Sie haben einen islamistischen Gottesstaat errichtet, Tausende Männer exekutiert, Frauen sexuell versklavt und Kinder zwangsrekrutiert – die Kämpfer der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). Das Ausmaß ihrer Kriegsverbrechen stufen die Vereinen Nationen (UN) seit 2015 als Völkermord ein. Mehr als 1000 Islamisten aus Deutschland sind laut Verfassungsschutz in den heiligen Krieg (“Dschihad“) im Ausland gezogen. Zahlreiche weitere Sympathisanten sollen den IS und seine Kämpfer mit Überweisungen finanziell unter die Arme gegriffen haben, darunter auch zwei Männer aus Südbaden, 29 und 44 Jahre alt.

Seit Ende Juli müssen sich die beiden amtsbekannten mutmaßlichen Islamisten aus Villingen in einem sogenannten Staatsschutzverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart unter dem Vorsitz von Claus Belling wegen Terrorismusfinanzierung und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verantworten. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart wirft dem 29-jährigen Deutschen und dem 44-Jährigen – er besitzt die türkische und deutsche Staatsbürgerschaft – vor, zwei mit ihnen befreundete IS-Kämpfer mit rund 8000 Euro unterstützt zu haben – entgegen dem zur Umsetzung wirtschaftlicher Sanktionen bestehenden Verbot nach dem Außenwirtschaftsgesetz.

Geldtransfers über die Türkei nach Syrien

Die Geldtransaktionen zwischen Dezember 2013 und Januar 2015 sollen über die Türkei nach Syrien erfolgt sein, wo ihre beiden Freunde laut Anklage als Soldaten der Terrororganisation IS im Kriegseinsatz waren. Mit den Finanztransfers wollten die beiden Villinger laut Generalstaatsanwaltschaft ihren islamistischen Freunden deren Einsatz im Krieg „erleichtern, den IS seiner Ziele und Taten bewusst unterstützen und die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung erweitern“.

Dieses undatierte Bild, welches am 30. Juni 2014 vom Raqqa Media Center der Terrormiliz Islamischer Staat zur Verfügung gestellt wurde, ...
Dieses undatierte Bild, welches am 30. Juni 2014 vom Raqqa Media Center der Terrormiliz Islamischer Staat zur Verfügung gestellt wurde, zeigt Kämpfer des IS, die die Stadt Al-Rakka (Syrien) erobert haben. Die Terrormiliz IS hat am 17. Oktober 2017 nach monatelangen Kämpfen ihre inoffizielle Hauptstadt Al-Rakka in Nordsyrien verloren. | Bild: Uncredited/Militant Website/AP/dpa

Dem 44-jährigen Angeklagten legt die Anklage zudem zur Last, von Januar 2018 bis März 2018 insgesamt 970 Euro bei einer Geldsammlung für den IS an einen von Heilbronn aus tätigen Spendensammler überwiesen zu haben, um durch seine finanziellen Beiträge die ihm bekannten Ziele und Tätigkeiten des IS zu fördern.

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Abrechnung unter Radikalen?

In einem anderen Fall hat das Amtsgericht Villingen-Schwenningen den 44-jährigen Villinger Ende August wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Haftstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Er soll am 9. April in Winterthur gemeinsam mit einem 32-jährigen Komplizen auf der Straße den bekannten Schweizer Islamisten Sandro V. (34) mit einer Hiebwaffe, mutmaßlich mit einer Machete, angegriffen haben.

Ein Verhandlungssaal im Amtsgericht Villingen-Schwenningen
Ein Verhandlungssaal im Amtsgericht Villingen-Schwenningen | Bild: Göbel, Nathalie

Nach der Attacke flüchtete der 44-jährige mutmaßliche Islamist über die Grenze nach Deutschland. Die Schweizer Behörden informierten umgehend ihre deutschen Kollegen. Wenig später konnten Einsatzkräfte der deutschen Polizei den gesuchten Mann festnehmen. Laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft Konstanz machte der 44-Jährige eine Notwehrsituation geltend. Das Opfer, der selbsternannte „Emir von Winterthur“, musste im Spital behandelt werden, konnte es aber bald wieder verlassen. Der 32-jährige Komplize erhielt vom Amtsgericht Villingen-Schwenningen für den Angriff auf den Schweizer eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten auf Bewährung.

Winterthurer und Singener Islamisten

Bei dem Angriff dürfte es sich um eine Abrechnung im Islamistenmilieu gehandelt haben. Der Geschädigte Sandro V. soll einst stolz auf seine italienische Herkunft und katholische Religion gewesen sein. Vor mehr als zehn Jahren konvertierte er zum Islam, 2013 reiste er über Istanbul ins Kriegsgebiet nach Syrien, knapp einen Monat später kam er jedoch bereits wieder zurück in die Schweiz. In der Winterthurer Islamistenszene soll Sandro V. aufgrund seines Status als „Rückkehrer“ wachsenden Einfluss gewonnen haben.

Die Stadt Winterthur von oben
Die Stadt Winterthur von oben | Bild: FEZE

2014 gründete Sandro V. mit dem Singener Thaibox-Weltmeister Valdet Gashi die inzwischen geschlossene Kampfsportschule MMA Sunna in Winterthur, die als wichtiger Treffpunkt junger Islamisten diente. Anfang 2015 verließ Valdet Gashi Europa und reiste nach Syrien, um den IS zu unterstützen. Laut der oppositionellen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wollte sich der damals 29-Jährige Mitte 2015 nach Deutschland absetzen, sei jedoch vom IS in ein Gefangenenlager gebracht worden. Laut IS-Angaben soll Gashi Anfang Juli bei einem US-Luftangriff auf Kobane getötet worden sein. Die tatsächlichen Hintergründe seines Todes sind bis heute unklar – der SÜDKURIER versuchte damals Licht ins Dunkeln zu bringen.

Stolz zeigte Valdet Gashi seine Meistergürtel – vor einer IS-Fahne. Seine Begeisterung bezahlte er mit dem Leben.
Stolz zeigte Valdet Gashi seine Meistergürtel – vor einer IS-Fahne. Seine Begeisterung bezahlte er mit dem Leben. | Bild: Facebook

„Fanatischer Anhänger und Befürworter des IS“

Sandro V. wiederum ist 2016 wegen seiner islamistischen Umtriebe von der Schweizer Polizei festgenommen worden und saß ein Jahr in Untersuchungshaft. Erst im September 2020 verurteilte das Schweizer Bundesstrafgericht in Bellinzona den mutmaßlichen Leitwolf der Winterthurer Islamistenszene zu einer Haftstrafe von vier Jahren und zwei Monaten. „Er war ein geradezu fanatischer Anhänger und Befürworter des IS sowie von dessen Vorgängerorganisationen“, lautete die Begründung des vorsitzenden Richters damals. Der 34-jährige Beschuldigte legte jedoch Berufung ein, weshalb er wieder auf freien Fuß kam.

Syrien, Baghus: IS-Kämpfer laufen mit einer IS-Flagge.
Syrien, Baghus: IS-Kämpfer laufen mit einer IS-Flagge. | Bild: Amaq News Agency/AP/dpa

Im Staatsschutzverfahren gegen die beiden 29 und 44 Jahre alten Villinger hat das Oberlandesgericht Stuttgart elf Verhandlungstage anberaumt. Den beiden Angeklagten droht unter anderem wegen Terrorismusfinanzierung und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. Das Urteil wird im Oktober erwartet. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.