Wenn es um Macht und Posten geht, wird in der CDU gerne die alte Maxime von Erwin Teufel zitiert: „Erst das Land, dann die Partei und dann die Person“. Will heißen: Bei uns gibt es kein Postengeschacher, es geht um Wichtigeres. Die Realität sieht dann bisweilen anders aus. Wie sonst wäre das Drama um den CDU-Fraktionsvorsitz zu erklären, das am Montagabend damit endete, dass man provisorisch den Amtsinhaber auf dem Posten lässt – dem Kanzlerkandidaten aber klar macht, dass er nichts mehr wird, wenn es ihm nicht gelingt, eine Regierung zu bilden?
Klar ist: Wenn die Union nicht in der künftigen Regierung vertreten ist – und das ist momentan das wahrscheinlichste Szenario – wird das Gedrängel um Posten und Ämter erst so richtig losgehen. In der Opposition gibt es in der Fraktion nur wenige Jobs zu verteilen. Was wird dann aus den bisherigen Ministern und den Staatssekretären? Die müssen auch untergebracht werden. Und was wird aus der jüngeren Generation, der man künftige Spitzenpositionen zugetraut hätte, wie den Südbadenern Andreas Jung (Konstanz) oder Thorsten Frei (Schwarzwald-Baar-Kreis)?
Jung wird einstimmig im Amt bestätigt
Beide sind in ihren Ämtern als stellvertretende Fraktionsvorsitzende am Montagabend formlos bestätigt worden, geschäftsführend. Für wie lange genau, ist unklar. In der Regel werde die Regierungsbildung abgewartet, sagt Andreas Jung. Weil erst danach klar sei, wie Ausschüsse und Arbeitskreise besetzt werden – spiegelbildlich zur Regierung. Gewählt wurde der 46-Jährige Konstanzer indes schon in anderer Position: Die baden-württembergischen CDU-Abgeordneten haben ihn am Montag wieder einstimmig im Amt des Landesgruppenchefs bestätigt.
„Das hat mich sehr gefreut“, sagt Jung. Das sei nicht selbstverständlich. Offenbar gereicht es ihm bei der Landesgruppe, der drittgrößten und -mächtigsten unter den Unions-Landesgruppen, nicht zum Nachteil, dass er ein Laschet-Mann ist. Armin Laschet hatte den profilierten Klimapolitiker in sein Zukunftsteam geholt, das er erst spät im Wahlkampf präsentierte. Dass die Mehrheit der Landesgruppe indes für CSU-Chef Markus Söder als Kanzlerkandidat war, ist kein Geheimnis.
Kein Scherbengericht über die Wahl
Die Landesgruppe ist laut Jung der Ort, in der man ungeschminkt und kontrovers Dinge diskutiert, bevor sie vom Landesgruppenchef weitergetragen werden in die Fraktion. Zuletzt, am Montag, wurde die verlorene Wahl „sehr intensiv“ diskutiert, wie Jung sagt. Offene Aussprache, aber kein Scherbengericht. Der Landesgruppenchef fungiert ansonsten als Interessenvertreter seines Bundeslands und ist an den so genannten Teppichhändlerrunden beteiligt, bei denen die personelle Aufstellung – Sprecherposten, Ausschüsse und Arbeitskreise – verhandelt werden.

Die Frage, wie es jetzt mit ihren Karrieren weitergeht, wollen weder Jung noch Frei gerne hören. „Darum geht es jetzt wirklich nicht“, sagt Jung. Karriereüberlegungen hätten für ihn auch keine Rolle gespielt, als er bei Laschets Zukunftsteam mitmachte. Er habe das als inhaltliche Aufwertung des Klimathemas begriffen, durch die die CDU endlich mehr Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz erlangen sollte. Dafür sei er bereit zu streiten, und er sei überzeugt, dass er das auch als Parlamentarier könnte. Frei sagt, dass er sehr gerne auch künftig Fraktionsvize für Innen und Recht wäre. „Das ist eine große Gestaltungsaufgabe, bei der man in etwa für ein Drittel der Gesetze zuständig ist, die durch den Bundestag gehen.“
Fraktion tickt konservativer
In der Fraktion gilt der 48-jährige Frei, der Konservativere von beiden, als der mit dem besseren Standing – weil die Bundestagsfraktion bislang deutlich konservativer tickt als etwa das grün-schwarze Konstanz. Bei Flüchtlings- und Sicherheitsthemen setzt der frühere Oberbürgermeister von Donaueschingen auf klare Kante. Zuletzt allerdings langte er beim Afghanistan-Abzug daneben. Ende Juni lehnte er es im Bundestag noch ab, Ortskräfte flächendeckend auszufliegen. Auch die CDU musste später einräumen, dass das ein Versäumnis war.
In Fraktionskreisen traut man den beiden alles Mögliche zu. Jung wird für extrem gutes Verhandeln gelobt. In einer Koalition mit den Grünen sei für den Reichenauer ein Regierungsposten drin gewesen, heißt es. Mit dem Mann, der für die CDU das Klimapaket verhandelte, müsse man immer rechnen.

Nun aber, da sich erstmal keine Regierungsbeteiligung abzeichnet, fällt der Blick auch auf die Landespolitik. Bei der Bundestagswahl hatte die CDU im Südwesten ein maues, aber immerhin noch ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielt. Sonst, so ist unter der Hand zu hören, hätte das Rumoren auch auf Landesebene nicht lange auf sich warten lassen. Schließlich ist die CDU im Land seit dem Machtverlust 2011 durch zwei weitere verlorene Landtagswahlen gebeutelt, Landeschef Thomas Strobls Standing ist seither nicht das Beste. Ob die CDU mit dem Innenminister als Spitzenkandidat in die nächste Landtagswahl zieht, gilt keineswegs als ausgemacht.
Wie geht es im Land weiter?
Die Machtfrage stellt sich nicht akut, denn die nächste Landtagswahl ist erst in fünf Jahren. Aber dennoch scheinen die ersten Interessenten auf den Plan zu treten. Von den Bundespolitikern Thomas Bareiß und Steffen Bilger, beide bislang Staatssekretäre, heißt es, dass sie Ambitionen hätten auf die CDU-Spitzenposition im Land. Immer wieder wird parteiintern darüber spekuliert, ob Thorsten Frei nach Baden-Württemberg zurückkehren würde, diente man ihm ein prominentes Amt an. Er gilt zumindest nicht als abgeneigt, auch wenn er solche Ambitionen weit von sich weist: „Mit der Frage beschäftige ich mich nicht, das ist aktuell auch nicht relevant.“
Es gibt auch Stimmen, die Andreas Jung für den geeignetsten Grünen-Herausforderer bei der nächsten Landtagswahl halten. Einen, der auch beim Thema Klima etwas zu bieten hat und dem von seiner Persönlichkeit her durchaus auch landesväterliche Qualitäten zugetraut werden. Wenn, dann wäre das aber wohl nur im Einvernehmen mit allen Beteiligten möglich. Andreas Jung und Manuel Hagel, CDU-Fraktionschef im Landtag, sollen sich in die Hand versprochen haben, nicht gegen Strobl anzutreten.