Stellen Sie sich einmal einen fiktiven Tag in den kommenden Monaten vor: Sie wachen in Ihrem Bett auf und die Heizung ist kalt. Ihr Radiowecker hat Sie nicht geweckt und Ihr Handy hat über Nacht nicht geladen. Sie versuchen, Ihre Nachttischlampe einzuschalten – vergeblich. Der Grund: Der Strom ist abgeschaltet.
Was lange undenkbar schien, könnte im Winter im schlimmsten Fall auf uns zukommen, so Strommarktexperte Fabian Huneke: Übertragungsnetzbetreiber nehmen wegen Energiemangels einzelne Großverbraucher oder Regionen stundenweise vom Netz. Auch durch Cyberangriffe kann eine Ausnahmesituation entstehen, so das Bundesamt für Katastrophenschutz. Doch wie würde das unseren Alltag verändern?
Toilette und Dusche
Nach dem Aufwachen tappen Sie durchs dunkle Zimmer und ziehen die manuelle Jalousie hoch. Anschließend gehen Sie ins Bad: Zähne putzen, Duschen und Körperpflege. Auch dort funktioniert das Badezimmerlicht nicht, doch Sie atmen auf. Immerhin funktionieren Toilette und Dusche.
Josef Siebler, Pressesprecher der Stadtwerke Konstanz erklärt: „Bei einem flächendeckenden Ausfall der Stromversorgung kann die Versorgung mit Trinkwasser weiter zuverlässig erfolgen.“ Die Trinkwasserspeicher seien über ihre Höhenlage so positioniert, dass der ausreichende Versorgungsdruck für die Kunden jederzeit bereit gestellt werde. Außerdem sind die Anlagen der Trinkwassergewinnung mit einer Ersatz-Stromanlage ausgestattet.
Als nächstes steigen Sie in die kalte Dusche. Normalerweise erhitzen Boiler oder Durchlauferhitzer das Wasser vor der Entnahme, so Siebler. Aufgrund des Stromausfalls sei das in so einer Situation aber nicht wie gewohnt möglich.
Telefon und Internet
Nach der Dusche ziehen Sie sich an und wollen auf WhatsApp gucken, ob Ihnen jemand geschrieben hat. Doch wegen des mangelnden Stroms funktionieren weder Ihr WLAN-Router noch das Telekommunikationsnetz.
„Bei einem Stromausfall können Teile der Kommunikationsnetze nur noch für kurze Zeit betrieben werden“, heißt es dazu auf der Webseite des Bundesamts für Katastrophenschutz (BKK). Sicherheitsbehörden können in so einem Fall auf eigene Funksysteme zurückgreifen. Wer ein batteriebetriebenes oder aufziehbares Radio besitzt, hat trotz der Ausnahmesituation die Möglichkeit, Mitteilungen der Behörden zu hören.
Bus und Bahn
Nach einer Schale Cornflakes mit lauwarmer Milch – der Kühlschrank läuft nicht mehr – wollen Sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu Ihrer Arbeitsstelle fahren. Sofern der Verkehrsbetrieb an Ihrem Wohnort noch nicht vollends auf elektrifizierte Fuhrparks umgestellt hat, können Busse weiterhin mit Treibstoff fahren. Das erklärt Pressesprecher Josef Siebler für die Busse der Konstanzer Stadtwerke. Für andere Verkehrsverbünde in der Region gilt Ähnliches. Auch dort ist die Flotte größtenteils nicht elektrisch.

Anders könnte es bei den Regionalbahnen aussehen. Sowohl das Bahnstromnetz als auch Bahnhöfe und Stellwerke sind mit dem öffentlichen Stromnetz verbunden. Aber was würde das für Betrieb beim Stromausfall bedeuten?
Auf SÜDKURIER-Anfrage antwortet die Pressestelle der Deutschen Bahn: „Selbstverständlich gibt es gemäß der jeweils gültigen Gesetze und Richtlinien entsprechende Notfallversorgungen für die gesamten Bahnanlagen.“ Was das allerdings konkret bedeutet – darauf antwortet die Pressestelle der Deutschen Bahn nicht.
Tankstellen
Obwohl Sie eigentlich mit der Bahn zur Arbeit fahren wollten, entscheiden Sie sich heute für das Auto. Ihr Tank ist noch zur Hälfte gefüllt, es reicht für den Tag. Aber ein Besuch an der Tankstelle könnte nicht schaden, denken Sie sich.
Doch hier ist das nächste Problem: An Tankstellen lässt sich ohne Strom kein Treibstoff zapfen. Die Einrichtungen verfügen über keine Notstromversorgung, wie Unterlagen des BKK bestätigen.
Die Versorgung mit Treibstoff ist aber gesichert. „In Deutschland liegen ausreichend Treibstoffvorräte für den Krisenfall vor“, so das BKK. Mit diesen Vorräten könne ein vollständiger Ausfall aller Ölimporte für drei Monate ausgeglichen werden. Die benötigten Mengen an Treibstoff lägen regional verteilt in Tanklagern vor, so die Behörde.
Bankautomaten
Nach dem Arbeitstag planen Sie, noch Lebensmittel einzukaufen. Sie haben aber nur noch Münzen in Ihrem Portemonnaie und wollen daher noch einen Geldautomaten ansteuern. Doch der Bildschirm des Automaten ist schwarz: Sie kriegen kein Bargeld.

