Die Frühlingssonne scheint, die Luft ist rein und zwei Teslas rasen am Wanderparkplatz am Hundseck vorbei. Kaum ein Auto steht hier auf dem Asphalt im Nordschwarzwald, nur zwei Wanderer steigen mit Trekkingstöcken aus ihrem Fahrzeug. In den 1960er-Jahren war dieser Ort das Zentrum für Wanderer und Wintersportler in der Region. Doch diese Zeiten sind längst vorbei – und das Symbol dieses Niedergangs ist nicht fern: die Ruine des ehemaligen Kurhotels Hundseck.
„So ein Schandfleck darf hier nicht stehen!“
Vor den Überresten des Gebäudes liegen Ziegel, Abwasserrohre und verbogene Regenrinnen. Dachbalken ragen aus dem Gebäude hervor, Fensterscheiben sind zerstört und das Sandsteinmauerwerk ist mit Graffiti besprüht. „Das ist ein Verbrechen an die Menschheit“, sagt Hansjörg Willig zu diesem Anblick, „so ein Schandfleck darf hier nicht stehen!“

Willig war früher Lehrer, heute setzt er sich mit dem Verein Kulturerbe Schwarzwaldhochstraße dafür ein, ehemalige Grandhotels in der Höhenregion zu erhalten. Der 76-Jährige ist im Nordschwarzwald geboren und hat die großen Zeiten sowie den Niedergang vieler Hotels miterlebt. Auch den des Kurhotels Hundseck, das im Jahr 1982 die Pforten schloss und seither verfällt.
„Das Kurhotel hatte 160 Zimmer und war eines der renommiertesten Häuser auf der Schwarzwaldhochstraße“, erzählt er. Es habe Anfang des 20. Jahrhunderts ein Schwimmbad, ein Billardzimmer, einen Tennisplatz, einen Eiskeller und fließend Wasser gehabt. „Das war hochkomfortabel für die Zeit“, so Willig.

Vor, zwischen und nach den Weltkriegen hätte das „Hundseck“ seine Hochzeit erlebt. Ab den Zeiten des Wirtschaftswunders seien aber immer weniger Urlauber in die Region gekommen. „Die Deutschen sind nach Italien, Ibiza oder Mallorca gefahren“, erklärt Willig. Nach Jahren des Gästerückgangs hätten die Inhaber oft gewechselt, doch keiner hatte ein erfolgreiches Konzept.
Wanderer über Kurhotel Hundseck: „Das ist ja ein Witz“
Während Willig spricht, halten zwei Wanderer vor der Bauruine. „Wir sind hier schon oft gewandert“, sagen Karin und Klaus Huttelmaier aus Baden-Baden. „Wir haben uns schon öfter gefragt, was mit diesem Gebäude passieren soll. Das ist ja ein Witz.“
„Da ist nichts mehr zu retten“, sagt Willig. „Das sollte man aber nicht so stehen lassen“, entgegnen die Wanderer, „das ist ja ein Schandfleck im schönen Nordschwarzwald.“
Jürgen Pfetzer, Bürgermeister der zuständigen Gemeinde Ottersweier, sagt auf Nachfrage dieser Zeitung: „Seit Jahren besteht kein Kontakt unsererseits mit den Eigentümern, die zeitweise auch in der Türkei abgetaucht waren oder sind.“ Auch für den SÜDKURIER waren die Eigentümer nicht erreichbar.
Was die Eigentümer planen, sei kaum zu sagen, so Pfetzer. Aktuell läuft über das Landratsamt Rastatt eine Zwangsversteigerung – und wenn es nach der Gemeinde ginge, soll das Grundstück künftig touristisch genutzt werden. „Die Gemeinde hat von jeher angeboten, für einen möglichen Investoren die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für Baurecht zu schaffen“, sagt der Bürgermeister.
Kurhaus Sand: Lieber Lost Place statt Unterkunft
Entlang der Straße findet sich drei Minuten Autofahrt nördlich das nächste leerstehende Hotel: das Kurhaus Sand. An der Kreuzung, wo das Gebäude steht, wurde 1845 eine erste Schankhütte errichtet. Später entstand an dem Verkehrsknotenpunkt ein Grandhotel im Schweizerhaus-Stil mit mehreren Gebäudeteilen und eigenem Skilift.

Wie das Kurhotel Hundseck hatte auch das Kurhaus Sand vor dem Ersten Weltkrieg seine erfolgreichste Zeit. Mitte der 1990er-Jahre wurde das denkmalgeschützte Hotel aber geschlossen. Seither ist das Dach gerostet, die rostbraune Schindelfassade hat dagegen ihre Farbe weitgehend behalten. An den grünen Fensterläden blättert dagegen der Lack ab. Vor dem Haus stehen Bierbänke und Liegestühle, als ob die vergangene Skisaison gerade erst ihr Ende gefunden hat.
Wie Matthias Buschert, Pressesprecher der Stadt Bühl, auf Nachfrage mitteilt, habe es in der Vergangenheit viele Gespräche zwischen der Stadtverwaltung und dem Eigentümer, der Stiftung „Paradiesbau auf Erden“, gegeben – auch Vertreter des Justiz- und Tourismusministeriums hätten daran teilgenommen. „Allerdings entstanden hieraus keine erkennbaren Absichten des Eigentümers, das Kurhaus für die Öffentlichkeit in irgendeiner Form zugänglich zu machen“, sagt Buschert. „Die Hoffnung haben wir aber noch nicht aufgegeben, letztlich liegt dies aber in den Händen des Eigentümers.“
Hans Woile, Gesellschafter der Eigentümerstiftung des Kurhauses, erklärt, eine Wiederinbetriebnahme des Hotels sei ausgeschlossen. „Momentan wird das Gebäude hauptsächlich für Lost-Places-Touren genutzt.“ Eine Stunde Fototour koste zwischen 15 und 20 Euro. „Davon können wir wirtschaftlich sehr gut leben. Es gibt keinen Grund, etwas daran zu ändern“, so Woile.
Die Vorschläge von Willig und seinem Verein oder der Politik, um das Haus wieder touristisch zu nutzen, hält er für unrealistisch. Es sei schwierig, ein so altes Gebäude zu heizen und noch einen Betreiber zu finden, der das Haus wirtschaftlich betreibt. „Das funktioniert nirgendwo auf der Schwarzwaldhochstraße. Warum sollte das beim Kurhaus Sand gehen?“, fragt Woile. „Die Zeit ist über das Gebäude hinweg gegangen.“
Hotel Plättig: Im Besitz eines kasachischen Autokraten?
Ähnlich verfahren ist die Situation zwei Kilometer weiter beim Hotel Plättig. Im Jahr 1890 wurde das Haus am Fuße des gleichnamigen Bergs eröffnet und war bis zum Ersten Weltkrieg eine beliebte Adresse für Adelige und wohlhabende Gäste. Das Gebäude mit brauner Schindelfassade und dunkelroten Fensterläden bietet Gästen einen grandiosen Blick über die Region. Doch seit 2010 ist es geschlossen. An der gläsernen Eingangstür wacht ein eiserner Uhu mit bernsteinfarbenen Augen. An der Eingangstreppe hängt ein Barometer mit der Aufschrift: „Eine Kur in Plättig macht kerngesund“. Zur Kur ist hier bloß lange keiner mehr gewesen.
Nach drei Jahren des Leerstands ging das Hotel 2013 in den Besitz einer internationalen Investorengruppe mit Sitz in Kasachstan, wie mehrere unabhängige Medien damals berichteten. Käuferin sei demnach die zu diesem Zweck gegründete Firma Bühlerhöhe Castle Invest GmbH in Baden-Baden gewesen. Laut Recherchen der Deutschen Welle soll die Firma zu einem Netzwerk gehören, hinter dem der ehemalige kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew steht. Demnach soll der Autokrat auf diese Weise Geld ins Ausland gebracht haben, einen Verstoß gegen das Geldwäschegesetz konnten die Autoren des Berichts aber nicht nachweisen.
