bereits beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängigen Sektor-Klimaklagen im Zweifelsfall Maßnahmen, wie ein Tempolimit oder den vorzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung, erzwingen, kündigt er an.

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Ein Wendepunkt in der Klimapolitik?

Doch ist dieses Urteil ein Wendepunkt in der Klimapolitik, auch im Hinblick auf die Bundestagswahl in diesem Jahr? Es sei auf jeden Fall ein Hebel, die demokratischen Parteien in einen ernsten Wettbewerb dahingehend zu bewegen, befindet Jürgen Resch. „Die nachgeschärften Klimaziele lassen sich nicht rein marktwirtschaftlich erreichen – wir brauchen hier zusätzlich klare ordnungsrechtliche Regelungen“, sagt der Umweltschützer. „Und das wird auch die Bundestagswahl beeinflussen.“ Die Politik müsse sich nun klar zum Klimaschutz als priorisierte Aufgabe bekennen und die notwendigen Investitionen tätigen.