Am vierten Verhandlungstag ist alles anders: Vor Richter Martin Hauser sitzt nun eine weitere Juristin. Die Rechtsanwältin vertritt die in Tunesien lebende Schwester des Opfers, Mahdi Bin Nasr. Sie wurde als Nebenklägerin zugelassen, auch wenn der Prozess bereits seit Wochen läuft. Aufgrund dieser Entwicklung fällt das Urteil nun doch später.

Plädoyers am Dienstag, Urteil unklar

Das Verfahren vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen begann bereits am 14. Oktober. Nachdem sich die Prozessbeteiligten am dritten Tag bereits auf eine Strafober- und untergrenze (sieben bzw. sechs Jahre) verständigt hatten, wurden für diesen Montag eigentlich die Plädoyers erwartet. Diese sollen nun am Dienstag gehalten werden. Damit verzögert sich auch der Urteilsspruch.

Da die Kammer bereits das nächste große Verfahren terminiert hat, komme man langsam an die Grenzen, räumte Richter Hauser ein.

Der Angeklagte, der den Saal zu Beginn immer mit Mütze und Mundschutz betritt, wird von Waldemar Efimow (rechts) vertreten.
Der Angeklagte, der den Saal zu Beginn immer mit Mütze und Mundschutz betritt, wird von Waldemar Efimow (rechts) vertreten. | Bild: Philipp von Ditfurth

Die Anwältin der Nebenklägerin, Claudia Meng, sagt in Waldshut-Tiengen, die Schwester habe zwar von dem Strafprozess gewusst, nicht aber von der Möglichkeit, als Nebenklägerin beizutreten. „Sie will den Angeklagten sehen und bei der Urteilsverkündung dabeisein“, so Meng. Ihre Mandantin warte derzeit auf ein Visum.

Bereits vor Prozessbeginn hatte sich die Frau um ein Visum bemüht, wie sie damals dem SÜDKURIER schrieb, aber keines erhalten. Allerdings saßen am zweiten Verhandlungstag zwei Mitarbeiter des tunesischen Konsulats im Landgericht.

„Es gibt hier keine Gesinnungsjustiz“

Sonst war der vierte Verhandlungstag geprägt von Akten, die eingeführt worden sind. Die Kammer sah sich aber zu Beginn zu einigen Klarstellungen genötigt. Denn die Zuschauerreihen im Saal waren voll.

Inzwischen hat sich die Beratungsstelle für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Baden-Württemberg des Falles angenommen, nachdem Hinweise auf eine rechte Gesinnung des Angeklagten öffentlich wurden. In einem Beitrag auf Instagram kritisierte die Beratungsstelle, dass durch die jüngste Verfahrensabsprache ein rassistisches Motiv unter den Tisch zu fallen drohe.

Richter Hauser betonte daher: „Die 3. Große Strafkammer ist nicht auf dem rechten Auge blind.“ Die Beweisaufnahme hätte bisher keine Hinweise für ein Mordmerkmal erbracht – weder Heimtücke, Habgier, Verdeckungsabsicht, Grausamkeit oder sonstige niedere Beweggründe.

Mehrere Zeugen hätten bestätigt, dass Bin Nasr die Familie des Angeklagten beschimpft hätte. Zudem sei der 58-Jährige nicht vorbestraft und ohne sein Geständnis wäre dieser Fall wohl nie aufgeklärt worden. Auch Oberstaatsanwalt Lorenz betonte: Es gehe hier nicht um Emotionen, es gehe um die Unvollkommenheit des Strafprozesses. Es gebe nichts zu skandalisieren, „es gibt hier keine Gesinnungsjustiz“.

Das wirft die Staatsanwaltschaft dem Maulburger vor

Die Anklage wirft dem mutmaßlichen Todesschützen, einem 58 Jahre alten Familienvater aus Maulburg, Totschlag und unerlaubten Waffenbesitz vor. Der Beschuldigte gestand vor Gericht, zweimal auf den Mann geschossen zu haben. Laut Anklage soll der 58-Jährige die Leiche des Opfers an Heiligabend in ein nahes Waldstück gebracht haben.

Tage später habe er den Toten in seinem Schrebergarten mit einer Machete in sechs Teile zerlegt, diese in Maschendraht gewickelt und an verschiedenen Stellen in den Rhein geworfen. Taucher entdeckten im April die Leichenteile im Rhein bei Breisach im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald.