Nein, einfach war die Entscheidung für Peter Pfaff nicht. „Ich habe natürlich lange mit mir kämpfen müssen. An und für sich bin ich in jeden Balken hier verliebt“, sagt der 81-Jährige und lächelt, während er zur Decke des Restaurants des Hotels Pfaff blickt.

Fast sein ganzes Leben hat Peter Pfaff im familieneigenen Hotel verbracht. Hier ist er aufgewachsen, hier lebte er später mit seiner Frau und den beiden Töchtern. Hier stand er jahrzehntelang in der Küche. „Sechs Tage die Woche“, erzählt der 81-Jährige. So auch an diesem Tag, als ihn der SÜDKURIER besucht.

Peter Pfaff steht hinter der Theke des Hotels Pfaff in Triberg. Im Hintergrund ist die Durchreiche in die Küche zu sehen. Dort hatte der ...
Peter Pfaff steht hinter der Theke des Hotels Pfaff in Triberg. Im Hintergrund ist die Durchreiche in die Küche zu sehen. Dort hatte der heute 81-Jährige über Jahrzehnte hinweg das Zepter inne. | Bild: Marcel Jud

Das alles ist nun bald vorbei. Das Hotel wurde an eine Investorin aus München verkauft. Am 1. Juli werden neue Pächter den Betrieb übernehmen.

Das Restaurant des Hotels Pfaff.
Das Restaurant des Hotels Pfaff. | Bild: Marcel Jud

Das Treffen mit Peter Pfaff findet am Vormittag statt. In der Gaststätte des Hotels Pfaff herrscht noch Ruhe, nur vereinzelt sitzen Gäste an den Tischen im Innern oder auf der Terrasse. Erst gegen Mittag hin werden mehr Menschen vom Fuß der nahen Wasserfälle über die enge Straße, die sich hier den Hügel emporschlängelt, herüberströmen.

Bild 3: Schwarzwald-Hotel Pfaff wechselt nach 140 Jahren Besitzer
Bild: Marcel Jud

Peter Pfaff blickt zurück auf die 140-jährige Geschichte des Hotels, die zu einem Großteil auch seine Geschichte ist. „Ich wollte, dass Licht reinkommt. Hier war alles zugebaut. Ich habe die Wände rausgeschlagen“, sagt der 81-Jährige, während er vom Umbau des Hotels 1983 erzählt und auf die Stellen des Restaurantraums zeigt, wo früher Mauern standen.

„Das ist aber alles noch Original“, ergänzt er und weist auf die Deckenbalken. Sie stammen noch aus der Zeit seines Urgroßvaters, Fridolin Pfaff, der als gelernter Konditormeister lange Zeit eine Konditorei mit Café in Triberg geführt habe.

Die Holzbalken stammen laut Peter Pfaff noch aus der Zeit, als sein Urgroßvater das Hotel Ende des 19. Jahrhunderts führte.
Die Holzbalken stammen laut Peter Pfaff noch aus der Zeit, als sein Urgroßvater das Hotel Ende des 19. Jahrhunderts führte. | Bild: Marcel Jud

Fridolin Pfaff eröffnete 1882 das Hotel zu Füßen der Triberger Wasserfälle. Der Grund: Sein Sohn Richard hatte das Hotelfach erlernt und war damals im Hotel Sacher in Wien beschäftigt. „Daraufhin hat der Fridolin gesagt: Wenn du jetzt die Hotelbahn einschlägst, dann verkaufen wir die Konditorei“, erzählt Peter Pfaff.

Richard Pfaff, der Großvater von Peter Pfaff.
Richard Pfaff, der Großvater von Peter Pfaff. | Bild: Marcel Jud

Als sein Urgroßvater und Großvater Ende des 19. Jahrhunderts das Hotel Pfaff eröffnen, zieht der sogenannte Fremdenverkehr im Schwarzwald gerade an, auch wenn er noch weit entfernt von dem ist, was heute als Tourismus bekannt ist.

Auch ins Hotel Pfaff kamen primär Kurgäste. „Der Wasserfall war eigentlich nur so für Asthmakranke zum Wandern. Nach Triberg kamen die Leute in erster Linie wegen der Luft“, gibt Peter Pfaff wieder, was ihm seine Mutter, Käthe Pfaff, erzählt hatte. Sie war seine Quelle für die Familiengeschichte. Er selbst hat weder seine Urgroß- noch seine Großeltern kennengelernt.

