Als Jasmin M. im Februar vermisst gemeldet und gesucht wird, führt die Polizei kurz darauf sogenannte Umfeldbefragungen durch. Das ist Routine in solchen Fällen – da werden Nachbarn, Freunde, Familie und Kollegen vernommen, um möglichst viele Details über das Verschwinden zu ermitteln.
Auch Jasmin M.s Vermieter werden damals mehrfach befragt; ein Ehepaar, das selbst in dem Mehrfamilienhaus ein Eigeltingen-Heudorf lebt. Aus den Vernehmungsprotokollen der Polizei geht hervor: Wenige Tage nach dem Verschwinden wissen die beiden nichts zu ihrem Verbleib.
Falschaussage vor Gericht?
Am vierten Prozesstag am Konstanzer Landgericht sind sie erneut als Zeugen geladen und sagen plötzlich beide: Sie wollte an jenem Wochenende ihres Verschwindens weg. Das habe sie einige Tage vorher so gesagt.
Staatsanwalt Ulrich Gerlach bohrt bei der Vermieterin nach: Das Verschwinden von Jasmin M. sei ja Gegenstand der Befragung gewesen, es sei also hauptsächlich darum gegangen, ob irgendjemand weiß, wo sie sein könnte. „Das wäre ja der Clou überhaupt gewesen, wenn Sie damals gesagt hätten: Die wollte über das Wochenende wegfahren“, so Gerlach.
Auch die Vertreterin der Nebenklage sagt: „Ich glaube Ihnen in diesem Punkt kein Wort.“ Und der Vorsitzende Richter Arno Hornstein erinnert beide an ihre Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage – alles andere wäre strafbar.
Traditionell schwieriges Verhältnis zur Polizei
Es bleibt die Irritation, denn beide können nicht erklären, wann oder von wem sie diese Information bekommen haben wollen. Vom Angeklagten Robert S.? Den wollen sie seit seiner Festnahme kurz nach Jasmin M.s Verschwinden nicht mehr gesprochen haben. S. ist unter anderem der Körperverletzung mit Todesfolge und des Nachstellens angeklagt.
Der Vermieter, zeigt seine Befragung, war früher im Rockermilieu. Er hat ein traditionell schwieriges Verhältnis zur Polizei, so lässt sich das Vernehmungsprotokoll zusammenfassen. Und offenbar auch zu Frauen. Als es darum geht, dass der Angeklagte M. ins Gesicht geschlagen, sie ihm aber vorher in die Genitalien getreten habe, sagt er: „Hätt‘ ich genauso gemacht.“ Vom Publikum im Saal erntet er dafür Widerspruch.
Beste Freundin und Liebschaft sagen aus
An diesem vierten Verhandlungstag wurden außerdem Jasmin M.s beste Freundin und ihre letzte romantische Bekanntschaft befragt. Beide berichten übereinstimmend: Vor allem ihren geliebten Hund hätte M. nicht einfach zurückgelassen und auch nicht ihre Oma, um die sie sich regelmäßig gekümmert hat. Sie hatte Pläne für ihr weiteres Leben, sagt ihre beste Freundin, ein neues Auto wollte sie bald kaufen, Kinder haben irgendwann.
Auch ein konkretes Detail zum Verhältnis der Ehefrau des Angeklagten zu Jasmin M. haben beide parat: Die sei mal bei M.s Arbeit aufgetaucht und habe sie dort beschimpft.
Die Gewalt gegen die Vermisste schildern sie deutlich drastischer: In der Polizeivernehmung nach dem Verschwinden hatte der Freund ausgesagt, Robert S. habe fünf Minuten auf sie eingeprügelt, ihr ganzes Gesicht sei blau gewesen. Es seien sogar Bilder davon bei einem Arzt hinterlegt. Auch die beste Freundin erzählt von blauen Augen und aufgeplatzter Lippe.
Noch einmal Vergangenheitsform
Es ist an diesem Tag eine Schwierigkeit zu erkennen: Es sind bald zehn Monate seit den ersten Polizeivernehmungen vergangenen, in der Zwischenzeit ist öffentlich einiges über den Fall bekannt geworden. Verfälscht das manche Erinnerung? Oder sind sie nach all der Zeit zumindest getrübt? Es wurden aber auch zum ersten Mal in diesem Prozess Zeugen befragt, die nicht als Polizisten an den Ermittlungen beteiligt waren, also nicht all die Akten und Details kennen.
Eine Polizistin wurde allerdings auch an diesem Tag befragt. Sie hatte S. zum Haftrichter gefahren. Im Auto habe er, so sagt sie aus, in der Vergangenheitsform von Jasmin M. gesprochen. Sie ist nicht die erste Ermittlerin, der das im Gespräch mit dem Angeklagten aufgefallen ist.