Der Blumberger Stadtteil Riedböhringen ist ein typisches Baar-Dorf: Die einzige Kirche im Ort ist eine katholische, die Gemeinderäte haben vor Jahren das alte Milchhäusle mit viel Fleiß und handwerklichem Können wieder auf Vordermann gebracht und die Vereine prägen das gesellschaftliche Leben im Dorf, darunter die Landfrauen, ein Schützen- und ein Männergesangverein und natürlich eine Narrenzunft. Das Dorfleben verläuft in ruhigen Bahnen. Doch seit dem gestrigen Mittwoch ist alles anders.

Das Blumberger Rathaus hat bis einschließlich 14. April eine Ausgangssperre für Riedböhringen erlassen, weil sich die kleine Gemeinde zu einem Corona-Hotspot entwickelt hat. Ein bislang einmaliger Vorgang in Baden-Württemberg. Auf den Dorfstraßen sind seither nur ganz vereinzelt Menschen zu entdecken, immer wieder patrouillieren Streifenwagen durch den Ort.

Die Riedböhringer sind stolz darauf, dass ein Kardinal aus ihrem Dorf stammt.
Die Riedböhringer sind stolz darauf, dass ein Kardinal aus ihrem Dorf stammt. | Bild: Niederberger, Holger

Bei 22 Riedböhringern haben Tests des Landratsamts Schwarzwald-Baar eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt. Ein extremer Wert bei knapp 1000 Einwohnern. Damit stammen über zehn Prozent der gemeldeten Corona-Fälle im Landkreis aus der Blumberger Teilgemeinde. Das Rathaus musste reagieren, die verhängte Ausgangsperre ist viel strenger als die Corona-Verordnung des Landes.

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Die Bewohner dürfen ihre eigenen vier Wände jetzt nur noch aus einem „triftigen Grund“ verlassen, wobei die bekannten Ausnahmen gelten: Fahrten zur Arbeit oder Arztbesuche sind weiterhin möglich. Allerdings: Vor die Tür dürfen die Riedböhringer nur noch alleine. Mit einer Ausnahme: Familienangehörige dürfen gemeinsam Sport treiben oder zusammen einen Spaziergang unternehmen. Das gilt auch für in einer Hausgemeinschaft zusammenlebende Menschen. „Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur noch alleine gestattet“, heißt es in Amtsdeutsch. Beim Schwatz über den Gartenzaun müssen die Riedböhringer jetzt einen Mindestabstand von möglichst zwei Meter einhalten.

Ein Streifenwagen fährt an der Riedböhringer St.-Genesius-Kirche vorbei. Bild: Holger Niederberger
Ein Streifenwagen fährt an der Riedböhringer St.-Genesius-Kirche vorbei. Bild: Holger Niederberger | Bild: Niederberger, Holger

Bürgermeister Markus Keller ist sich über die Reichweite der Ausgangssperre bewusst: „Ich weiß, dass diese Einschränkungen viele Mitbürgerinnen und Mitbürger treffen wird, die sich korrekt verhalten haben oder nicht von dem Virus betroffen sind.“ Er sah in enger Absprache mit den Spezialisten des Gesundheitsamts aber keine andere Möglichkeit, den Anstieg der Fallzahlen zu stoppen.

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Wie konnte Riedböhringen zu einem Corona-Hotspot werden? Bekannt ist, dass sich am 7. März eine Handvoll Busse von der Baar auf den Weg nach Ischgl zu einem Tagesausflug gemacht haben. Eine Reisewarnung gab es an diesem Tag für den bekannten Skiort noch nicht. Erst am 13. März erklärte die österreichische Bundesregierung Ischgl und das Paznauntal zum Risikogebiet und verhängte eine Quarantäne. Deutschland zog am selben Tag nach und erklärte ganz Tirol zum Risikogebiet.

Ortsvorsteher Gerhard Fricker spürt die Verunsicherung.
Ortsvorsteher Gerhard Fricker spürt die Verunsicherung. | Bild: Birgit Greif

Riedböhringens Ortsvorsteher Gerhard Fricker schätzt, dass rund 20 seiner Mitbürger in den Bussen saßen. Das Landratsamt stellt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Coronafällen und den Bustouren fest – denn anschließend seien mehrere Teilnehmer aus Riedböhringen erkrankt, die die Infektion an Familienmitglieder weitergegeben hätten. Seit vergangener Woche beobachtet das Gesundheitsamt außerdem, dass sich weitere Menschen in Riedböhringen angesteckt haben, die nicht zum direkten Umfeld der infizierten Skifahrer gehören.

Der „Frohsinn“ traf sich trotzdem

Gut möglich, dass sich das Corona-Virus auch deshalb so stark in Riedböhringen ausbreiten konnte, weil Mitglieder der örtlichen Vereine am Tag nach der Ischgl-Fahrt bei einem Tischtennisturnier gegeneinander antraten. Und eine Woche später trafen sich die Männer des Gesangvereins „Frohsinn“ zu ihrem Jahrestreff. Zu diesem Termin hatten viele Vereine in Blumberg und auf der Baar ihre Generalversammlungen bereits abgesagt.

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Gerhard Fricker spürt eine große Verunsicherung unter seinen Mitbürgern. Was ist noch erlaubt, was ist verboten? Antworten darauf finden die Riedböhringer seit gestern Nachmittag auf der Homepage der Stadt Blumberg. Der Ortschef appelliert, nicht mit Finger auf Infizierte zu zeigen, das Dorf müsse nun zusammenstehen. Die verhängten Restriktionen gehörten ernst genommen, jeder habe sie zu befolgen. Auf dass Riedböhringen wieder ein ganz normales Baar-Dorf wird.