Blick vom Hotel Pfaff auf die Triberger Wasserfälle.
Blick vom Hotel Pfaff auf die Triberger Wasserfälle. | Bild: Marcel Jud

Seine eigenen, frühesten Erinnerungen sind die an den Krieg: „Ich war vier Jahre alt. Ich habe die Flieger alle gesehen, wie sie vis a vis bombardiert haben“, schildert Peter Pfaff, der 1941 geboren wurde. Er erinnert sich auch, wie er mit den Geschwistern und der Mutter von Bauernhof zu Bauernhof gegangen war, um Teile des Hotelsilbers gegen Essbares wie Kartoffeln einzutauschen. Wie sie Beeren und Weinbergschnecken sammelten, gegen den Hunger.

Vor dem Krieg lief der Hotelbetrieb noch gut, weiß Peter Pfaff von seiner Mutter. „In der Zwischenkriegszeit hatte der Tourismus erst richtig angefangen.“ Es seien nicht mehr primär nur Kurgäste in den Ort mit den berühmten Wasserfällen strömten. „Es kamen immer mehr Züge und Sonderzüge nach Triberg. Dann kam der Zweite Weltkrieg, der hat dann alles wieder kaputt gemacht.“

Bild des Hotels Pfaff aus den 1940er-Jahren.
Bild des Hotels Pfaff aus den 1940er-Jahren. | Bild: Marcel Jud

Seine Mutter war bei Peter Pfaffs Geburt bereits größtenteils auf sich gestellt. Der Vater, Johannes, genannt Hans, Pfaff, sei 1938 als Soldat eingezogen worden. Käthe Pfaff führte den Betrieb weiter, mit Unterstützung eines Bruders des Vaters, der als Lehrer vom Militärdienst verschont blieb.

Das blieb auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs so, denn der Vater war in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten, aus der er erst 1950 zurückkommen sollte.

Peter Pfaffs Vater Hans Pfaff.
Peter Pfaffs Vater Hans Pfaff. | Bild: Marcel Jud

Auch an die unmittelbare Nachkriegszeit kann sich Peter Pfaff erinnern, als das Hotel zur Unterkunft für französische Offiziere und als Lager umfunktioniert worden sei. „Alles war voll mit Ess- und Rauchwaren der Franzosen. Mutter musste aufpassen, dass nichts wegkommt.“ Doch es kam weg.

Eines Tages, erzählt Pfaff, hätten Zwangsarbeiter, die in einer nahegelegenen Uhrenfabrik ausgebeutet worden und nun in der Nähe untergebracht waren, das Hotel überfallen. „Die haben alles kaputt gemacht und das ganze Tafel-Silber geklaut. Aber ja, wir waren die Verlierer, wir waren auch nicht harmlos, wenn man die Geschichte verfolgt.“ Er zeigt Verständnis dafür, dass die ehemaligen Zwangsarbeiter „ihre Wut rausgelassen“ haben.

Die Theke des Hotels Pfaff ist zugleich eine Ahnengalerie, mit den Namen der Besitzerpaare. Hier die Eltern von Peter Pfaff.
Die Theke des Hotels Pfaff ist zugleich eine Ahnengalerie, mit den Namen der Besitzerpaare. Hier die Eltern von Peter Pfaff. | Bild: Marcel Jud

Peter Pfaffs Mutter machte sich an den Wiederaufbau des Hotels. „Sie hat es wieder zum Leben gebracht.“ 1948 habe sie das Hotel dann wieder eröffnet. Rund zwei Jahre später kam der Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurück. „Da war ich neun Jahre alt. Ich sehe noch genau, wie er da in der Tür stand. Es war ein Schock.“

Doch der Vater habe nicht viel erzählt von seiner Gefangenschaft. Kaum war er zurück, hat er wieder angefangen zu arbeiten. Und auch die Kinder halfen mit, wie sich Peter Pfaff erinnert: „Ich musste schon als Zehnjähriger in der Waschküche helfen, Botengänge machen.“

Der Eingang zur Küche des Hotels Pfaff.
Der Eingang zur Küche des Hotels Pfaff. | Bild: Marcel Jud

Sukzessive habe der Tourismus in Triberg in den Folgejahren wieder angezogen. „Vieles lief damals über die Bahn mit Sonderzügen in den Schwarzwald.“ Die Zeiten änderten sich und das Hotel Pfaff passte sich an: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg seien Etagenbäder eingerichtet worden, zuvor hatten die einzelnen Zimmer nur Waschbecken.

Ende der 1960er-Jahre habe dann jedes Zimmer ein eigenes Badezimmer erhalten, so Peter Pfaff, der damals bereits wieder im Hotel mitarbeitete. „Ich bin zurück, als der Vater krank war“, erzählt er. Mit Anfang 20 war er nach einer Koch- und Servicelehre in Karlsruhe in die Schweiz gezogen. Es folgte der Wehrdienst und danach die Rückkehr nach Triberg, in Begleitung seiner Frau Erika, die vor drei Jahren verstorben ist.