„Bei einem Stromausfall gehen Geldautomaten nicht mehr“, bestätigt Wolfgang Aich, Pressesprecher der Sparkasse Bodensee. „Dann kommt man zeitweilig nicht an sein Geld.“ Von einem flächendeckenden Stromausfall geht man bei der Sparkasse aber nicht aus. „Es werden also abseits des Wohnorts auch noch andere Automaten zur Verfügung stehen“, sagt er.
Für die Sicherheit des Geldes in den Automaten sei beim Stromausfall gesorgt. „Unterhalb des Displays ist ein Tresor, der ist sowohl mit als auch ohne Strom sicher“, so der Sparkassen-Sprecher. Vereinzelte Automaten hätten auch Notstromaggregate.
Supermärkte
Mit Ihren verbliebenen Münzen gehen Sie zu dem Supermarkt Ihres Vertrauens. Was Sie dort erwartet, lässt sich aus heutiger Sicht aber nicht vorhersagen. Die Pressestellen einiger Supermärkte geben kaum Auskunft, wie sie sich auf so einen Fall vorbereiten.
Bei Edeka Südwest will man „keine Einblicke in unsere internen Maßnahmen gewähren“. Als Teil der kritischen Infrastruktur wolle man sich aber bestmöglich auf unterschiedliche Szenarien vorbereiten. Die Pressestelle von Aldi Süd erklärt dagegen, dass es keine Planungen für so einen Fall gäbe.
Wie wahrscheinlich ist so ein Fall?
Das Bundesamt für Katastrophenschutz verweist auf SÜDKURIER-Anfrage auf einen Stresstest des Bundeswirtschaftsministeriums von Anfang September machte. Dort prüfte man, wie gut das deutsche Stromnetz auf Ausnahmesituationen vorbereitet sei.
Dieser kam zu dem Ergebnis, „dass stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im Winter 2022/2023 zwar sehr unwahrscheinlich sind, aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können“, so der Text in der Pressemitteilung.

Wie kann man sich auf den Ernstfall vorbereiten?
Das rät das Bundesamt für Katastrophenschutz:
- Heizung: Wer einen Kamin hat, sollte einen Vorrat an Kohle oder Holz anlegen. Alternativ lässt sich mit warmer Kleidung und mit Decken die Heizung eine Zeit lang ersetzen. Dabei hilft es, sich einen bestimmten Raum zum Aufenthalt zu suchen und die Türen geschlossen halten, damit die Wärme nicht entweichen kann.
- Licht: Wenn die Glühbirnen vorübergehend nicht Leuchten, sind Taschenlampen eine Rettung – ob batterie- oder solarbetrieben oder als Kurbeltaschenlampe. Alternativen sind Kerzen und Streichhölzer sowie Camping- und Outdoor-Lampen.
- Küche: Wer für den Ernstfall Lebensmittel vorbereitet hat, die kalt verzehrt werden können, ist klar im Vorteil. Warme Mahlzeiten lassen sich auf einem Campingkocher zubereiten. Wer Garten oder Balkon hat, kann einen Garten- oder Tischgrill nutzen. Das Bundesamt für Katastrophenschutz warnt ausdrücklich davor, in der Wohnung oder im Haus zu grillen: „Es besteht Erstickungsgefahr!“
- Handy und Computer: Achten Sie darauf, dass die Akkus an Ihren Laptops, Mobiltelefonen, Telefonen etc. geladen sind oder halten Sie geladene Ersatzakkus bereit. Solarbetriebene Batterieladegeräte oder Powerbanks können bei Stromausfall eine Hilfe sein.
- Geld: Bei einem Stromausfall funktionieren Geldautomaten vermutlich nicht. Mit Bargeld im Portemonnaie oder zu Hause bleibt man trotz Stromausfall zahlungsfähig.
- Medien: Es besteht die Möglichkeit, dass bei einem Stromausfall Telekommunikationssysteme und das Internet ausgeschaltet sind. Zu diesem Szenario schreiben die Katastrophenschützer: „Halten Sie ein batteriebetriebenes Radio oder Kurbelradio bereit, damit Sie bei einem langanhaltenden Stromausfall Mitteilungen der Behörden verfolgen können.“