„An manchen Tagen tankt man den Traktor morgens voll und abends ist er leer“, sagt Andreas Deyer, Landwirt aus Mühlingen im Kreis Konstanz. Mit dem Kompromissvorschlag der Ampel, im ersten Jahr nur 40 und in den beiden Folgejahren je 30 Prozent der Agrardieselsubventionen abzubauen, rechnet Deyer für den Anfang mit 2000, 2500 Euro Mehrkosten für seinen Betrieb in Mühlingen im Kreis Konstanz.

Das ist eine stattliche Summe, laut Agrarbericht der Bundesregierung hat ein durchschnittlicher Haupterwerbsbetrieb im Wirtschaftsjahr 2020/21 knapp 2900 Euro Dieselerstattungen bekommen – mit 40 Prozent weniger Subvention wären davon noch etwa 1700 Euro übrig. Besonders betroffen sind Ackerbau- und Milchviehbetriebe, die für große Flächen respektive Futtermischwagen viel Diesel brauchen. Gerade letztere konnten ihre Gewinne in dieser Zeit aber auch satt steigern: Milchbetriebe verzeichneten Zuwächse um über 60 Prozent, im Ackerbau waren es knapp 40.

Und die Kfz-Steuer, von der landwirtschaftliche Fahrzeuge befreit sind? Die würde ihn 3000 bis 4000 Euro im Jahr kosten, überschlägt der Mühlinger Landwirt Deyer für seine vier Traktoren und einige Anhänger. Eine spürbare Summe: Kfz-Steuer und Dieselmehrbelastung würden zusammengenommen zehn bis 15 Prozent seines Einkommens ausmachen, sagt er.

Alle sind überrascht

Andreas Deyer kann sich deswegen gut an den 13. Dezember erinnern – der Tag also, an dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) unerwartet einen Sparkompromiss im Haushaltsstreit präsentiert haben. Nichts war vorher nach außen gedrungen, es war zwar klar, dass es irgendwen treffen würde, vorbereitet war aber niemand.

Deyer, der dem Stockacher Kreisverband des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV) vorsitzt, war an dem Tag bei einem Treffen in Berlin, es ging um Projekte für die landwirtschaftliche Bildung. „Da kam auf einmal unser Vizepräsident rein und sagte: Die Dieselsubventionen und die grünen Kennzeichen fallen weg“, erinnert er sich. „Da waren alle ziemlich überrascht.“

Proteste waren schnell organisiert

Was dann passiert, ist weitgehend bekannt. „Für uns war schnell klar: Wir müssen uns wehren“, sagt Deyer. In kurzer Zeit müssen Busse und Fahrer organisiert werden, die baden-württembergische Landwirte nach Berlin bringen, um an den Protesten in der Hauptstadt teilzunehmen.

Bald darauf rudert die Regierungskoalition zurück. Die Dieselsubvention soll etappenweise gesenkt werden, die Befreiung von der KfZ-Steuer bleibt. Die ist eigentlich ein historisches Relikt, vor über 100 Jahren wurde sie beschlossen, um den Landwirten motorisierte Traktoren schmackhaft zu machen. Die konnten sich damals teilweise nicht vorstellen, dass die neue Technologie das Ochsengespann langfristig würde ablösen können.

Entgegen der Aussagen bei manchem Bauernprotest ist die Kfz-Steuer auch nicht für den Straßenausbau zweckgebunden, von dem – so das Argument – Landwirte auf ihren Feldwegen ja nicht profitieren.

Entgegenkommen reicht nicht

Trotz der Entgegenkommen protestieren die Bauern weiter. Die Steuererhöhungen sollen ganz gestrichen werden, fordern sie. Inzwischen machen aber Nachrichten die Runde, wie Rechtsextreme die Proteste unterwandern.

In Telegram-Kanälen wird an Umsturzfantasien gewerkelt, die „Sache sollte so lange anhalten, bis die Regale im Supermarkt leer sind“, heißt es da zum Beispiel, oder: Es werde ein langer Weg, „die“ zu Fall zu bringen.

Auch der Mühlinger Deyer hat einen Anruf aus dem Konstanzer Verschwörungsmilieu bekommen, ob man nicht gemeinsame Sache machen wolle. Wie die anderen Bauernverbände hat aber auch der BLHV daran kein Interesse und distanziert sich von solchen Aktionen.

Rückzug von den eigenen Protesten?

Klar ist aber, das sieht auch Deyer: Es sind zuweilen auch Landwirte selbst, die zu weit gehen. Für all jene, die legitimen Protest äußern wollen, eine schwierige Situation. „Wenn es nur noch darum geht, Frust abzulassen, müssten wir uns wohl irgendwann von den Protesten zurückziehen“, meint Deyer. Deren Vereinnahmung von Extremen würde ihre Anliegen beschädigen.

Der Schädel eines toten Rindes samt eines Plakats mit der Aufschrift „Gibt es keine Bauern mehr, bleiben eure Teller leer“ ...
Der Schädel eines toten Rindes samt eines Plakats mit der Aufschrift „Gibt es keine Bauern mehr, bleiben eure Teller leer“ sind bei einer Kundgebung des Bauernverbandes gegen die Sparpläne der Bundesregierung an einem Traktor angebracht. | Bild: dpa

Die öffentliche Stimmung ist teilweise schon gekippt – nach anfänglichem Verständnis für die Belange der Landwirte wird ihr Protest zunehmend für überzogen gehalten, FDP-Chef Christian Lindner rief sie am Samstag zum Umdrehen auf.

Die CDU, traditionell eng mit den Bauern verbunden, fordert aber weiteres Umlenken: „Die Ampelpläne zur Erhöhung der Steuern für Landwirte müssen ganz vom Tisch“, schreibt etwa der Konstanzer Bundestagsabgeordnete Andreas Jung.

Unverständnis und Machtlosigkeit

Es bleibt die Frage, woher nach zwei ziemlich erfolgreichen Jahren die nachhaltige Wut der Landwirte kommt. Manche äußern ein Gefühl von Machtlosigkeit, anders als andere Branchen können sie Preissteigerungen nicht einfach weitergeben.

Außerdem ist da ein gewisses Unverständnis, das auch im Gespräch mit Andreas Deyer zu vernehmen ist. Das bezieht sich auf geplante Investitionen in sichere Lieferketten, sichere Computerchips, sichere Infrastruktur. Und bei der Lebensmittelsicherheit soll gespart werden?, fragt er sich. Und dass die Agrarsubventionen als umweltschädlich abgeschafft werden sollen, sich die Regierung aber nicht durchringen kann, die gewiss viel schädlicheren Inlandsflüge anders zu besteuern – das kann Deyer nicht verstehen.