Peter und seine Frau Erika Pfaff auf einem Foto aus den 1980er-Jahren.
Peter und seine Frau Erika Pfaff auf einem Foto aus den 1980er-Jahren. | Bild: Marcel Jud

Damals habe dann auch immer mehr der Massentourismus eingesetzt. Mit seinem ältesten Bruder baute er im Erdgeschoss, wo sich heute ein Souvenirladen befindet, die Pfaff-Bar auf.

„Das war die einzige Cocktailbar weit und breit. Die Leute kamen von überall her, aus Villingen und Freiburg. Es war auch die Anlaufstelle für die Triberger Jugend, wir haben sozusagen zig verheiratet da unten“, erzählt Peter Pfaff und lächelt verschmitzt.

Das Hotel Pfaff in Triberg. Im Erdgeschoss war früher die Pfaff-Bar untergebracht.
Das Hotel Pfaff in Triberg. Im Erdgeschoss war früher die Pfaff-Bar untergebracht. | Bild: Marcel Jud

1975 übernahm er die Geschäftsleitung des Hotels von seiner Mutter. Und arbeitete mit seiner Frau tagein, tagaus im Familienbetrieb – mit Ausnahme eines sechswöchigen Jahresurlaubes.

Zu tun gab es genug. „In den 1970er-Jahren bis über die 1980er-Jahre hinaus kamen die Holländerbusse. Damals hatten wir teilweise 20 Leute im Personal.“ Und auch später sei der Hotelbetrieb immer gut gelaufen, sagt Peter Pfaff.

Detail in einer der oberen Etagen des Hotels Pfaff.
Detail in einer der oberen Etagen des Hotels Pfaff. | Bild: Marcel Jud

„Zurück ging es erst mit der Corona-Lockdownzeit“, sagt der 81-Jährige, während er durch das Hotel mit seinen elf Zimmern führt, wo er fast sein ganzes Leben lang auch gewohnt hat.

Das Haus verströmt mit seinen Teppichböden und schweren Holztüren wie so mancher Ort in Triberg den Charme der 1980er-Jahre. In dem als Tor zum Schwarzwald bekannten Ort fühlt sich der Besucher teilweise wie in einer Zeitkapsel. Vieles scheint, als hätte es sich in den letzten rund 40 Jahren kaum verändert.

Im Treppenhaus des Hotels Pfaff. Vieles atmet hier noch den Geist der 1980er-Jahre.
Im Treppenhaus des Hotels Pfaff. Vieles atmet hier noch den Geist der 1980er-Jahre. | Bild: Marcel Jud

Eine Veränderung steht dem Ort nun aber bevor: Nach 140 Jahren in Familienhand wechselt das Hotel Pfaff den Besitzer. Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, sagt Peter Pfaff. Aber er habe es vor allem für seine ältere Tochter gemacht.

Diese habe wie ihre Schwester als diplomierte Hotelfachfrau „in Tophäusern gelernt und gearbeitet.“ Einige Zeit auch im familieneigenen Hotel, dessen Leitung die beiden Töchter von Peter Pfaff 2004 übernommen hatten. Inzwischen haben sich aber beide beruflich neu orientiert.

Eines der elf Zimmer des Hotels Pfaff, in dem eine Mitarbeiterin gerade das Bett macht.
Eines der elf Zimmer des Hotels Pfaff, in dem eine Mitarbeiterin gerade das Bett macht. | Bild: Marcel Jud

Doch auch jetzt, wo sie längst drei Kinder und einen anderen Job in einer anderen Stadt hatte, sei seine ältere Tochter regelmäßig nach Triberg gefahren, um dem Vater im Hotel zu helfen.

„Ich habe es in erster Linie wegen ihr gemacht, das Hotel losgelassen, damit sie endlich in normale Bahnen kommt“, sagt Peter Pfaff. Ergänzt aber: „Mit über 80 Jahren habe ich auch genug gearbeitet, und wenn keine Nachfolge da ist, muss man loslassen.“

Peter Pfaff hat dem SÜDKURIER auf einem Rundgang sein Hotel gezeigt, hier das Frühstückszimmer.
Peter Pfaff hat dem SÜDKURIER auf einem Rundgang sein Hotel gezeigt, hier das Frühstückszimmer. | Bild: Marcel Jud

Ende Mai hat der 81-Jährige bereits vieles arrangiert für den Umzug in eine andere Stadt, in der eine seiner beiden Töchter lebt. In Triberg könne er nach der Übergabe des Hotels nicht bleiben, er brauche den Abstand. „Aber ich werde immer mal wieder zurückkommen, als Gast dann.“

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