Der letzte Prozesstag des Jahres 2023 im Fall Jasmin M. endete mit zwei Appellen – einem eindringlichen und einem emotionalen. Zuerst richtet sich Staatsanwalt Ulrich Gerlach nach den Vernehmungen an den Angeklagten Robert S.: Er möge über die Feiertage in sich gehen und gut überlegen, ob er nicht doch sagen möchte, wo sich die Leiche befindet – sofern er das weiß. Das könnte ihm jedenfalls strafmildernd ausgelegt werden. Robert S. ist unter anderem wegen Nachstellens und Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt.

Emotional dagegen ist der Appell der Mutter von Jasmin M., die ihre Botschaft an den Ex-Freund ihrer vermissten Tochter mit Tränen in den Augen und brüchiger Stimme von einem Zettel abliest.

„Brich dein Schweigen“

Es sei die Zeit des Jahres, in der die Menschen einander vieles wünschten. „Meine Wünsche für dich halten sich in Grenzen“, sagt die Mutter zu S. „Als ihr zusammengekommen seid, war ich nicht sehr froh, wegen deines Familienstandes“, das wisse er. Denn Robert S. war damals und ist auch heute noch mit einer älteren Frau verheiratet.

Sie fährt fort: „Wenn du noch einen Funken Liebe für sie (Jasmin M., Anmerkung der Redaktion) empfindest, brich dein Schweigen.“ Sie könne nicht verstehen, weshalb er zu den Vorwürfen nichts sage. S. guckt sie an dabei, kurz nur, aber immer wieder. Eine andere Reaktion ist nicht zu erkennen.

Mit diesem Plakat suchte Karen M. im Sommer an vielen Orten nach ihrer Tochter Jasmin.
Mit diesem Plakat suchte Karen M. im Sommer an vielen Orten nach ihrer Tochter Jasmin. | Bild: Karen M.

„Es gibt sie nicht mehr. Es ist, als wenn es sie nie gegeben hätte“, sagt die Mutter. Und wieder an Robert S.: „Ich wünsche dir keine frohen Weihnachten. Aber ich wünsche für uns beide, dass du, falls du was weißt, deine Gefühle, die du eventuell noch für Jasmin empfindest, nicht länger unterdrückst.“

Debatte um die Aussagen der Vermieter

Ansonsten hält dieser siebte Prozesstag am Konstanzer Landgericht eine Debatte um die widersprüchlichen Aussagen der Vermieter von Jasmin M. bereit. Dazu kommt noch einmal der Polizist zu Wort, der einige der Vernehmungen unmittelbar nach dem Verschwinden der jungen Frau geführt hatte.

Zur Erinnerung: Vor Gericht hatten die Vermieter plötzlich ausgesagt, Jasmin M. hätte kurz vor ihrem Verschwinden gesagt, dass sie für einige Tage weg sein würde. Der Polizei hatten die beiden davon aber nichts gesagt, als sie im Februar dazu befragt wurden – also zu der Zeit, als gerade nach M. gesucht wurde.

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Der Verteidiger von Robert S. nimmt den Zeugen etwas in die Mangel, es geht gar um die Frage, wie der Vermieter das Wörtchen „auch“ gemeint haben könnte. Und es fehlt der Verteidigung die explizite Nachfrage im Vernehmungsprotokoll von damals, ob der Vermieter etwas über den Verbleib der Vermissten gewusst hat.

Der Beamte entgegnet: „Natürlich fragen wir das, so gewinnen wir ja Hinweise auf neue Erkenntnisse.“ Auch vor und nach der protokollierten Vernehmung habe man miteinander gesprochen.

Chaotisches Waffenlager

Außerdem wird an diesem Verhandlungstag in fast 80 Bildern die Hausdurchsuchung bei der Ex-Partnerin von Robert S. gezeigt. In der Wohnung wurde nichts Relevantes gefunden. Aber im dazugehörigen Abstellteil: Dort lagerten die Waffen des Angeklagten – teilweise gesichert in drei Tresoren, teilweise aber auch ringsherum. Drei funktionsfähige Armbrüste sind auf den Fotos zu sehen, Revolver und Langwaffen, dazu einige Munition verteilt im ganzen Raum.

Recherchen des SÜDKURIER hatten bereits im März ergeben, dass S. Sportschütze ist. Die Anklage der Staatsanwaltschaft hatte dann später gezeigt, dass er auch illegale Waffen besessen hat. Die nun gezeigten Bilder offenbaren: Es waren eine ganze Menge. Welche davon legal und welche illegal waren, kommt noch nicht zur Sprache. Klar scheint aber: Vieles war nicht ausreichend gesichert.

Weshalb wird die Ex-Partnerin beschuldigt?

Einige weitere technische Details gibt es auch noch: Robert S. hat 24 Videos mit Bezug zu Jasmin M. gelöscht – und zwar am 20. Februar um 14.10 Uhr, also am Tag nach ihrem Verschwinden. Die Polizei konnte die Inhalte wiederherstellen, es waren größtenteils die bereits bekannten Bilder, die S. von der Straße aus durch das Wohnzimmerfenster von Jasmin M. gedreht hat.

Nur beiläufig klingt es in der Verhandlung einmal so, als würde die Ex-Partnerin des Angeklagten inzwischen selbst als Beschuldigte geführt. Eine Nachfrage des SÜDKURIER bei der Konstanzer Staatsanwaltschaft ergibt allerdings, dass es sich dabei um ein Missverständnis handeln muss – die Frau gelte nach wie vor als Zeugin, sagt ein Behördensprecher.

Klar ist aber, das kündigt der Vorsitzende Richter Arno Hornstein am Ende an: „Im neuen Jahr biegen wir dann auch langsam auf die Zielgrade ein.“ Nach aktuellem Stand soll es im Januar noch sechs Verhandlungstage geben.