Wie es beim Hotel Plättig weitergeht, dazu war auf Anfrage dieser Zeitung kein Ansprechpartner der Bühlerhöhe Castle Invest GmbH zu erreichen. Auch Hans-Peter Braun, Bürgermeister der Gemeinde Bühlertal, auf deren Gemarkung das Hotel liegt, kann dazu keine Auskunft geben. „Zu den Eigentümern des Hotel Plättig besteht derzeit kein Kontakt“, sagt er auf Nachfrage dieser Zeitung. Vergangene Gesprächsversuche seien ohne Erfolg geblieben. Der Bürgermeister könne daher keine Aussage dazu treffen, wann im Hotel wieder der Betrieb aufgenommen werde. „Es wäre selbstverständlich schön, wenn das zeitnah geschehen könnte. Die Gemeinde steht jedenfalls für Gespräche zur Verfügung“, sagt Braun.
Während die Gemeinden rund um die Schwarzwaldhochstraße sich vergeblich bemühen, kann auch das Landratsamt Rastatt aktuell nichts an dem Leerstand ändern. Im Jahr 2017 stellte dieses ein Entwicklungskonzept vor, laut dem auf dem Plättig ein Familienhotel und im Kurhaus Sand ein Museum der Schwarzwaldhochstraße entstehen sollte. Beim ehemaligen Hotel Hundseck sollten nicht sanierbare Gebäude abgerissen und umgebenes Gelände genutzt werden.
Doch Gesprächsversuche mit den jeweiligen Eigentümern zur Umsetzung scheiterten. „Eine Kontaktaufnahme mit den Eigentümern ist seitens der Behörden äußerst schwierig, da sich diese im weiter entfernten Ausland befinden und offensichtlich kein gesteigertes Interesse an den Immobilien haben“, erklärt Benjamin Wedewart, Pressesprecher des Landratsamts Rastatt.
Willig: „Dann muss man über Enteignungen diskutieren“
Das Fazit vom Besuch an der Schwarzwaldhochstraße: Einheimische und Kommunen wollen die Hotels wiederbeleben – doch dafür scheitert es bislang an den Eigentumsverhältnissen. Trotz mangelnder Perspektive hat Hansjörg Willig den Kampf für die Wiederbelebung der ehemaligen Grandhotels aber nicht aufgegeben. „Ich arbeite seit 1998 daran und habe inzwischen eine relativ hohe Frusttoleranz“, sagt er. Obwohl sich die Zustände seitdem verschlechtert hätten, bleibe er optimistisch. „Und wenn die Eigentümer sich noch länger weigern, etwas zu machen, dann muss man auch über Enteignungen diskutieren.“
Ob es aber jemals zu Enteignungen an der Schwarzwaldhochstraße kommen wird, ist unklar: Laut dem Baugesetzbuch sind Enteignungen nur zulässig, „wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann.“ Doch anders als noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist die touristische Allgemeinheit auf der Schwarzwaldhochstraße nicht mehr auf die Existenz die Hotels angewiesen.
Ähnlich denkt man auch beim Landratsamt Rastatt. „Der Fokus hat sich in touristischer Hinsicht verschoben: Wandern, Radfahren und Naturerlebnis sind die neuen Schwerpunkte und darauf richten wir die Aktivitäten aus“, erklärt Pressesprecher Wedewart. Der Schwerpunkt liege deshalb beispielsweise auf der Verbesserung der Verkehrsverbindungen, dem Ausbau von Lademöglichkeiten für E-Bikes oder der Reaktivierung von gastronomischen Betrieben sowie Herbergen.